Ärger mit Financial Fairplay? Nach Messi-Deal muss PSG kräftig rechnen
12.08.2021, 18:36 Uhr
Lionel Messi ist angekommen. PSG-Boss Nasser Al-Khelaifi ist aber nicht alle Sorgen los.
(Foto: imago images/PanoramiC)
Der Scheich von Paris Saint-Germain verspricht, der Klub werde die Auflagen des Financial Fairplay erfüllen - trotz der kostspieligen Verpflichtung von Lionel Messi. In Wahrheit gibt es in der Rechnung aber unbekannte Variablen, die Konsequenzen haben könnten.
Corona ist schuld. Das blöde Virus hat mutmaßlich auch Einfluss auf den Transfer von Lionel Messi zu Paris Saint-Germain. Denn das Financial Fairplay (FFP) der spanischen Liga, welches einen Verbleib des Zauberflohs beim FC Barcelona verhinderte, greift in der französischen Ligue 1 erst in zwei Jahren - und die Pandemie soll der Grund sein. Schließlich sind dadurch viele Klubs der Liga in finanzielle Schieflage gekommen. Der Scheichklub aus der französischen Hauptstadt nutzt also in erster Linie nur eine noch bestehende Lücke im System, um sich den Spieler zu finanzieren, der sonst nicht zu finanzieren wäre. Corona allein macht diesen Deal aber nicht möglich, sondern auch eine ordentliche Portion Hoffnung auf mögliche Einnahmen in den kommenden Wochen.
Für Scheich Nasser Al-Khelaifi wird die FFP-Rechnung des Liga-Primus trotz Rekordgehältern aufgehen. "Wir sind immer darum bemüht, das Financial Fairplay einzuhalten. Vor dem Messi-Transfer haben wir unsere Zahlen geprüft und abgewogen, ob es möglich ist, diesen Deal zu machen. Und es war möglich. Wir machen nichts, ohne es zu prüfen", sagte er bei der Vorstellung des Argentiniers. Vor allem beim Wörtchen "abgewogen" schwingt Ungewissheit mit und hier wird deutlich, dass noch nicht alle Stellschrauben richtig stehen, um auch das Financial Fairplay der UEFA zu erfüllen.
PSG-Finanzen müssen in diesem Jahr stimmen
35 Millionen Euro soll Messi bei seinem neuen Klub verdienen, netto versteht sich. Die neue Regel, die in Frankreich erst ab 2023/24 greifen soll, besagt, dass die Spielergehälter nur 70 Prozent des Umsatzes ausmachen dürfen. Für den Hauptstadtklub wäre das aktuell ein riesiges Problem. Bereits in der Saison 2019/2020 standen bei PSG etwas mehr als eine halbe Milliarde Euro an Gehältern und sonstige Ausgaben zu Buche, Einnahmen aus TV-Geldern, Sponsoring und Ticketverkäufen beliefen sich auf eine ähnlich hohe Summe. Fixkosten und Honorare rissen dann zur Jahresbilanz trotzdem ein 124 Millionen Euro tiefes Loch in die PSG-Kasse.
An diesem Bild dürfte sich in der letzten Saison wenig geändert haben, mit Mauro Icardi kam sogar noch ein Gutverdiener als Neuzugang von Inter Mailand hinzu (Ablöse schlappe 50 Millionen Euro). Mit Edinson Cavani und Thiago Silva verließen zwei Top-Verdiener den Klub, allerdings ablösefrei. Für die neue Saison werden die Gehaltskosten explodieren. Neben Messi wurden noch Sergio Ramos, Europameister Gianluigi Donnarumma, Georginio Wijnaldum und Ex-Dortmunder Achraf Hakimi nach Paris gelotst. Bis auf Hakimi, der 60 Millionen Euro kostete, alle ablösefrei. Das FFP der französischen Liga kann PSG zwar noch umschiffen, das der UEFA allerdings nicht.
Die UEFA blickt in Sachen FFP auf die vorangegangenen drei Jahre zurück, Einnahmen und Ausgaben müssen sich hier annähernd ausgleichen. Ist das nicht der Fall, wird sanktioniert. Mit Blick auf die jüngsten beiden Verlustjahre muss die PSG-Bilanz in diesem Jahr stimmen, sonst droht im schlimmsten Fall der Ausschluss von der Champions League, deren Gewinn das große Ziel des Klubs ist.
Messis Millionen aus der laufenden Jahresbilanz zu rechnen ist eine einfache Aufgabe. Bei der Vermarktung gibt sich Klubbesitzer Al-Khelaifi offensiv. Die Inszenierung seiner Neuverpflichtung ist Hollywood-reif - und das hat einen Zweck. Die globale Strahlkraft des Argentiniers ist größer als jede Vereinszugehörigkeit. Das Trikot mit der Nummer 30 wird sich entsprechend oft verkaufen, bei einem Preis von mehr als 150 Euro. Nach Neymars Ankunft 2017 verkaufte PSG bereits im ersten Monat rund 120.000 Einheiten, schwer vorstellbar, dass Messis Shirt nicht ähnlich begehrt sein wird.
Neben den Trikotverkäufen ist "La Pulga" natürlich auch ein großer Imagegewinn, der die Reichweite des Vereins nochmal pusht. Der beste Spieler seiner Generation wird zudem neue Sponsoren anlocken - auch das sind zusätzliche Einnahmen für PSG. Ohne horrende Ablösesumme ist der Argentinier also ein Transfer, bei dem finanziell nichts schiefgehen kann.
Die anderen Gehälter der neuen Stars sind allerdings so noch nicht aus der FFP-Rechnung raus. Einem Bericht der "L'Equipe" zufolge muss Paris hier noch mindestens 150 Millionen Euro einsparen. Der Kader des amtierenden Vizemeisters platzt zurzeit aus allen Nähten. Zeitweise standen nach der Donnarumma-Ankunft acht Torhüter im Profikader. Weltmeister-Ersatzkeeper Alphonse Areola wurde entsprechend im Eilverfahren an West Ham United verliehen - Hauptsache runter von der Gehaltsliste. Mitchel Bakker, Linksverteidiger und niederländisches Top-Talent, wurde für schlanke sieben Millionen Euro an Bayer Leverkusen abgegeben - deutlich unter Marktwert. Weitere Abgänge werden sicher folgen. Die Streichliste bei PSG soll lang sein, auch die Deutschen Julian Draxler und Thilo Kehrer stehen im Schaufenster.
Verramschen und verleihen wäre also die eine Option, um die Bilanz rund um das Starensemble noch zu schönen. Die andere Lösung wäre der eine, der ganz große Transfer von Kylian Mbappé, der die benötigten 150 Millionen Euro wohl auf einen Streich einbringen würde. Real Madrid gilt da als möglicher Abnehmer.
Mbappé nicht vom Messi-Fieber ergriffen
Der Mbappé-Abgang scheint laut Al-Khelaifi aber keine Option zu sein. "Wir haben ja bereits gesagt, dass er bleiben soll. Er möchte ein konkurrenzfähiges Team - und wir haben das beste Team der Welt. Es gibt keine Ausreden für Mbappé, dass er nicht hier nicht bleiben sollte", betonte der PSG-Boss. Ein Offensivgespann mit Messi, Neymar, Mbappé - die Fußballwelt hätte ein neues Supertrio. Doch der Weltmeister von 2018 ist offenbar immun gegen das Messi-Fieber und hat wenig Lust, die Aufmerksamkeit und den Platz mit dem Argentinier zu teilen. Der 22-Jährige soll die PSG-Verantwortlichen bereits um seine Freigabe gebeten haben.
"Kylian Mbappé will gehen. Er hat um seine Freigabe gebeten und will nicht verlängern. Entweder ist es Real Madrid in diesem Sommer oder ein Freifahrtschein in einem Jahr. Er hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, dass er nicht mit Messi spielen wolle", twitterte der französische Sportjournalist Thibaud Vezirian. Mbappés Vertrag läuft am Ende der Saison aus, ein Angebot zur Verlängerung soll seit Monaten vorliegen. Trotz 37 Millionen Euro Jahressalär und dem finanziellen Aufstieg zu Neymar - vor Messis Ankunft der Topverdiener - zögert der gebürtige Pariser.
Mbappé hat offenbar wenig Lust, die zweite oder dritte Geige in der PSG-Elf zu spielen. Bei der Vorstellung, Neymar müsste in einer Partie beim Abspiel entscheiden, wer die Kugel bekommt: Messi und Mbappé. Die Karten des Franzosen stünden deutlich schlechter. Schließlich sind der Brasilianer und der Argentinier befreundet und ehemalige Teamkameraden. Aber wer kann es ihm verdenken: Im Zweifel den Ball zu Messi spielen - das hat über Jahre auch der FC Barcelona erfolgreich praktiziert. Ein weiterer Monster-Transfer mit Mbappé-Beteiligung ist also aus mehreren Gründen nicht ausgeschlossen.
So steuert Paris Saint-Germain auf arbeitsreiche Wochen voller Ungewissheit zu. Verkalkuliert sich der Klub im Rechenspiel um sein Superteam oder bereinigt ein Mbappé-Transfer alle Sorgen rund um das Financial Fairplay? Immerhin scheint das UEFA-Reglement bei PSG ein Thema zu sein. Bleibt nur zu hoffen, dass es im Hype um Messi nicht untergeht.
Quelle: ntv.de