Mbappé - oder ein BVB-Kumpel?Nach Messi-Farce: Haaland sucht echten Gegner

Große Verwunderung bei der FIFA-Gala: Bei der Wahl zum besten Fußballer des Jahres gewinnt nicht der beste Fußballer des Jahres. Das wäre Erling Haaland gewesen, doch es triumphiert Lionel Messi. Dabei ist der Beginn der neuen Ära längst eingeläutet.
Der Montagabend, so hätte es kommen sollen, würde nun tatsächlich, endlich, wirklich das große Zeitalter im Weltfußball beenden. Wie oft hatte man darüber schon geschrieben und wurde dann doch noch eines Besseren belehrt. Ende 2022 etwa, als Lionel Messi auf den letzten Metern seiner großartigen Karriere noch Weltmeister geworden war. Oder im vergangenen Jahr, als der Argentinier den Ballon d’Or gewann, also Weltfußballer wurde. Es war mehr Ehre für sein Lebenswerk als für seine Jahresleistung. Und das war okay so.
Nun, an diesem Montagabend, stand wieder eine Wahl an. Wieder wurde der beste Spieler des vergangenen Jahres gesucht. Dieses Mal bei der FIFA-Gala "The Best". Der Bemessungszeitraum für die Wahl begann, laut offiziellen Regeln, am Tag nach dem WM-Finale in Katar. Und ganz nüchtern betrachtet konnte es deswegen nur einen Sieger geben: Erling Haaland. Der Rekordstürmer, der mit Manchester City alles in Grund und Boden gespielt und alle großen Titel gewonnen hatte. Aber dann, großes Ah und Oh im Saal, die Überraschung: Nix Haaland, wieder Messi! Diese große Ära des Weltfußballs stemmte sich wieder einmal gegen den Abgesang.
Es war wahrhaft ein ikonisches Zeitalter, ein mitreißender Zweikampf zwischen den (eigentlich) längst versunkenen Giganten Messi und Cristiano Ronaldo. Und während dieses Zeitalter noch ein letztes Mal gezuckt und aufbegehrt hatte, ist das neue bereits in vollem Gange. Ob es wieder eines wird, das von zwei heldenhaften, zu epischen Protagonisten hochgejazzten Fußballern beherrscht wird? Ob es wieder einen Kampf gibt, der von deren Anhängern leidenschaftlich und unversöhnlich geführt wird, immer unter der kaum zu beantworteten Frage, wer der Beste aller Zeiten ist? Möglich.
Der Weltbeste ohne offizielle Anerkennung
Erling Haaland hat den ersten Schritt in dieses neue Zeitalter gemacht. Der norwegische Tor-Hüne von ist der beste Fußballer 2023, auch wenn die offizielle Anerkennung fehlt. Im milliardenschweren Ensemble von City, auf dem immer noch der dunkle Schatten von zweifelhaftem Finanzgebaren schwebt, war er das fehlende Mosaik, das die beste Saison der Klubgeschichte möglich machte. Flankiert unter anderem von einem herausragenden Kapitän İlkay Gündoğan und einem einmal mehr brillanten Kevin de Bruyne war der Norweger nicht aufzuhalten.
In seiner ihm eigenen Art büffelte er sich durch die gegnerischen Abwehrreihen, rannte durch sie hindurch, als wären sie zur Zier aufgestellte, marode Zaunkonstruktionen. Und beim Abschluss wählte er oft den pragmatischen Weg, den ins Tor. Haaland-Treffer sind nicht immer was fürs Bilder-, dafür aber häufiger fürs Rekordbuch. In der Champions League etwa brauchte er für sein 40. Tor nur 35 Spiele, niemand war schneller. Und auch in der Premier League ist er die Nummer eins, 36 Saisontore (2022/23), mehr hatte es in der Geschichte noch nicht gegeben.
Nicht nur wegen Haaland ist Manchester City der große Triumphator der FIFA-Wahl. Pep Guardiola wurde zum Welttrainer gewählt, Ederson zum besten Torwart. Die "Skyblues" waren die beste Mannschaft des Planeten. Und als hätte es noch einen dringenden Beweis dafür gebraucht, so sammelte die Milliarden-Auswahl kurz vor dem Weihnachtsfest auch noch den Titel der Klub-WM ein (was europäische Teams allerdings fast immer tun). Das klingt gigantisch, ist aber noch (mehr dazu lesen sie hier) der am wenigsten wichtige Triumph in einer beeindruckenden Sammlung des Jahres 2023. Es war indes der fünfte, nach der Meisterschaft, der Königsklasse, dem FA-Cup und dem UEFA-Supercup. Alle sechs möglichen Titel, also auch den Ligacup, haben sie allerdings nicht geholt. Das Warten in England auf diesen historischen Coup geht weiter
Auch im Gurkenspiel steht City oben
Die erdrückenden Investitionen der vergangenen 15 Jahre, 2,5 Milliarden Euro waren es, haben sich voll ausgezahlt. Ganz besonders am Abend des 10. Juni. In Istanbul waren die Citizens mit Mühe zum Königsklassen-Erfolg gewankt, mit 1:0 hatten sie Inter Mailand besiegt, dabei zahlreiche bange Momente überstehen müssen. Abwehrmann Manuel Akanji sprach danach vom "vielleicht schlechtesten Spiel der Saison". Ob es das wirklich war, es hätte kaum egaler sein können. Scheich Mansour hatte erreicht, was er erreichen wollte. Er hatte diese beste Mannschaft der Welt erschaffen. Und mit ihr den (noch verhinderten) Weltfußballer Haaland.
Der sucht nun in den kommenden Jahren seinen großen Gegner. Seit einer kleinen Ewigkeit wird Kylian Mbappé als dieser gehandelt. Der französische Superstar besitzt individuell alles, um der beste Spieler der Welt zu sein. Und dennoch fehlt ihm dafür etwas ganz Wesentliches: eine Mannschaft, die es ihm möglich macht, große Titel zu gewinnen.
Der 24-Jährige könnte bei Paris St. Germain vermutlich historisch viele Tore schießen, wenn am Ende einer Saison aber "nur" der nationale Titel in der beinahe zweitklassigen Ligue 1 herauskommt, bleibt das ein Makel. Zu tilgen, womöglich mit einem weiteren großen Triumph mit der Nationalmannschaft. Der scheint angesichts des unerschöpflichen Reservoirs an Talenten mit Frankreich immer möglich. Anders als beim Norweger Haaland, der das Schicksal von Polens Robert Lewandowski teilt, ein Torjäger zu sein, der aus einem Land kommt, das als Kollektiv nicht stark genug für den großen Wurf ist.
Eine neue Ära des Bossfußballs?
Der große Zweikampf von Ronaldo und Messi war auch deshalb möglich, weil beide in großartigen Mannschaften spielten. Mannschaften, die das Spiel auf ewig prägten. Real Madrid mit Bossfußball um eben Ronaldo, um Luka Modrić und Toni Kroos. Der FC Barcelona mit seinem beeindruckenden und zermürbenden "Tiki-Taka" und dem genialen Veredler Messi. Haaland hat seinen Weg gefunden, er führt die unzähmbare Bestie von Guardiola an.
Was aus Mbappé wird? Weiter unklar, seit Jahren provoziert er PSG mit seinen Abwanderungsfantasien - und bleibt dann doch. Ob das im Sommer weiter Bestand hat? Kaum vorstellbar. Real Madrid gilt noch immer als der große Favorit. An der Seite von Jude Bellingham und Vinicius Junior, der den FC Barcelona am Sonntag im in Riad ausgetragenen Supercup alleine aufgefressen hatte, könnte eine neue, glorreiche Bossfußball-Ära entstehen. Gleiches würde für Haaland gelten, auch um ihn und Real gibt es immer wieder Gerüchte.
Apropos Bellingham. Der junge Engländer, der bei Borussia Dortmund im Alter von 19 Jahren bereits unverzichtbar geworden war, hat sich im Eiltempo auch bei Real zu einer prägenden Figur im Mittelfeld gemacht. In seiner Altersklasse gibt es weit und breit keinen, der ihm das Wasser reichen kann. Die Wahl zum Golden Boy im November, dem besten U21-Spieler in Europa, gewann er mit 97 Prozent der Stimmen. Ein Erdrutsch-Sieg.
Ersetzt Mbappé einen Superstar bei Klopp?
Der mittlerweile 20-Jährige ist nicht nur ein unfassbar guter Fußballer, sondern auch ein "Natural Born Boss". Ein Typ mit Charisma und Führungskraft. In Dortmund ging ohne ihn kaum etwas. Madrid dagegen hat (noch) ein Netz mit doppeltem Boden, Kroos und Modric etwa. Kann es also sein, dass demnächst zwei Ex-Borussen die Fußballwelt beherrschen? Zwei, die einst gemeinsam die Welt eroberten. Die anderthalb Jahre lang beim BVB europaweit für Staunen und Begeisterung gesorgt hatten. Nicht nur, weil Bellingham einst auf Haalands Rücken beim Bundesliga-Spiel in Leverkusen einen vollen Bierbecher fing, den ein Fan von der Tribüne geworfen hatte. Sondern weil sie spielten und büffelten, wie sie eben spielten und büffelten. Oder macht's doch Mbappé?
Vielleicht begegnen sich die als prägende Protagonisten des Weltfußballs vorgesehenen Stürmer aber demnächst auch in der gleichen Liga, in der stärksten der Welt, der Premier League. Auch der FC Liverpool soll interessiert sein, die Mannschaft von Jürgen Klopp, die in den vergangenen Jahren der große Duellant der Citizens war. Bei den Reds soll Starstürmer Mo Salah einen Abgang forcieren. Der Weg für einen epischen Zweikampf (oder Dreikampf) wäre geebnet, zwischen Spielern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. So wie Messi und Ronaldo es auch waren. Die Fußballwelt befindet sich im Zwischenraum, die alte Ära ist Geschichte und die neue, sie hat womöglich an diesem Montagabend so richtig begonnen. Wenn auch mit einer Farce.