Fußball

Morning Soccer mit Manhattan-Blick New Yorks Fußballer lieben frühen Kick

Only in New York: Fußball mit Blick auf Manhattan.

Only in New York: Fußball mit Blick auf Manhattan.

(Foto: Volker Petersen)

New Yorker lieben Baseball und andere US-Sportarten. Aber auch Fußball? Dutzende Soccer-Enthusiasten auf jeden Fall. Sie treffen sich mehrmals die Woche morgens in Brooklyn. Der Blick auf Manhattan ist der geringste Grund.

Eigentlich ist es zu früh und zu warm, um jetzt in New York Fußball zu spielen. 7:23 Uhr zeigt die Uhr an, 28 Grad Celsius das Thermometer. Den knapp 40 jungen Männern auf dem Fußballplatz in Brooklyn macht das nichts aus. Im Gegenteil. Viele sind extra aus Manhattan oder Queens hergekommen, um dabei zu sein. Der Blick auf die Skyline mit dem Empire State Building hat sie nicht angelockt. Sie wollen Fußball spielen. Nun sitzen sie auf dem Rasen, dehnen die Beine oder nehmen noch einen Schluck aus der Wasserflasche. In wenigen Minuten, um 7:30 Uhr, soll es losgehen.

"Ich liebe Soccer", sagt Jimmy, ein 21-jähriger College-Student. Er trägt ein rotes Spanien-Trikot, doch mit dem Land des Europameisters hat er nichts zu tun. Seine Eltern seien irischer und puertoricanischer Abstammung, sagt er. "Es gibt einfach keinen anderen Sport, bei dem man im Kopf und körperlich die ganze Zeit so wach sein muss. Es ist fast eine außerkörperliche Erfahrung."

Daliso schätzt die Organisation. "Man kann sich darauf verlassen, dass es um 7:30 Uhr ein Spiel gibt", sagt der 29-jährige Film-Student. "Es ist ein guter Start in den Tag." Dass so viele Leute sich für Fußball interessieren, sei gar nicht so ungewöhnlich. "Fußball ist unter jungen Leuten die am schnellsten wachsende Sportart in den USA", sagt er. Ein amerikanisches Team unterstützt er aber nicht. Er ist Fan vom FC Arsenal.

Dann ist es 7:30 Uhr, ein junger Mann im Inter-Mailand-Trikot steht auf, begrüßt alle und teilt Teams ein. Pinke, orangefarbene und neongelbe Leibchen werden verteilt, gespielt wird in sechs Mannschaften auf drei Feldern, Spielzeit: eine Stunde. Die Organisatoren stellen kleine, etwa einen Meter breite Tore an den Rändern des Spielfelds auf, so braucht niemand im Tor zu stehen. Oder andersherum: Niemand kann sich während des Matches als Torwart ausruhen. Auswechselspieler sind auch nicht vorgesehen. Dann rollt der Ball.

Der Über-Spieler fehlt, dafür meckert niemand

Auf dem Platz übernimmt Daliso gleich Verantwortung, verteilt Bälle auf die Flügel, treibt das Team an. Altbekannte Kommandos schallen über den Platz "Line!" für "Linie!" oder "Press!" für "Drauf da!". Manche der Spieler sind starke Dribbler, andere haben ein Auge für klaffende Löcher in der eigenen Hälfte. Hohe Bälle sind ein Problem für die meisten, das Niveau ist also ähnlich wie bei solchen Gruppen in Deutschland. Nur fehlt hier der typische Über-Spieler, einer dieser talentierten Leute, denen man gleich jahrelange Vereinserfahrung anmerkt. Dafür meckert aber auch niemand. Daliso versucht, seine Mannschaft anzutreiben. Er ruft Dinge wie "One touch!", fordert schnelles Spiel ein und hadert, wenn er oder andere einen Fehlpass spielen. Jimmy treibt sich im Mittelfeld herum und umdribbelt mehrfach einen anwesenden n-tv.de-Reporter.

Dritte Halbzeit: Daliso (l.) und Jimmy (r.) quatschen mit den Mitspielern.

Dritte Halbzeit: Daliso (l.) und Jimmy (r.) quatschen mit den Mitspielern.

Möglich macht diese Treffen das Internet. Eine Handvoll Fußball-Enthusiasten organisiert den "Morning Soccer" über die Webseite "Meetup.com". Dort können sich die Teilnehmer dreimal die Woche anmelden. Sagen mindestens 14 Leute zu, gibt es ein Spiel. Die Gruppe trifft sich seit vier Jahren, aus anfangs 5 bis 10 Leuten wurden bis zu 70 im vergangenen Jahr. Der jüngste Teilnehmer ist 18 Jahre alt, der älteste ist Dr. John, ein 67-jähriger Arzt aus Jersey. Selbst im Winter kommen sie her. Ist der Platz eingeschneit, wird er eben freigeschaufelt. Damit niemand auf seinen morgendlichen Kick verzichten muss.

Auf dem Spielfeld sind nach einer halben Stunde alle schweißüberströmt, einer sagt "It's impossible" und wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn. Trinkpausen gibt es nicht. Es hatte lange gedauert, bis ein Tor fiel, aber gegen Ende gibt es Treffer fast im Minutentakt. Manche ärgern sich, aber das Spiel ist das Ziel, nicht der Sieg. Dann ist es vorbei, die Spieler schleichen erschöpft, aber glücklich vom Platz. An einem Trinkwasser-Spender bildet sich eine Schlange. Kurze Zeit später liegen die meisten auf dem Rasen und konzentrieren sich darauf, zu atmen.

Keine Firma, sondern eine Community

Sebastian ist einer der Organisatoren. Er ist der junge Mann im Inter-Mailand-Trikot, der die Teams eingeteilt hat. Warum dieser große Einsatz für ein bisschen Fußball? "Das hier ist eine der letzten Orte, wo man noch kostenlos zusammen spielen kann", sagt der 25-jährige Jura-Student. Früher habe man in New York fast überall einfach so spielen können. Sei der Platz in Brooklyn belegt gewesen, sei man nach Chinatown gefahren und von dort dann zum Franklin-D.-Roosevelt-Drive. Aber immer öfter hätten Gruppen die Plätze mit einer offiziellen Genehmigung der Stadt blockiert.

Schließlich besorgten die Organisatoren des "Morning Soccer" auch so ein Papier. Das kostet allerdings 1500 Dollar für dreieinhalb Monate. Daher nehmen sie nun von jedem Teilnehmer 3 Dollar Unkostenbeitrag. Davon finanzieren sie die Bälle, die Tore oder die Schaufeln, um den Platz vom Schnee zu befreien. "Es macht einfach Spaß, man spielt nicht nur Fußball, sondern lernt auch die unterschiedlichsten Typen kennen", sagt Sebastian. "Ich glaube, den Leuten gefällt auch, dass eine Gemeinschaft, eine Community, diese Sache organisiert und kein Unternehmen."

Bei manchen Spielern rinnt der Schweiß weiter, andere packen ihre Sachen zusammen und machen sich auf den Heimweg. Langsam fängt die dritte Halbzeit an, die jede Hobbytruppe kennt: das Quatschen danach. Es geht um Alben der Popstars Kanye West und Rihanna, aber natürlich auch um Fußball. Daliso war bei den Weltmeisterschaften in Brasilien und Südafrika und berichtet, dass die Tickets im Vergleich zu US-Preisen überraschend günstig waren, nur rund 100 Dollar.

Beim Thema "WM" kann Sebastian mitreden. Er war vor zehn Jahren in Deutschland dabei. "In Düsseldorf haben die Deutschen Bier in Kühltaschen mit in die U-Bahn genommen!" erzählt er. "Was? In der U-Bahn? In Kühltaschen?", ruft Daliso und lacht. "Mein Kumpel sagte einer Gruppe betrunkener deutscher Fans, ich sei der Sohn von Gerald Asamoah", sagt Sebastian und lacht ebenfalls. Da er dunkelhäutig ist, hätten sie es geglaubt. Übrigens, am Wochenende wolle man gemeinsam das Champions-League-Finale gucken. Wer Lust habe, könne ja Bescheid sagen, aber bitte frühzeitig. Langsam wird es Zeit, Jimmy, Sebastian und Daliso verabschieden sich. Bis morgen um halb acht.

Quelle: ntv.de

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