Fußball

Sechs Lehren der EM-Qualifikation Niederlande in Panik, Italien verzückt

Tristess in Prag: Die Herren van Persie und Sneijder sind nicht amüsiert.

Tristess in Prag: Die Herren van Persie und Sneijder sind nicht amüsiert.

(Foto: imago/VI Images)

Die DFB-Elf startet mit einem Sieg gegen Schottland in die EM-Qualifikation. Und was machen die anderen? Die Niederlande weinen, Türken und Portugiesen blamieren sich, Italien jubiliert. Auch in Spanien und England sind sie zufrieden.

Das war jetzt nicht berauschend, aber die deutschen Fußballer sind am Sonntag mit einem 2:1 (1:0) gegen Schottland in die Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 gestartet. Sie hatten in Dortmund gegen einen ordentlichen Gegner ein munteres Spielchen geliefert, Thomas Müller schoss beide Tore, Bundestrainer Joachim Löw war zufrieden und sagte hinterher: "Ich weiß, dass wir es hinbekommen, wenn es drauf ankommt. Wir sind jetzt genau in der Phase der Vorbereitung, wo erfahrungsgemäß die Müdigkeit kommt. Im Oktober werden die Spieler wieder frischer sein."

Dann stehen für die Weltmeister am Samstag, den 11., und am Dienstag, den 14. Oktober, die Spiele in Warschau gegen Polen und in Gelsenkirchen gegen Irland an. Das letzte Pflichtspiel in diesem Jahr findet am 14. November in Nürnberg gegen Gibraltar statt. Danach steht nur noch ein Freundschaftsspiel bei Europameister Spanien an.

Ernsthafte Zweifel daran, dass es die DFB-Elf nach Frankreich schafft, gibt es eh nicht. In der Sechsergruppe reicht Platz zwei für die direkte Qualifikation, der Tabellendritte darf zwei Playoffpartien gegen einen anderen Gruppendritten bestreiten. Kein Grund zur Aufregung also. Und Zeit genug zu schauen, wie die anderen Mannschaften in diese Qualifikation gestartet sind. Da ist viel von Wiederauferstehung die Rede. Aber nicht immer wurden die Favoriten ihrem Status gerecht.

1. "Peinlichste Darbietung seit langer Zeit"

Glaubt man den Schlagzeilen der Gazetten, brennt im Nachbarland bereits der Baum. Bei der WM in Brasilien hatten die Niederländer unter Trainer Louis van Gaal Platz drei erreicht, sein Nachfolger steht bereits nach zwei Partien arg in der Kritik. "Guus Hiddink hat einen Teil seiner Glaubwürdigkeit bereits verloren", schrieb das "Algemeen Dagblad" nach der 1:2-Niederlage in Tschechien am Dienstag zum Auftakt der EM-Qualifikation in der Gruppe A. "Oranje erlebt einen Abend voll Chaos und Verzweiflung." Fünf Tage zuvor hatte es ein 0:2 im Testspiel in Italien gesetzt. In Prag stand es nach Toren von Borak Dockal (22.) und Stefan de Vrij (55.) lange Unentschieden.

Außer Rand und Band: Vaclav Pilar und Michal Kadlec feiern den Sieg gegen die Niederlande.

Außer Rand und Band: Vaclav Pilar und Michal Kadlec feiern den Sieg gegen die Niederlande.

(Foto: imago/CTK Photo)

Doch dann versuchte der niederländische Verteidige r Daryl Janmaat in der ersten Minute der Nachspielzeit, den Ball per Kopf zu seinem Torwart Jasper Cillessen zurückzuspielen, was gründlich missglückte. Die Kugel sprang gegen den Pfosten, Tschechiens Vaclav Pilar, einst beim SC Freiburg unter Vertrag, staubte ab. Wir zitieren noch einmal das "Dagblad": "Ein Abend, der bereits im Zeichen von Panik und Versagen stand, endete dramatisch." Und "De Telegraaf" titelte: "Blamage von Prag." Von einer der "peinlichsten Darbietungen seit langer Zeit" schrieb "De Volkskrant". "Die Angst, mit der die Niederlande dem Gegner begegneten, war eine Farce." Und nun? Ist Hiddink erst einmal sauer: "Wenn man so naiv verteidigt, braucht man sich nicht zu wundern." Außerdem habe ja der Münchner Arjen Robben gefehlt, daher auch die defensive 5-3-2-Aufstellung. "Ohne ihn sind wir noch nicht so weit, um mit drei Angreifern zu spielen." Zumindest in diesem Punkt stimmten die Medien mit Hiddink überein. "Die Erkenntnis, dass Oranje bei der WM dank des nie zu packenden Robben und nicht dank der fünf Verteidiger über sich hinausgewachen ist, wird immer deutlicher", schrieb "De Telegraaf".

2. Isländer düpieren die Türken

Die Tabelle der Gruppe A führen übrigens die Isländer an, die mit einem 3:0 gegen die Türkei überraschten, Jon Dodi Bödvarsson (18.), Gylfi Sigurdsson (76.) und Kolbeinn Sigthorsson (77.) erzielten die Tore für den vermeintlichen Außenseiter im Laugardalsvollur-Stadion. Was wohl Rudi Völler dazu sagt, der einst in Reykjavik zu seiner legendären Wutrede ansetzte? Vom türkischen Trainer Fatih Terim ist nach diesem Debakel keine überliefert, er sprach lediglich von einer "verdienten Niederlage". Die auch ein wenig darin ihren Ursprung hatte, dass der Leverkusener Verteidiger Ömer Toprak nach 59 Minuten mit Gelb-Rot vom Platz flog. Sein Teamkollege Hakan Calhanoglu wurde erst nach dem dritten Treffer der Isländer eingewechselt. Deren Übungsleiter Lars Lagerbäck war wenig überraschend zufrieden: "Die erste Halbzeit war vielleicht eine der besten Vorstellungen der Mannschaft, seit ich hier Trainer bin." Bereits bei der Qualifikation zur WM in Brasilien hatten die Isländer die Playoffs erreicht und waren dort knapp an Kroatien gescheitert.

3. Portugal erlebt "totales Elend"

Wenig rund läuft es auch bei den Portugiesen, die derzeit auf den am Knie verletzten Cristino Ronaldo verzichten müssen. Um nicht zu sagen: Die Stimmung nach dem 0:1vor 23.000 Zuschauern im Estadio Municipal zu Aveiro gegen Albanien ist ähnlich großartig wie in den Niederlanden. "Schande", titelte die Sportzeitung "Record" auf Seite eins: "Sogar die Abwesenheit von Cristiano Ronaldo rechtfertigt nicht so viel Unfähigkeit." Nachdem Bekim Balaj die Gäste mit einem spektakulären Volleyschuss in Führung gebracht hatte (52.), wurden die Portugiesen und ihr Trainer Paulo Bento nahezu pausenlos ausgebuht. Die Fans winkten mit weißen Taschentüchern. Will meinen: Bentos Zeit ist abgelaufen. Nach dem Aus in der Vorrunde bei der WM, die mit einem 0:4 gegen Deutschland begonnen hatte, befürchten nun viele den Sturz in die fußballerische Bedeutungslosigkeit. "Totales Elend", war auf Seite eins der Zeitung "O Jogo" zu lesen. "A Bola" schrieb von der "größten Schande der Geschichte unserer Nationalelf". Man habe zu Hause "noch nie gegen einen so schwachen Gegner verloren. Dabei hatte man in der Gruppe I eigentlich Dänemark und Serbien als schwerste Gegner eingeschätzt. Doch nun reichte es nicht einmal gegen Albanien.

4. "Das ist kein Italien der Phänomene"

Geht doch: Italiens Antonio Conte feiert mit Torhüter Gianluigi Buffon.

Geht doch: Italiens Antonio Conte feiert mit Torhüter Gianluigi Buffon.

(Foto: imago/Digitalsport)

Genug der Tristesse. In Italien haben sie richtig gute Laune. Dabei waren beim 2:0-Sieg in Norwegen Mario Balotelli gesperrt und Andrea Pirlo verletzt. Doch der neue Trainer Antonio Conte kann für sich reklamieren, einen guten Start in dieser Gruppe H hingelegt zu haben. "Es ist", schrieb der "Corriere dello Sport", "als wären bereits Jahrzehnte seit der verheerenden WM in Brasilien vergangen." Dort waren die Italiener in der Vorrunde gescheitert. Simone Zaza (16.) und Leonardo Bonnuci (62.) erzielten die Treffer in Oslo, doch was das Publikum in Italien überraschte und begeisterte, war das erfrischende Auftreten der Mannschaft. "Das ist das Team, was wir in Brasilien hätten sehen wollen", kommentierte "Tuttosport", "das ist kein Italien der Phänomene, sondern eine Auswahl, die mit Wut und sportlichem Elan um den letzten Ball kämpft." Conte setzte sieben Spieler ein, die nicht bei der WM dabei waren, und insgesamt wirkte das neue Gebilde schon sehr homogen - zur Freude des Trainers. "Wir haben nur neun Tage gemeinsam trainiert, doch sowohl beim Freundschaftsspiel gegen die Niederlande, als auch gegen Norwegen haben wir überzeugt."

5. Englands "Weg nach Frankreich scheint geebnet"

Apropos Vorrundenaus. Auch die Engländer waren in Brasilien früh gescheitert, noch bevor Deutschland sein zweites Spiel bestritten hatte. Nun gelang ihnen zum Quali-Auftakt in der Gruppe E ein 2:0-Erfolg in der Schweiz. "Es war ein bisschen kühn von uns, aber wir sind mit der Einstellung hier hingekommen, dass wir nicht bloß einen Punkt holen wollten", sagte Trainer Roy Hodgson - und wirkte dabei durchaus zufrieden. Vor allem mit Angreifer Danny Welbeck. Der neue Teamkollege von Per Mertesacker, Mesut Özil und Lukas Podolski beim FC Arsenal erzielte in Basel beide Treffer (58. Minute, 90.+4) und stellte die Schweizer beim Debüt von Ottmar Hitzfelds Nachfolger Vladimir Petkovic mit seiner Schnelligkeit immer wieder vor Probleme. "Diesen Start haben wir gebraucht", sagte Welbeck, der für 26 Millionen Euro von Manchester United nach London gewechselt war. "Die Qualifikation mit einem Sieg zu beginnen, ist sehr, sehr wichtig." War sonst noch was? Wayne Rooney lief zum ersten Mal in einem Pflichtspiel als Kapitän auf. Auch er war zufrieden. "Das war eine richtig gute Vorstellung von uns." Es deutet sich an, dass der Neuaufbau des Teams nach den Rücktritten von Frank Lampard und Steven Gerrard klappen könnte. So setzte Hodgson im Mittelfeld auf Jack Wilshere, Jordan Henderson, Raheem Sterling und Fabian Delph - das Jugend-Quartett überzeugte. Der "Independent" jedenfalls war begeistert: "England hat seinen stärksten Gegner in der EM-Qualifikation auswärts geschlagen. Der Weg nach Frankreich scheint geebnet."

6. "La Roja hat ein Wiedersehen mit dem Fußball gefeiert"

Nun ist Mazedonien in der Welt des Fußballs nicht wirklich das Maß aller Dinge, doch daran stören sich die Spanier nicht. Sie haben in der Gruppe C ihre erste Partie überzeugend gewonnen - und nur das zählt. Schließlich hatte es auch der Titelverteidiger in Brasilien nicht einmal in die K.o.-Runde geschafft. "Bei der WM haben wir viel Glaubwürdigkeit verloren und heute angefangen, sie zurückzugewinnen. Für uns hat eine neue Phase begonnen", sagte Trainer Vincente del Bosque. In Jubelstürme wollte er allerdings nicht ausbrechen. "Wichtig ist vor allem, dass wir mit drei Punkten gestartet sind. Vieles war gut, aber ich würde gerne Kontinuität sehen." Den 25.000 Zuschauern im Estadio Ciudad de Valencia jedenfalls hat's gefallen. "Wir sind sicher noch nicht wieder in dem Paradies, in dem wir sechs Jahre waren. Aber auf der Suche nach der verlorenen Glückseligkeit gab es endlich mal wieder gute Nachrichten", schrieb die "AS", und "Marca" hielt fest: "La Roja hat ein Wiedersehen mit dem Fußball gefeiert. Das ist das Spanien, das wir sehen wollen." "El País" lobte indessen die "gute Mischung aus alten und neuen Stars". Paco Alcácer vom FC Valencia harmonierte in der Offensive mit Manchester Citys David Silva und Pedro vom FC Barcelona, traf zum 2:0 und gilt als der neue David Villa. Auch Barças 18 Jahre alter Munir El Haddadi zeigte starke Ansätze. Del Bosque sagte immerhin: "Ich sehe uns auf einem guten Weg. Und jetzt müssen wir schauen, wie wir ihn weiter gehen können."

Quelle: ntv.de, mit dpa und sid

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