Fußball

Der laute Mann im HintergrundRummenigges neues Leben als Bayern-Lobbyist

09.02.2022, 11:42 Uhr
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Im Januar erhielt Rummenigge den "Golden Boy Career Award". (Foto: picture alliance/dpa/LaPresse via ZUMA Press)

Karl-Heinz Rummenigge ist lange Zeit der mächtigste Mann im deutschen Fußball. Als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München gibt er 20 Jahre den Takt vor. Seine Worte haben Gewicht. Im vergangenen Sommer zieht er sich zurück, ist aber immer noch da. Seine Meinung zählt immer noch.

Im neuen Leben ohne Dauerpräsenz im Rampenlicht, Rastlosigkeit und nie nachlassendem Erfolgsdruck hat sich Karl-Heinz Rummenigge inzwischen eingerichtet. Es sei halt "weniger aufregend" und "stressfreier" als in den zwei Jahrzehnten als Ober-Boss des FC Bayern München, wie der 66-Jährige bei einem Treffen in seinem Wohnort Grünwald bekennt. Aber es scheint ihm zu bekommen.

Vor sieben Monaten hat er den Posten als Vorstandsvorsitzender an Oliver Kahn abgegeben, ein halbes Jahr vor Ablauf seines Vertrages. Er war am Ende nicht ausgebrannt wie der sehr viel jüngere Macher Max Eberl bei seinem abrupten Rückzug bei Borussia Mönchengladbach. Klar, werden viele sagen. Als Chef des FC Bayern läuft der Laden doch quasi von alleine. Rummenigge kontert: "Ich habe in den 20 Jahren als Vorstandschef bei Bayern München auch nicht nur Sonnenschein erlebt." Auch er musste "ein dickes Fell haben in diesem Geschäft".

Sein Loslassen verlief nach Plan. "Als ich aufgehört habe Mitte letzten Jahres, bin ich für acht Wochen auf meine Lieblingsinsel Sylt gegangen, um möglichen Entzugserscheinungen entgegenzuwirken." Der Sommer an der Nordsee sei "extrem schön" gewesen. Weit weg von München hatte er viel Zeit für seine große Familie, die seine Frau Martina und ihn auf der Urlaubsinsel "peu à peu" besucht habe. Das lenkte ab. Fünf Kinder haben die Rummenigges, der siebte Enkel ist aktuell unterwegs.

Fußball ist immer noch wichtig

Aber natürlich lässt der Fußball den Ex-Nationalspieler nicht los. Und auch den FC Bayern verfolgt er weiter intensiv. Er schaut jedes Spiel an, im Stadion oder im Fernsehen, "aber entspannter", wie der Ex-Boss ausdrücklich betont: "Ich bin noch emotional dabei, aber alles auf einer Ebene, sodass ich mich nicht mehr so aufrege." Gerne betont Rummenigge, dass er "selbstbestimmt" entschieden habe, sich früher als geplant bei Deutschlands Topklub zurückzuziehen. "Ich habe gespürt, dass es der bessere Zeitpunkt war, schon im Sommer aufzuhören und damit meinem Nachfolger die Verantwortung für die gesamte Saison zu überlassen und nicht nur für die halbe", erläutert Rummenigge. Kahn scharrte mit den Hufen. Der einstige Torwart-Titan hat jetzt die Macht - und den Druck. Rummenigges Erbe ist immens.

"Wir blicken auf zehn Jahre zurück, die für Bayern München unglaublich erfolgreich waren - sportlich und auch finanziell", sagt der Bayern-Chef im Ruhestand. "Wir waren ein Vorbild im europäischen Fußball. Diese Stellung zu halten ist - speziell durch Corona - schwieriger geworden." Kahn drängte nach anderthalb Jahren als Trainee im Vorstand zunehmend in die Verantwortung. Rummenigge will seinen Nachfolger nun einen ganz eigenen Weg gehen lassen: "Ich möchte nicht als Besserwisser dastehen und ihm Ratschläge geben."

Gemeinsam mit dem heutigen Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß formte Rummenigge den FC Bayern zu einem Klub von Weltruhm. "Was Karl-Heinz besonders ausgezeichnet hat, ist sein Netzwerk. Es gibt keinen Funktionär in Europa, der so ein Netzwerk aufgebaut hat", rühmte ihn Hoeneß jüngst. Als Vertreter der europäischen Klub-Vereinigung ECA gehört Rummenigge dem Exekutiv-Komitee der UEFA an. Er vertritt dort konsequent die Vereinsinteressen und ist in dem Machtzentrum quasi weiterhin als einflussreicher Lobbyist für den FC Bayern tätig. In Rummenigges Fußball-Grundgesetz lautet Artikel 1: "Die Basis von allem, was im Fußball stattfindet, ist der Vereinsfußball." Er ist damit zwangsläufig gegen Weltmeisterschafts-Turniere im Zweijahres-Rhythmus, wie sie FIFA-Präsident Gianni Infantino anstrebt. "Es kann nicht sein, dass wir immer nur Nationalmannschaftswettbewerbe ausweiten und noch häufiger spielen."

Die veränderte Gesellschaft

Rummenigge sorgt sich aber vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga - gerade im Vergleich zur finanziell enteilten englischen Premier League. Diese verfüge über "ein x-faches an Fernsehgeldern", etwa in der Auslandsvermarktung. Er würde Investoren die Tür öffnen. Die nationale Dominanz seiner Bayern ist selbst ihm zu viel: "Es ist natürlich für den FC Bayern toll, wenn er jetzt wahrscheinlich zum zehnten Mal nacheinander deutscher Meister wird. Aber für das Thema Emotion im Fußball und in der Bundesliga ist das wiederum nicht gut."

Diese Probleme müssen nun andere lösen, ebenso die Corona-Folgen. Die Gesellschaft verändere sich, sie sei auch "möglicherweise gegenüber dem Fußball kritischer geworden", bemerkt Rummenigge. Das gelte auch für Fan-Gruppierungen, wenn er an die letzte Jahreshauptversammlung des FC Bayern denkt. Und doch glaubt Rummenigge, dass die Faszination des Fußballs nicht nur ihn lebenslang in den Bann ziehen wird.

Wenn die Pandemie vorbei sei, prophezeit er, würden die Massen wieder in die Arenen strömen wie vor dem Virus: "Ich glaube, es kommt alles zurück. Sobald die Leute sich sicher vor Corona fühlen, werden sie wie früher ins Stadion gehen und die Spiele genießen."

Quelle: ntv.de, Klaus Bergmann, dpa

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