Fußball

Fanfrust, Inkompetenz, Endzeitstimmung Schalke ist der Verlierer der Herzen

Klare Ansage vom Schalke-Anhang.

Klare Ansage vom Schalke-Anhang.

(Foto: dpa)

Die Europa League erreicht - und trotzdem steht Schalkes Welt fast vorm Untergang. Was absurd klingt, ist Folge kollektiven Versagens: Die Ziele sind zu hoch gesteckt, die Außendarstellung höchstgradig peinlich, die Profis überbezahlt.

Es waren fast schon groteske Szenen, die sich am frühen Samstagabend rund um die Arena auf Schalke abspielten. Erst bekam die Mannschaft den ganzen Frust ihrer Anhänger zu spüren, die ihre sonst so oft besungenen Helden nach dem 1:0-Erfolg gegen den SC Paderborn gnadenlos auspfiffen. Die Profis traten wie geprügelte Hunde vor die Fans, die sich wenig später auch noch die Bosse zur Brust nahmen. "Die Herzen der Fans sind erst einmal verloren", erkannte Manager Horst Heldt, der sich von einer aufgebrachten Menge vor dem Eingang der Haupttribüne bitterböse Vorwürfe gefallen lassen musste.

(Foto: imago/Horstmüller)

Was die Volksseele derart zum Kochen gebracht hat, ist nicht in wenigen Worten zu erklären. Es ist die Summe von Fehlern, angefangen mit der sportlichen Leistung einer Mannschaft, die sich diese Bezeichnung schon lange nicht mehr verdient hat. Mal abgesehen von einem bemerkenswerten Auftritt in der Champions League bei Real Madrid ist Schalke in der Rückrunde alles schuldig geblieben. Es folgte ein fußballerischer Offenbarungseid nach dem anderen, das Revier-Derby in Dortmund (0:3) wurde hergeschenkt, fast zwei Monate gelang zwischenzeitlich kein dreifacher Punktgewinn.

Kein Konzept und keine Einstellung

Dass weder Konzept noch die richtige Einstellung zum Beruf vorhanden sind, zeigte sich nicht nur gegen die Fußball-Zwerge aus Paderborn. Der Tabellenletzte drückte die "Knappen" im eigenen Stadion teilweise an die Wand. Wie schon zwei Wochen zuvor gegen den VfB Stuttgart (3:2) hätte Schalke den Platz zwingend als Verlierer verlassen müssen, hatte aber wieder das Glück, dass ein Spieler des Kellerkindes ins eigene Tor traf. Heldt & Co. werden es nicht gerne hören, aber ganz offen gesagt präsentieren sich die Herrschaften Höwedes, Farfan und Huntelaar momentan schlechter als die potentiellen Absteiger - werden dafür aber fürstlich entlohnt.

Die Kollegen von der "Sport Bild" haben vor kurzem die Gehälter der Schalker Profis offengelegt, die sich in Sphären bewegen, von denen Vereine wie Borussia M'gladbach und wohl auch Bayer Leverkusen nur träumen können. Der Unterschied: Während Schalkes überbezahlte Profis in der kommenden Saison in der Europa League ran müssen, spielen die Konkurrenten vom Rhein in der Champions League, jenem Wettbewerb, den Heldt und auch Club-Boss Clemens Tönnies vor dieser Spielzeit als Saisonziel ausgegeben hatten.

Heldt und Tönnies müssen Umbruch einleiten

Wie es sich für das Pulverfass Schalke gehört, haben die Verantwortlichen das aber nicht auf eine demütige Art und Weise, sondern mit ihrem ganz eigenen Selbstverständnis getan; allen voran Tönnies nahm den Mund wieder reichlich voll, als er im August 2014 sagte: "Dieses oder nächstes Jahr greifen wir ganz oben an, wird Schalke wieder Titel holen. Und da wird auch irgendwann die Meisterschaft dabei sein." Es sind Worte wie diese, die im Verein die ganz großen Erwartungen schüren, die mit dieser Mannschaft aber einfach nicht erreicht werden können. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen momentan Welten, das müssen sich Tönnies und Heldt eingestehen.

Der Verein braucht allerdings nicht nur ein neues Selbstverständnis, sondern einen radikalen Umbruch. Besonders in der Einkaufspolitik ist ein Umdenken gefragt. Bisher hat sich Heldt als Konzept-Manager versucht, der Spieler für kleines Geld oder gar ablösefrei verpflichtete. Dabei hat er aber vor allem bei den als Königs-Transfers gefeierten Verpflichtungen von hoch gehandelten Stars wie Kevin-Prince Boateng oder Sidney Sam nicht darauf geachtet, dass die Neuzugänge auch charakterlich nach Schalke passen. Dafür bekommt er nun die Quittung. Dass die aufgebrachten Fans nun Heldts Rauswurf fordern, ist nicht nur legitim, es ist die logische Schlussfolgerung für eine beispiellose Fehlplanung.

Wer Heldt und vor allem Tönnies kennt, der weiß allerdings, dass sie nicht vor Problemen weglaufen. Es ist kaum vorstellbar, dass nur einer seinen Hut nimmt. Tönnies und Heldt ist bewusst, dass ihre Namen und ihr Wirken eng miteinander verbunden sind. Fällt der eine, fällt auch der andere. Die Macher auf Schalke wissen auch, dass in der Sommerpause grundlegende Fragen beantwortet werden müssen: Wie viel Geld gibt Schalke in Zukunft für Spieler aus? Welche Ziele werden vorgegeben? Was ist das grundlegende Konzept des Vereins?

Vorbild Dortmund

Einige werden es nicht gerne hören, aber vielleicht sollten sich die Verantwortlichen bei der Beantwortung einfach mal die Vergangenheit beim Erzrivalen anschauen. Es ist erst sieben Jahre her, da herrschte bei Borussia Dortmund eine vergleichbare Endzeitstimmung wie momentan auf Schalke. Der BVB hat sich nach einer katastrophalen Saison 2007/2008 komplett neu aufgestellt. Altlasten im Kader wurden gnadenlos entsorgt, die Personalkosten drastisch gesenkt, die Ziele nach unten korrigiert - es ging ein Ruck durch den Verein, der nach Drücken der Reset-Taste wieder in die Spur fand.

Die Voraussetzungen, um eine ähnliche Entwicklung zu nehmen, sind auch auf Schalke vorhanden. Aus der "Knappen"-Schmiede stoßen seit Jahren begnadete Talente in das Profi-Team, dort werden Spieler geformt, für die Schalke steht. Der Verein mit seinen mehr als 130.000 Mitgliedern hat immer noch seine eigene Identität, man bezeichnet sich stolz als Kumpel- und Malocherclub, pflegt Legenden und verehrt Idole. Damit das so bleibt, muss sich Schalke zwar nicht neu erfinden, aber eines endlich erkennen: Rund um das Berger Feld sollten künftig einfach mal wieder kleinere Brötchen gebacken werden.

Quelle: ntv.de

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