Fußball

Pionierin Töpperwien tritt ab "Schickt die mal heim an den Herd"

Reporter-Legenden: Die Töpperwiens.

Reporter-Legenden: Die Töpperwiens.

(Foto: imago images/Horst Galuschka)

Sabine Töpperwien war mehr als 30 Jahre lang die Stimme der Fußball-Bundesliga. Zum 1. Februar geht die beliebte WDR-Radio-Kommentatorin in den Ruhestand. Im Interview spricht die 60-Jährige über ihre lange Karriere und die Herausforderungen für Frauen in der Männer-Welt Fußball.

Frau Töpperwien, zum 1. Februar gehen Sie in den wohlverdienten Ruhestand. Mit welchem Gefühl blicken Sie dem entgegen?
Töpperwien: Mit einem sehr zufriedenen und glücklichen Gefühl. Weil ich den Eindruck habe, dass sich nach 35 Berufsjahren ein Kreis geschlossen hat. Von der jungen Pionierin im Sportjournalismus, die ein Fußballspiel der Männer live machen durfte, bis hin zu einer Chefin, die mit vier Kollegen den crossmedialen Sportcampus im WDR aufgebaut hat. Ich habe das Gefühl, meine Mission ist jetzt echt erfüllt.

Wie fielen die Reaktionen auf Ihr Karriereende aus?
Alle waren total überrascht, weil es jetzt so schnell geht. Was die Öffentlichkeit angeht, war ich selbst sehr überrascht, weil es eine dermaßen große Resonanz gegeben hat. Dazu noch eine so positive. Völlig unglaublich ist, dass es selbst im Internet kein Bashing gab. Dass selbst hier zu 99 Prozent nur Positives kam, macht mich ein bisschen stolz.

Sie haben 1989 als erste Frau ein Bundesliga-Spiel live kommentiert. In was für eine Welt sind Sie damals eingetreten?
Ich habe 1980 Abitur gemacht, 1985 mein Examen und bin dann zum NDR gegangen. Als ich im selben Jahr nach einem Praktikum freie Mitarbeiterin wurde, war das für mich der Wendepunkt in meinem Berufsleben. Da wurde ich gefragt, was meine liebste Sportart sei. Ich sagte wie selbstverständlich: "Fußball." Und da schauten mich zwölf Augenpaare wie entgeistert an und der Chef sagte: "Aber Sie sind doch eine Frau. Ja, sag ich, und? Das geht nicht, meinte er: Da müssen Sie sich was anderes überlegen."

Und dann?
Der Höhepunkt dieser Phase war das erste Bundesliga-Spiel 1989. Das habe ich nicht aufgrund meiner Leistung erhalten, sondern nur aus rundfunkpolitischen Gründen. Weil ich damals schon längst beim WDR unterschrieben hatte.

Ihre Stimme ist eine der bekanntesten der Bundesliga. Gab es für Sie eigentlich immer nur das Radio oder hätte Sie TV auch mal gereizt?
Ich liebe das Radio und die Möglichkeit, die Kamera für meine HörerInnen zu sein. Nicht nur Bilder zu malen, sondern auch Leidenschaft zu entfachen. Im Fernsehen sollen Sie Bilder ergänzen, denn der Zuschauer sieht es ja selber. Im Radio sind Sie der verlängerte Arm der HörerInnen, ich wollte immer das Stadion für zu Hause sein. Ich war dann nach dem Spiel auch immer fix und fertig, weil mich das körperlich voll mitgenommen hat. Das habe ich geliebt.

Die Fußball-Welt war in ihren Anfangsjahren noch grundsätzlich anders als heute. Wie war das damals mit Trainer-Ikone Otto Rehhagel?
Am Ende des Trainings habe ich ihn - und er war damals ja "Otto der Große" - einmal höflich nach einem Interview gefragt. Da hat er mich von oben bis unten gemustert und gesagt: "Sie haben doch noch nie den Schweiß einer Kabine gerochen. Sie glauben, doch wohl nicht, dass ich mich mit Ihnen über Fußball unterhalte." Da war ich 28 Jahre alt und das war ein Wirkungstreffer. Später hatte ich beim WDR mit Christoph Daum zu tun, der beim 1. FC Köln war. Der meinte zu mir: "Schicken Sie doch mal Ihren Bruder - den Töppi." Das hat mir schon zu denken gegeben, aber zum Glück hat es mich nicht umgehauen.

Ihr Bruder, der damals bereits als ZDF-Reporter eine Größe in der Szene war, hat Ihnen in Ihren Anfängen kräftig den Rücken gestärkt. Wie genau hat er Sie auf das Haifischbecken vorbereitet?
In dem Moment, als ich klar geäußert hatte, dass ich Fußball-Reporterin werden will, hat er mich in den Schwitzkasten genommen und gesagt: "Es wird niemand auf dich warten, es wird sich niemand freuen, dass du als junge Frau auf einmal Fußball machen möchtest. Es wird ein steiniger Weg, du wirst sehr viel Gegenwind spüren. Wenn du bereit bist, all dem zu trotzen, unterstütze ich dich komplett. Aber komm nicht nach einem halben Jahr und beschwere dich, dass jemand nicht nett war."

Hatte Ihr Bruder recht mit seiner Warnung?
Beim ersten Bundesliga-Spiel 1989, damals wurden ja noch Briefe geschrieben. Alle mit polemischer Kritik von Hörern, die gesagt haben: "Das ist ein heiliger Männer-Reporterstuhl. Da könnt ihr doch keine Frau draufsetzen. Schickt die mal heim an den Herd. Die soll ein Kind zur Welt bringen und kochen, aber uns hier nichts vom Fußball erzählen." Das hat mich nicht umgehauen, denn ich hatte damit gerechnet, weil mein Bruder mich vorbereitet hatte.

Was hat sich seitdem getan? Wo stehen Frauen 2021 in der Live-Berichterstattung?
Natürlich sind mittlerweile 30 Jahre vergangen und vieles hat sich zum Positiven gewandelt. Aber trotzdem können wir die Fußball-Reporterinnen in Radio und TV an zwei Händen abzählen und ich könnte alle namentlich benennen - im Vergleich zu mehreren Hundert männlichen Kollegen. Da sehen wir dann, dass wir noch nicht beim Gleichgewicht angekommen sind. Es hat sich etwas getan, aber über 30 Jahre schon langsam.

Die ARD hat nun angekündigt, dass sowohl das EM-Finale 2021 sowie das WM-Endspiel 2022 von Radio-Reporterinnen begleitet wird. Auch, weil Sie das Thema angestoßen hatten. Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich bin immer noch sprachlos, weil ich das bis vor wenigen Tagen für unmöglich erachtet hätte. Wir brauchen jetzt einfach die nächste geöffnete Tür, um auch jungen Frauen zu zeigen: Es geht hier was ab. Es drängen ja auch nicht so viele Frauen nach, die unbedingt Fußball-Reporterin werden wollen. Diese Entscheidung ist ein historischer Meilenstein in der deutschen Sportmedien-Geschichte. Dass ich da aufgrund meiner Lebensleistung zu beigetragen habe, ist für mich ein Finale Furioso.

Würden Sie für das WM-Finale 2022 noch einmal aus dem Ruhestand zurückkehren?
Die Frage stellt sich nicht (lacht). Ich bin eine Teamplayerin. Für mich ging es natürlich auch darum, meine eigene Laufbahn zu befördern. Aber seit ich 2001 in einer Chefposition bin, habe ich versucht, die jungen Frauen und Männer zu fördern. Es freut mich einfach, dass die junge Generation diese Möglichkeit bekommt.

Quelle: ntv.de, tno/sid

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