Sechs Dinge, die wir am 14. Spieltag gelernt haben Stumm kickt gut, Klopp macht "Rambo" fertig
02.12.2013, 12:15 Uhr
Irgendwas ist immer, gell, Jürgen Klopp?
(Foto: AP)
Geschichte wiederholt sich, lautet ein geflügeltes Wort. Stimmt gar nicht: Der 14. Spieltag der Fußball-Bundesliga hielt wieder Neuigkeiten bereit. Der Schiri ist gar nicht die ärmste Sau, die Bayern sind Menschen, und Jürgen Klopp denkt sich Wörter aus.
1. Der Schiri ist gar nicht die ärmste Sau
Deniz Aytekin hat seinen Teil dazu beigetragen, dass am 14. Spieltag so viele Elfmeter gepfiffen wurden wie seit 14 Jahren nicht mehr – acht Strafstöße waren es insgesamt. Drei davon gab der 35-jährige Nürnberger Referee in Mainz, was absolute Hochachtung hervorrufen muss: Egal, wie Aytekin entschied, zwangsläufig musste er einen der größten Motzkis der Republik verärgern. Thomas Tuchel und Jürgen Klopp sind so etwas wie die cholerischen Zwillinge der Bundesliga und sie standen sich auch am Samstag in nichts nach. Wer die beiden Trainer an der Seitenlinie wüten sah, musste Mitleid haben mit einem, dessen Job noch undankbarer ist als der von Deniz Aytekin: Der Vierte Offizielle Thorsten Schriever bekommt hoffentlich eine satte Erschwerniszulage oder wenigstens eine Jahresration Ohropax für seine unmenschliche Langmut, mit der er die Tiraden von der Dortmunder und der Mainzer Bank ertrug. Der selbe Thorsten Schriever wurde übrigens den Fußball-Fans bekannt als der Mann, den Willi Reimann (damals Trainer von Eintracht Frankfurt) 2004 erst rüpelhaft schubste, und dann auch noch einen "Rambo" nannte. Im richtigen Leben ist der Mann aus Dorum übrigens Verwaltungsfachangesteller. Wir vermuten mal, dass er sich den lieben langen Tag von uneinsichtigen Falschparkern anschreien lässt.
2. Schalke gräbt ein Erfolgsrezept aus

Wenn man keinen Erfolg hat - einfach mal die Klappe halten. Kevin-Prince Boateng nimmt sich den Rat zu Herzen und spielt gleich die drei Affen.
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Horst Heldt hatte am 14. Bundesliga-Spieltag schlechte Laune, das 3:0 seiner wankelmütigen Schalker gegen den VfB Stuttgart konnte ihn nicht trösten. Heldt tobte, und das klang so: "Diese Begründung ist nicht ansatzweise akzeptabel. Das sagt man nicht öffentlich." Das, das war die Begründung des ZDF, warum man am letzten Champions-League-Spieltag lieber das Endspiel von Borussia Dortmund in Marseille zeigt als Schalkes Heimfinale gegen den FC Basel. "Das Schicksal des Champions-League-Finalisten ist für den Zuschauer attraktiver", teilte das ZDF dazu als Begründung mit – und machte aus Heldt einen brodelnden Vulkan. Der Ausbruch folgte nach dem Spiel gegen Stuttgart, als Heldt allen Spielern und Trainer Jens Keller Interviews mit dem ZDF verbot. Die Schalker wollen lieber gefragt sein als gefragt werden. Der Frust ist verständlich. Einerseits stimmt es einfach, was das ZDF verlauten ließ. Nur zugeben darf man als Schalker halt nicht, dass BVB-Spiele wie gegen Neapel etwas mehr Spektakel bieten als duselige Nullnummern in Bukarest. Andererseits mutete das ZDF seinen Zuschauer just vergangene Woche ein attraktives 0:5 von Bayer Leverkusen gegen Manchester United zu. Bekannt ist zudem, dass ein temporäres Schweigegelübde gewissermaßen zum Standardrepertoire der Schalker PR-Abteilung gehört. Schon in der Hinrunde 2006/07 beglückten die Königsblauen die Liga mit einem Presseboykott und holten schweigend 20 von 24 möglichen Punkten. Damals wie heute gilt: Stumm kickt gut.
3. Spaßfußball macht nicht allen Spaß
Wir wollen ja nicht jammern, aber: Es ist manchmal schon ein hartes Leben als Sportjournalist. Nie können wir ein Spiel einfach nur genießen, ständig rattern mögliche Schlagzeilen durchs Hirn, Fehleranalysen werden erstellt, Spieldaten abgespeichert. Einfach nur Spaß haben im Stadion? Keine Chance. Doch wir sind nicht allein mit diesem Schicksal. Auch die Hoffenheimer Fußballer verlieren durch ihren professionellen Zugang zum Fußball die Lust am Spiel. "Scheiß Spektakel", brummte Stürmer Kevin Volland, Trainer Markus Gisdol wetterte: "Irgendwie geht einem das total auf den Sack." Dabei hatte die TSG sich mit Werder Bremen gerade eines der unterhaltsamsten Duelle der Saison geliefert, das 4:4 schraubt das 1899-Torverhältnis auf surreale 32:34. Übersetzt: Nimmt Hoffenheim an einem Bundesligaspiel teil, fällt alle 19 Minuten ein Tor. Wer sich dagegen ein Spiel der Braunschweiger anschaut, sieht nur alle 37 Minuten einen Treffer. Beim Betrachten des teilweise an der Grenze zum gespielten Witz lavierenden 4:4 am Samstag konnten wir jedenfalls mehrfach laut auflachen. Auch wenn die Hoffenheimer es nicht gern hören: Danke dafür!
4. Matthias Sammer ist gar kein Roboter

Wie sein Kollege Deniz Aytekin in Mainz pfiff Wolfgang Stark in Sinsheim drei Mal Elfmeter.
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Was die besinnliche Vorweihnachtszeit nicht so alles bewirkt: "Es hat gemenschelt bei uns. Passiert auch", sagte Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer nach dem 2:0 gegen Braunschweig. Und er sagte es nicht wie: "Passiert auch. Darf aber nicht passieren, deswegen müssen die Jungs heute noch einen Marathon laufen und morgen früh um sechs zum Straftraining antreten", sondern eher wie: "Passiert auch. Naja, egal." Ausgerechnet Matthias Sammer also, der für gewöhnlich so menschlich rüberkommt wie der T-1000, findet es okay, wenn seine Spieler mal nicht wie Roboter funktionieren. Wobei so ein ergebnisfixierter Mann wie Sammer sicher anders geurteilt hätte, wäre das Spiel 2:2 ausgegangen. Aber der Spielplan hatte den Münchnern nach der anstrengenden Reise nach Moskau mit Braunschweig einen einfachen Gegner beschert, und auch die nächsten Aufgaben erfordern keine übermenschlichen Leistungen: Im Pokal geht es nach Augsburg, dann warten in der Liga Werder Bremen und der HSV. Es könnte eine schöne Weihnachtszeit werden für die Bayern.
5. Der BVB verletzt sich aus Rücksicht
Da sage noch einer, die Fußballsprache biete nur Floskeln und im 51. Jahr der Bundesliga haben alle schon alles gehört und gesagt und das öfter, als es der Fußballfan ertragen kann. Stimmt gar nicht. BVB-Trainer Jürgen Klopp bereicherte die Fußballsprache nach dem 3:1-Sieg seiner Dortmund in Mainz um eine neue Vokabel: "herunterverletzen". Damit beschrieb der TV-Experte a.D. im Prinzip nur einen Umstand, für den in früheren Bundesliga-Jahrzehnten der Begriff "Verletztenmisere" erfunden worden war. Mit seiner floskelfreien Wortkreation schaffte Klopp aber die virtuose Verknüpfung des Ist-Zustands (= acht BVB-Stammkräfte langzeitverletzt oder angeschlagen) mit dessen unmittelbaren Folgen – der Qualitätsnivellierung zwischen Champions-League-Finalist Dortmund und Saarbrücken. Warum Saarbrücken? Weil der Drittligist am Dienstag im Pokal den BVB empfängt und Klopp beste Voraussetzungen für ein Duell auf Augenhöhe sieht: "Wir sind nett genug, uns auf ein Niveau herunterzuverletzen, dass das am Ende doch noch ein spannender Wettkampf wird."
6. Träume lassen Trainer schäumen
Erinnern Sie sich noch, wie die Spitze der Bundesligatabelle vor einem Jahr aussah? Klar, die Bayern lagen vorne. Dahinter dann Leverkusen und der BVB. Das Interessante: Alle drei Klubs haben in diesem Jahr noch mehr Punkte als nach dem 14. Spieltag der vergangenen Saison - Bayern einen Punkt, der BVB fünf Punkte, und Leverkusen sogar sieben Punkte mehr. Die Verhältnisse oben scheinen sich also zu zementieren, ein guter Grund, weiter nach unten zu schauen. Da festigt Mönchengladbach mit einem nüchternen Arbeitssieg über Freiburg den Status als "best of the rest". Sieben Siege aus den ersten sieben Heimspielen bedeutet Klubrekord. Hinter Schalke auf Platz fünf folgt Wolfsburg – die denken an die Champions League, was sie offenbar auch auf dem Platz tun. Trainer Dieter Hecking war nach dem 1:1 gegen Hamburg bedient: "Die letzte halbe Stunde war nicht in Ordnung, das zeigt uns, dass wir nicht so viel träumen sollten." Alles andere als Traumfußball boten im Mittelfeld-Duell Hertha BSC Berlin und der FC Augsburg. Nur zehn Torschüsse sahen die Zuschauer, die kleine Offensivkrise der Hertha setzte sich fort: Die Berliner schossen in den letzten sieben Spielen nur sieben Tore. "Wir haben uns weiter von den Abstiegsrängen wegbewegt", erklärte Jos Luhukay, warum er trotzdem zufrieden war.
Quelle: ntv.de