Fußball

In fünf Jahren in die Bundesliga Viktoria probt Hollywoods Revolution in Berlin

Die Investorinnen und der sportliche Leiter haben Großes vor: Verena Pausder, Katharina Kurz, Henner Janzen, Tanja Wielgoß, Felicia Mutterer, Lisa Währer und Ariane Hingst (v.l.).

Die Investorinnen und der sportliche Leiter haben Großes vor: Verena Pausder, Katharina Kurz, Henner Janzen, Tanja Wielgoß, Felicia Mutterer, Lisa Währer und Ariane Hingst (v.l.).

(Foto: dpa)

Hollywoodstars und Spitzensportlerinnen gründen in den USA einen Fußballklub und bringen die Frauen groß raus. Nationaltorhüterin Almuth Schult wechselt zum Angel City FC - und die Idee strahlt auch bis nach Berlin. Mithilfe von sechs Initiatorinnen soll Viktoria FC in fünf Jahren in der Bundesliga spielen.

Bei Hertha BSC ist aktuell vieles im Umbruch. Viele Fans setzen auf den neuen Präsidenten Kay Bernstein, der dem häufig verspotteten Verein ein neues Image verpassen kann. Weltoffen, jung, modern. Das frisch gewählte Präsidium beginnt schnell, Zeichen zu setzen. Dazu gehört, das Engagement für Diversität und Geschlechtergerechtigkeit mittels einer Kooperation mit der Frauen-Initiative "Fußball kann mehr" auszubauen.

Aktive Fans der "Axel Kruse Jugend" planen, bei der kommenden Mitgliederversammlung einen Antrag zur Gründung mindestens eines Frauen- oder Mädchenteams zu stellen. Denn die Frauen spielen bei Hertha BSC bislang keinen Fußball. Es gibt aktuell nur eine Kooperation mit Turbine Potsdam, dem einzigen Klub der Region, der in der Bundesliga der Frauen vertreten ist. Doch der Traditionsverein versinkt im Führungschaos und auch sportlich ist die Blütezeit, als die Frauen regelmäßig europäisch spielten, - und unter anderem zweimal die Champions League gewannen - vorbei.

In Berlin gibt es kein Frauen-Team, das hochklassigen Fußball spielt. Denn auch der 1. FC Union Berlin hat da keine Ambitionen. Es gibt zwar ein Team, das aber spielt in der Regionalliga, der dritthöchsten Klasse, und die Frauen sind Amateure. Geld gibt es nicht, und weil sich der Verein bei den Frauen als Ausbildungsklub sieht, wird es wohl so bleiben. Der Fokus liegt auf den Männern.

Die großen Berliner Klubs schwächeln also, was den Fußball der Frauen betrifft. Das wollen sich sechs Frauen nicht mehr länger mit ansehen und gehen zum Angriff über. Mit einem eigenen Team, eingebettet in den Verein, der bei den Männern in der abgelaufenen Saison den dritten Profiklub Berlins stellte: den FC Viktoria 1889 Berlin.

"Wir wollen, dass da etwas wächst"

Das Frauen-Team spielt aktuell wie Union in der Regionalliga, schloss die Saison auf Platz vier direkt hinter Union ab. Binnen fünf Jahren aber soll es in der Bundesliga ankommen. Ein ehrgeiziges Ziel von ehrgeizigen Frauen, die den Klub "zu einer Marke" machen wollen. Eine von ihnen ist die frühere Nationalspielerin und heutige DFB-Trainerin bei der U19 und U20, Ariane Hingst. Die gebürtige Berlinerin wird sportlich beratend tätig sein. Sie sagt dem RBB: "Wir wollen, dass da etwas wächst. Wir wollen die Menschen mitnehmen, die aus Berlin und der Region."

Die Idee für das Projekt hatten die Inhaberin der Brauerei BRLO, Katharina Kurz, und die Sportjournalistin Felicia Mutterer, sie holten die Multi-Investorin Verena Pausder, Vattenfall-Vorständin Tanja Wielgoß, die Marketingspezialistin Lisa Währer sowie Hingst mit an Bord. Damit die Investorinnen zur Tat schreiten können, stimmte der Klub aus dem Südwesten Berlins Anfang Juni einstimmig zu, die Frauenabteilung in eine eigene Fußball-GmbH auszugliedern.

"Das bedeutet, dass das Thema Frauenfußball inhaltlich noch mal aufgewertet wird, mehr Wertschätzung erfährt und dementsprechend als eigenes Unternehmen fungieren kann", sagt Viktoria-Geschäftsführer Peer Jaekel dem RBB. "Die letzten Wochen und Monate haben gezeigt, wie der Fußball der Frauen im Kommen ist. Wenn man die Champions-League-Spiele sieht, vor was für Kulissen da gespielt wurde, ist das schon schlichtweg beeindruckend gewesen. Das befüttert natürlich so eine Vision." Beim FC Barcelona kamen zu den internationalen Spielen gegen Real Madrid und den VfL Wolfsburg jeweils mehr als 90.000 Fans ins Camp Nou.

"Beschleunigerinnen für Fairplay im Sport"

Mit ihrer Vision folgen die Gründerinnen dem Vorbild Angel City FC, zu dem Nationaltorhüterin Almuth Schult nach der Europameisterschaft wechseln wird. Vor zwei Jahren gründete Hollywood-Star Natalie Portman gemeinsam mit den Schauspielerinnen Eva Longoria und Jennifer Garner, Tennisstar Serena Williams und der früheren Skirennläuferin Lindsey Vonn das US-Startup. Ihnen geht es um finanzielle Fairness, um Gleichberechtigung in einem Land, in dem die Fußballerinnen zwar viel erfolgreicher sind als die Männer, für gleiche Bezahlung aber jahrelang vor Gericht kämpfen mussten. Erst kürzlich hatte ihr Engagement Erfolg.

"Als wir das mit Angel City FC hörten, fiel es uns wie Schuppen von den Augen", sagt Kurz dem "Tagesspiegel". "Wir übernehmen in Berlin einen Verein, entwickeln ihn zu einer gemeinschaftlichen Marke, wie es sie so noch nicht gab und bringen sie nach vorn." Es gehe um Sichtbarkeit, bessere Bedingungen für Mädchen und Frauen, Vereinbarkeit von Leistungssport und Ausbildung und zunächst nicht unmittelbar um "Equal Pay", weil die Unterschiede in der Aufmerksamkeit und der Vermarktung in Deutschland so groß sind. Weltweit fließen gar nur sieben Prozent der Sponsorengelder in Sport mit Frauen - eine extreme Diskrepanz. "Wir wollen nicht länger nur reden oder darauf warten, dass Frauen sich ihren Platz im Fußball erobern. Wir wollen selbst die Beschleunigerinnen für Fairplay im Sport sein", sagt Wielgoß dem "Tagesspiegel".

Die Fußballerinnen von Viktoria sollen mit Verträgen ausgestattet werden. Was nach einer Nicht-Nachricht klingt, ist tatsächlich noch nicht normal im Fußball der Frauen. Nicht einmal in der Bundesliga können alle Spielerinnen von ihrem Gehalt leben, in der 2. Liga gäbe es nur noch Aufwandsentschädigungen für die Fahrtkosten, so Kurz beim RBB. In der Regionalliga zahle man dann sogar für seine Mitgliedschaft im Verein. Bei Viktoria sollen sie dann "zumindest über die Berufsgenossenschaft versichert" sein, so Kurz beim RBB: "Das ist ja auch ein großes Thema. Du betreibst Sport auf einem hohen Niveau, und wenn Dir was passiert, dann bist Du für manche Leistungen nicht mal versichert."

Bekannte Unterstützerinnen

Mit jedem Erfolg kommen die Frauen dem Geld näher. Der Plan, in fünf Jahren in der Bundesliga zu spielen, bleibt ambitioniert. Die Gesellschafterinnen aber setzen auch auf gute Sponsoren: "Für Unternehmen wird es immer wichtiger, Haltung zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen", so Kurz gegenüber dem "Tagesspiegel". Mittlerweile dabei sind die frühere Weltklasse-Schwimmerin Franziska van Almsick, Fußballfunktionärin Katja Kraus und Unternehmerin Lea-Sophie Cramer.

Als Botschafterinnen dabei sind Ex-Justizministerin Brigitte Zypries, DB-Cargo-Vorstandschefin Sigrid Nikutta sowie die Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sagte laut "Handelsblatt": "Der Spitzenfußball wird in der öffentlichen Wahrnehmung noch häufig von Männern dominiert. Daher unterstütze ich die Idee, den Fußball in unserer Hauptstadt und im ganzen Land weiblicher zu gestalten. Für das Vorhaben wünsche ich den Initiatorinnen und dem Team viel Erfolg."

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Eine komplette Neugründung kam für die Initiatorinnen nicht infrage, weil dieses Team dann aufgrund der Regularien in Deutschland in der Kreisklasse hätte starten müssen. So wie es Borussia Dortmund mit seinem Frauen-Team machte, das im ersten Jahr direkt den Aufstieg schaffte, aber noch fünf Aufstiege bis zur Bundesliga vor sich hat.

"Nur" drei Schritte muss Viktoria gehen. Der Kader von Viktoria wird noch ergänzt, die Chef-Trainerin oder der Chef-Trainer soll bald vorgestellt werden, die sportliche Leitung liegt bei Fußballberater Henner Janzen, der sich auf Frauen spezialisiert hat. Im August startet das Team mit der ersten Runde des DFB-Pokals in die Saison. Schon jetzt mischt das neue Projekt den Fußball auf.

Quelle: ntv.de

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