WM-Überraschungen bei DFB-GegnerSpaniens Coach sortiert zwei Legenden aus

Deutschlands Gruppengegner Spanien geht mit Dani Olmo von RB Leipzig in die Fußball-WM. Der Offensivspieler ist der einzige Bundesliga-Legionär im Team von Trainer Luis Enrique, das von Kapitän Sergio Busquets angeführt wird. Nicht mit dabei ist der 36 Jahre alte Sergio Ramos.
Man kann nun wahrlich nicht behaupten, dass es eine gute Woche für die alten Abwehrgiganten unserer Zeit ist. Der ikonische Gerard Piqué bekam im ersten Spiel nach seinem offiziellen Rücktritt (klingt komisch, war aber so) als Ersatzspieler des FC Barcelona Rot im Kabinentrakt, weil er den Schiedsrichter auf bösartige Art angegangen war. Dann musste Deutschlands Heldengrätscher Mats Hummels am Donnerstag seine Nicht-Berücksichtigung für die Fußball-WM in der Wüste verarbeiten, ehe am Tag danach Sergio Ramos das gleiche Schicksal ereilte. Der 36-Jährige findet im Aufgebot des spanischen Nationaltrainers Luis Enrique keinen Platz.
Ramos ist einer von zwei ganz großen Namen, die überraschend im Kader der "Furia Roja" fehlen. Der zweite ist Thiago, die einstige Kontrollinstanz im Zentrum des FC Bayern, die sich in dieser Spielzeit beim FC Liverpool mit Verletzungsproblemen durchkämpft, aber dennoch zu den eher konstanteren Fußballern bei den so divenhaften Reds von Trainer Jürgen Klopp gehörte. Thiago fehlte der Rhythmus, aber Ramos? Nach einer Debütsaison bei Paris St. Germain, die eigentlich keine war, weil er fast durchgehend verletzt war und am Ende derer er bereits als Transferflop abgetan wurde, hat er sich in der laufenden Runde überragend zurückgekämpft und übernimmt eine Führungsrolle in dem Luxus-Ego-Ensemble.
Ramos war wieder so gut in Form, dass er mindestens als Kandidat für den WM-Kader galt. Die meinungsstarken Medien in seiner Heimat blieben zwar überwiegend zurückhaltend, aber prominente Fürsprecher erhoben sich zu Lobbyisten für den alternden Gladiator, der als der robustesten (um es mal schmeichelnd auszudrücken) und schonungslosesten Verteidiger unserer Zeit in Erinnerung bleiben wird. Real Madrids Coach Carlo Ancelotti hatte Anfang des Monats die "Qualität und Erfahrung" des 36-Jährigen gelobt, der bereits einmal Weltmeister war und zweimal das kontinentale Turnier (EM) gewinnen konnte. Für den Trainer-Maestro ist Ramos "noch immer einer der besten Innenverteidiger der Welt."
Das Ende der goldenen Generation
Aber er ist nun eben raus. Über das Warum wollte Luis Enrique keine Worte verlieren. Er wollte stattdessen über die reden, die dabei sind. Und das sind sehr viele Junge und nur noch zwei Vertreter der "Goldenen Generation", die den Weltfußball mit ihrem bezaubernd-zermürbenden Tiki-Taka dominiert hatte. Sergio Busquets und Jordi Alba sind diese Männer. Der eine (Busquets) ist Hirn und Korrektiv im Zentrum, sollten die Hochbegabten um ihn herum zu viele Flausen im Kopf haben. Der andere (Alba) tummelt sich auf der linken defensiven Außenbahn und soll ebenfalls stabilisierend eingreifen. Die Spanier schicken nämlich eine Mannschaft ins Rennen, die noch längst nicht gefestigt ist, aber große Fantasien beflügelt. Mit Pedri (19) und Gavi (18) - beide, wie Busquets und Alba, spielen beim FC Barcelona - agieren im Mittelfeld zwei kleine und sehr wendige Kreativlinge, die zu den größten Faszinationen des internationalen Fußballs gehören.
Sie sind indes nur die spektakulärsten Auswüchse eines wieder mächtigen Talentpools. Zu dem gehören auch noch Innenverteidiger Eric Garcia sowie die Außenstürmer Ferran Torres und Ansu Fati (alle FC Barcelona). Die Nominierung Fatis kommt derweil ein wenig überraschend. Nicht weil es Zweifel an den Fähigkeiten des 20-Jährigen gibt, die gelten schließlich als außergewöhnlich. Zweifel gibt es, weil Fati in seinem jungen Alter bereits eine eindrucksvolle Krankenakte angesammelt hat. In den vergangenen drei Jahren, seit Ende September 2019, hat er Barça über 500 Tage verletzt gefehlt. "Er hat eine schwierige Zeit hinter sich. Es hat schon großen Einfluss gehabt, dass ich auf die beste Leistung Ansus hoffe. Ob es sie geben wird? Das werden wir sehen."
Viel Abwehrrisiko ohne Ramos
Zu den ganz jungen im Kader zählen auch noch die 20-jährigen Nico Williams (Athletic Bilbao) und Yeremy Pino (FC Villarreal). Beide sind in der Offensive zu Hause. Das gilt auch für Dani Olmo, den einzigen Bundesligaspieler für die "Furia Roja". Der Leipziger Mittelfeldspieler hatte sich nach seiner Knieverletzung zuletzt wieder in Top-Form gezeigt - und jubelte nun über seine Berufung. "Jeder spanische Jugendspieler träumt davon, irgendwann mal für die Nationalmannschaft bei einer WM aufzulaufen. Für mich geht dieser Traum jetzt in Erfüllung", sagte Olmo bei Sky. Der 24-Jährige erwartet einen harten Kampf um den Gruppensieg. "Deutschland hat einen tollen Kader mit Weltklasse-Spielern. Das Spiel gegen sie wird wie ein Finale für uns", sagte er.
Deutschland versammelt seine Weltklasse eher im offensiven, denn im defensive Bereich. Das ist sich die Welt einig. Für Spanien gilt das Gleiche. Gerade mit der Auswahl seiner Innenverteidigung geht Enrique massiv ins Risiko. Der junge Garcia ist bei Barcelona kein absoluter Stammspieler, erst recht nicht, wenn Jules Kounde und Roland Araujo gesund und fit sind. Neben Garcia sind als Fachkräfte nur Aymeric Laporte (Manchester City) und Pau Torres nominiert. Torres hat beim FC Villarreal an der Seite des legendären Raúl Albiol gelernt und ist bereit für die Rolle als Abwehrchef. Laporte kämpft sich derweil bei City nach einer Knie-OP langsam zurück, immerhin spielte er zuletzt zweimal über 90 Minuten. Umso bemerkenswerter der Verzicht auf Ramos, den dessen Paris-Kumpel Achraf Hakimi, einst auch beim BVB, direkt nach Bekanntgabe des spanischen Kaders bei Twitter dann so kommentierte: "Sergio Ramos, bester Verteidiger der Welt."
Enrique sieht die Dinge anders und sagt: "Ich habe eine tolle Liste und absolutes Vertrauen in die Gruppe. Wir haben ein starkes Team zusammengestellt, und ich bin fest davon überzeugt, dass wir bereit für Katar sind."