Fußball

Ärger zwischen Verein und Fans Warum Celtic seine Ultras nach Pro-Palästina-Protest verbannt

Celtic-Fans beim Champions-League-Heimspiel gegen Atlético Madrid.

Celtic-Fans beim Champions-League-Heimspiel gegen Atlético Madrid.

(Foto: IMAGO/Shutterstock)

Die Green Brigade des FC Celtic ist die wohl bedeutendste britische Ultra-Gruppe. Seit Jahren befindet sie sich im Konflikt mit dem Klub. Gerade ist der Streit eskaliert. Es geht um mehr als die pro-palästinensische Haltung der Fans.

Die Blöcke 110 und 111 im Celtic Park in Glasgow waren nur spärlich besucht, als der FC Celtic kürzlich in der Scottish Premiership gegen den FC St. Mirren spielte. Dabei ist diese Sektion normalerweise die bunteste und lauteste des Stadions, das Zentrum einer im europäischen Fußball einzigartigen Stimmung - in kaum einer Spielstätte wird lauter gebrüllt und schöner gesungen als im Celtic Park. Doch der Verein hat die Geduld verloren mit jenen Fans, die in den Blöcken 110 und 111 ihre Heimat haben. Es sind besondere Fans, nämlich Ultras. Sie nennen sich Green Brigade, die grüne Brigade.

Anders als in vielen Ländern auf dem Kontinent, anders als auch in Deutschland, hat sich die Ultra-Bewegung in Großbritannien nicht durchgesetzt. In der englischen Premier League gibt es im Grunde nur eine bedeutende Ultra-Gruppe, nämlich bei Crystal Palace. In Schottland ist das Phänomen verbreiteter, aber immer noch eine Randerscheinung. Am auffälligsten sind die Ultras bei den Glasgower Klubs Rangers und Celtic. Die 2006 gegründete Green Brigade ist mit kolportierten rund 1000 Mitgliedern die wohl größte Ultra-Gruppe im britischen Fußball, auf jeden Fall aber die umstrittenste.

Seit Jahren befindet sich der Verein in einem Konflikt mit seinen Hardcore-Fans, der gerade eskaliert ist und dazu geführt hat, dass Celtic rund 300 Mitgliedern der Organisation die Dauerkarten entzogen hat. Sie also praktisch aus dem Stadion verbannt hat. Offensichtlichster Grund dafür ist die Tatsache, dass in den Blöcken der Green Brigade zuletzt in großer Zahl Palästina-Fahnen zu sehen waren. Celtics Fans begreifen sich als linksalternativ und setzen sich seit Jahren für das ein, was sie den palästinensischen Freiheitskampf nennen, wie insgesamt weite Teile der britischen Linken.

Mesut Özil lobt die Fans von Celtic

Oft werden dabei die Grenzen zum Hass auf Israel, zum Antisemitismus und zur Verherrlichung von Hamas-Terror überschritten. Der FC Celtic hatte schon 2016 Streit mit seinen Ultras, weil diese bei einem Spiel gegen den israelischen Klub Hapoel Be'er Sheva ihre Blöcke mit Palästina-Flaggen behängt hatten.

Bei der Partie gegen den FC Kilmarnock am 7. Oktober dieses Jahres, nur wenige Stunden nach dem Massaker der Hamas in Israel, spannte die Green Brigade ein Banner auf mit der Aufschrift: "Victory To The Resistance!" - Sieg dem Widerstand.

Beim darauffolgenden Heimspiel in der Champions League gegen Atlético Madrid widersetzten sich die Ultras der ausdrücklichen Bitte des Vereins, auf Palästina-Flaggen zu verzichten - doch nicht nur sie. Auch in anderen Ecken des Stadions schwenkten Menschen die Fahne Palästinas, sehr zur Freude des deutschen Weltmeisters Mesut Özil übrigens, der Celtics Publikum dafür in den sozialen Medien lobte.

Banner mit Aufschrift "Fuck St. Pauli - Free Hamburg From Hipsters"

Die Solidarität mit Palästina bei Celtic ist kein reines Ultra-Phänomen, sondern lässt sich auch mit der Geschichte des Vereins erklären. Der Klub wurde 1888 von irischen Auswanderern gegründet, um Geld zu sammeln für die verarmte irische Bevölkerung im East End von Glasgow. Bis heute pflegt der Verein eine ausgeprägte irische Identität, im Gegensatz zum Stadtrivalen Rangers, der sich als explizit britisch begreift. Celtics Fans haben in der Vergangenheit auch mit IRA-Folklore oder Schmähungen des britischen Königshauses provoziert. Die irische Identität hilft auch beim Verständnis der pro-palästinensischen Position vieler Fans. Iren und Palästinenser sehen sich als eine Art Schicksalsgemeinschaft, vereint im vermeintlichen Kampf gegen Besatzung und Vertreibung.

Der FC Celtic hat seine Fans gerade darauf hingewiesen, dass man ein Fußballverein sei und keine politische Organisation, doch diese Aussage wurde als scheinheilig zurückgewiesen. Celtic vermarket sich bis heute als der etwas andere Klub, als Heimat für Außenseiter und Unangepasste, eine Art schottischer FC St. Pauli. Es ist kein Zufall, dass seit Jahrzehnten eine Nähe zwischen den beiden Vereinen und ihren Fans besteht. Wobei das gute Verhältnis gerade einer schweren Prüfung ausgesetzt ist. St.-Pauli-Fans machten sich per Spruchband gegen Antisemitismus - auch in Glasgow - stark und forderten, Palästina von der Hamas zu befreien. Eine Gruppe angeblicher Celtic-Anhänger antwortete: "Fuck St. Pauli - Free Hamburg From Hipsters".

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Ihre Verbannung aus dem Stadion sieht die Green Brigade als Ergebnis einer Kampagne von Medien, Verbänden und ihres Vereins. Die Ultras werfen Celtic vor, ihnen allein wegen ihrer Solidarität mit Palästina die Dauerkarten entzogen zu haben, der Klub allerdings nennt noch weitere Verstöße als Grund für den Ausschluss. Es sind Vergehen, wie sie auch in Deutschland immer wieder zu Ärger zwischen Vereinen und Hardcore-Publikum führen: der Einsatz von Pyrotechnik, angeblich sicherheitsgefährdendes Verhalten und aggressives Auftreten gegenüber Ordnern. Weil Celtic die Relativierung des Hamas-Terrors nur nebulös benennt und eine Reihe anderer Erklärungen für den Ausschluss der Ultras liefert, wirkt es, als sehe der Verein die aktuellen Umtriebe der Green Brigade einfach nur als eine weitere Episode des jahrelangen Rebellentums - aber eben als die eine Episode zu viel.

Auf welcher Seite die Allgemeinheit der Celtic-Fans in diesem Streit steht, lässt sich schwer seriös einschätzen. Tendenziell allerdings erfahren die Ultras Unterstützung. Der Celtic Trust, eine übergeordnete Fan-Organisation, fordert den Verein auf, die Green Brigade wieder ins Stadion zu lassen. Andere Gruppen haben sich zuletzt mit ihr solidarisiert, zum Beispiel, indem sie während des Spiels das Stadion verließen. Auch wenn in den Blöcken 110 und 111 künftig viele Plätze leer bleiben - der Ärger des FC Celtic mit seinen Ultras ist längst nicht vorbei.

Quelle: ntv.de

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