Fußball

Wilder Visionär nicht nötig Warum Rudi Völler das DFB-Team rettet

bee8cdf614eeaf08b1beefaccd803ec3.jpg

Rudi Völler soll das DFB-Team als Manager betreuen.

(Foto: dpa)

Die deutsche Nationalmannschaft sucht nach der dritten Turnier-Enttäuschung nach Stabilität und Ruhe. Mit Rudi Völler als Manager bekäme das DFB-Team einen beliebten Schutzschild. Dass "Rudi Nazionale" nicht für Innovationen steht, ist dabei eine gute Nachricht.

Rudi Völler soll beim Deutschen Fußball-Bund der Nachfolger von Oliver Bierhoff werden. Das ist das Ergebnis der Taskforce, der Völler selbst angehört. Anders als zuvor für das Amt gedacht, soll der 62-Jährige den Fokus voll auf die Männer-Nationalmannschaft richten, für die Frauen- und die Jugend-Teams soll weiteres Personal kommen. Die Meinungen darüber gehen auseinander, auch bei ntv.de. Lesen Sie hier, warum Völler der Richtige ist. Warum Völler der Falsche ist, können Sie hier erfahren.

Der entrückte Visionär ist DFB-Geschichte, und aus jener oft ruhmreichen und manchmal desaströsen fischt der größte Einzelsportverband sehr wahrscheinlich dessen Nachfolger. Der ehemalige Weltklassestürmer und Bayer-Boss Rudi Völler gibt, die Anzeichen dafür verdichten sich sehr, sein Rentnerdasein auf und wird zum zweiten Mal Protagonist der deutschen Fußball-Rettungsmission. Die wurde nach dem dritten vergeigten Großturnier in Serie ausgerufen. Und die Idee des DFB, "Rudi Nazionale" von der Couch ins Rampenlicht zu locken, wird eine absolut gewinnbringende sein. Bei all der zulässigen Kritik, die nun kommen wird.

Denn Völler ist vieles nicht. Kein Visionär, kein Entwickler, kein Mann für Innovationen. Und das sind in dieser emotional und sportlich schwierigen Lage die besten Argumente. Denn der DFB und seine Nationalmannschaft sind auch deswegen in der Krise, weil das einstige Straßenfeger-Team zu einem entrückten Kunst-Produkt verkommen war. Oliver Bierhoff, der Visionär, hatte es mit seinen Plänen nach dem WM-Triumph 2014 zu weit getrieben. Der Fokus lag nicht mehr auf dem Spiel, auf der Nahbarkeit, auf der Identifikation mit der Mannschaft, sondern auf Marketing. Das ging krachend in die Buchse, die Claims "Die Mannschaft" und "ZSMMN" und "Best never rest" flogen dem zurückgetretenen DFB-Direktor böse um die Ohren.

Ein ruhiger Anker tut dem Team gut

Die Sehnsucht nach einer verbalen Instanz war ebenso sinn- wie erfolglos. Kaum jemand im Land gierte nach einer deutschen "Furia Roja" oder einer deutschen "Scuderia". Das DFB-Team war das DFB-Team, und damit war es gut. Einer, der dieses Team 2002 zu neuer Größe führte, war Völler. Aus dem tiefen Tal nach dem EM-Debakel 2000 unter Trainer Erich Ribbeck formte der ehemalige Weltklasse-Stürmer eine Mannschaft, die gut genug war, um das WM-Finale zwei Jahre später zu erreichen. Dass der Fußball nicht mitreißend war, egal! Er war erfolgreich - wenn auch nur kurzfristig, 2004 taumelte Deutschland ins nächste EM-Desaster, ehe die Erfolgsära mit Jürgen Klinsmann und Joachim Löw begann.

Mit Rudi Völler setzt der DFB auf einen Mann mit der Kraft des Verbindenden. Er steht für den alten Fußball, für Emotionen (sein Island-Interview mit Waldemar Hartmann bleib auf ewig unvergessen), für Ehrlichkeit und auch für Nahbarkeit. Diese Qualitäten braucht die Nationalmannschaft neben dem Platz. Die Menschen folgen Völler. Die meisten. Jene, die sich Mut, Innovation und eine konsequente Erneuerung gewünscht hätten, mit einer Frau in dieser Rolle beispielsweise, klagen nun laut über einen komplett falschen Ansatz. Nachvollziehbar und sinnvoll. Und die Zeit für den großen Umbau wird kommen, kommen müssen. Aber nicht jetzt. Für die Rettungsmission mit Blick auf die Heim-EM 2024 wird sich das gute Gefühl, das viele Menschen mit Völler und dessen Generation verbinden, mit großer Rendite auszahlen. Beim DFB ist so viel in Aufruhr, dass ein ruhiger Anker jetzt guttut. Der Ex-Weltmeister ist die perfekte Brückentechnologie für die nächsten anderthalb Jahre.

Zu viele Probleme beim DFB-Team

Bevor die Zeit für neue Visionen reif ist, muss die Mannschaft erstmal wieder stabil werden, liefern, mitreißen. Das ist die Aufgabe von Bundestrainer Hansi Flick. Der als Erlöser nach den zermürbenden letzten Joachim-Löw-Jahren gefeierte Menschenfänger ist angezählt. Die Hoffnung auf schnelle Besserung dahin. Selbst wenn die Leistungen in Katar nicht so schlecht waren, wie es der Vorrunden-Knockout suggeriert. Doch die Probleme waren und sind einfach (zu?) groß. Von fehlenden Hierarchien, von Stars über ihrem Zenit, von fehlenden Topleuten in der Abwehr und im Sturmzentrum. Dringende Lösungen müssen her.

So scheint auch die Idee gut, die Position von Bierhoff für Völler anders zu gestalten. Die Macht des Amtes wird verteilt. Ein Mann oder eine Frau fürs Team, ein Mann oder eine Frau für die Akademie und die gravierende Ausbildungskrise beim Nachwuchs. An dieser Stelle braucht es sofort Mut, Innovationen. Weiteren Stillstand kann sich der DFB nicht leisten. Völler wäre dafür nicht der Mann, er ist die Lösung fürs Team. Eine Instanz, die sich vor die Mannschaft stellt, vor den angeschossenen Trainer. Der den Druck nimmt, den Fokus auf sich lenkt.

"Rudi Nazionale" ist ein Mann für den Aufbruch

Mehr zum Thema

Völler hat Eigenschaften wie Uli Hoeneß. Auch wenn die Legende vom Tegernsee das Spiel im Rampenlicht wohl noch ein wenig besser beherrschte und immer dann den Sturm der Aufmerksamkeit auf sich lenkte, wenn die Krise bei seinem FC Bayern zu groß zu werden schien. Und der Rekordmeister und die Nationalmannschaft sind in dieser Hinsicht unbedingt miteinander zu vergleichen. Denn tatsächlich erfreut sich der Mainstream meist mehr an Blamagen und Scheitern, als an Siegen - WM-Titel mal ausgenommen!

"Rudi Nazionale" ist ein Mann für den Aufbruch, für die Verteidigung. Nicht für den Umbruch, für den Angriff. Er bedient das gute Gefühl, steht für viele schöne Momente in der deutschen Fußball-Vergangenheit. Er verspricht Beständiges und keine wilden Experimente. Mehr braucht es in seiner Rolle als Sportchef der Mannschaft vorerst nicht. Aber weniger eben auch nicht.

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen