Bierhoff-Nachfolger trotz Rente? Warum Rudi Völler ein ernsthafter DFB-Kandidat ist
11.01.2023, 15:14 Uhr
Völler sollte eigentlich nur einen Bierhoff-Nachfolger suchen. Jetzt könnte er selbst zu ihm werden.
(Foto: dpa)
Rudi Völler hat sich im vergangenen Sommer aus dem Fußball verabschiedet. Sein Comeback könnte nun aber zeitnah folgen. Denn sein Dementi für die Bierhoff-Nachfolge beim DFB wirkt alles andere als unumstößlich.
Rudi Völler war nicht immer gut auf seinen früheren Schützling zu sprechen. "Brasilianische Spielweise einfordern mit Füßen aus Malta - das geht eben nicht", schimpfte der frühere Nationalmannschafts-Teamchef vor Jahren über Oliver Bierhoff, mit dem er sich damals im Clinch befand. Nun soll ausgerechnet Völler zu den Kandidaten auf die Bierhoff-Nachfolge beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) gehören.
"Grundsätzlich sieht meine Lebensplanung anders aus", kommentierte Völler den Bericht der "Bild"-Zeitung, wonach er den Ex-Geschäftsführer beim Verband beerben könnte. Der Begriff "grundsätzlich" kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass sich der 62-Jährige fünfeinhalb Wochen nach der Trennung zwischen DFB und Bierhoff tatsächlich im Rennen befindet. Denn dieses "grundsätzlich" klingt eben nicht so, als seien seine Pläne unveränderlich.
Sky berichtete über ähnliche Informationen. Völler, der am Ende der vergangenen Saison seinen Job als Sport-Geschäftsführer beim Bundesligisten Bayer Leverkusen aufgegeben hat, ließ über den Werksklub ausrichten, dass es "keine weiteren Einlassungen" geben werde.
Er half schon einmal aus
Es wäre nicht das erste Mal, dass Völler dem krisengeplagten DFB aus der Patsche hilft. Nach der verpatzten EM 2000 sprang er zunächst als Teamchef und Platzhalter für Christoph Daum ein, der keine Freigabe aus Leverkusen erhalten und sich später mit seinem Kokser-Skandal aus dem Geschäft katapultiert hatte. Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea führte Völler die Nationalmannschaft überraschend bis ins Finale. Nach dem Vorrunden-Aus bei der EM 2004 trat der gebürtige Hanauer dann zurück.
Nun sollte Völler den Bierhoff-Nachfolger eigentlich "nur" suchen. Der einstige Torjäger sitzt wie Karl-Heinz Rummenigge, Matthias Sammer, Oliver Mintzlaff und Oliver Kahn im externen Expertenrat des DFB. Die Gruppe, deren wenig diverse und innovative Zusammensetzung so manche Kritik hervorrief, soll am 19. Januar wieder tagen. Sie soll dafür sorgen, dass sich der Verband und die Nationalmannschaft um Bundestrainer Hansi Flick mit Blick auf die Heim-EM 2024 aus ihrem Tief befreien. Für Völler ist die wichtigste Frage dabei: "Wie gewinnen wir die Begeisterung und die Liebe für die Nationalmannschaft zurück, für die wichtigste Mannschaft unseres Landes?"
Der DFB und Bierhoff hatten sich als Folge des erneuten Scheiterns der Nationalmannschaft in der WM-Vorrunde nach 18 Jahren getrennt. Über einen möglichen Nachfolger wird seitdem heftig spekuliert. Namen wie Fredi Bobic, Philipp Lahm, Sammer, Ralf Rangnick oder Per Mertesacker wurden und werden genannt.
Bevor ein Nachfolger installiert wird, soll allerdings eine interne DFB-Arbeitsgruppe mit Generalsekretärin Heike Ullrich an der Spitze im Zusammenspiel mit den Experten klären, wie der Arbeitsbereich des Neuen aussehen sollen. Für Rummenigge ist die Suche eines Geschäftsführers und/oder Sportdirektors ohnehin nur ein Teilaspekt der Problembewältigung. "Es wäre viel zu kurz gesprungen, wenn wir einfach nur eine Personalie diskutieren würden", sagte der langjährige Vorstandsboss von Rekordmeister Bayern München zuletzt: "Das wird der Sache nicht gerecht." Ähnlich sieht es sein Nachfolger Kahn: "Wir müssen definieren, welches die Handlungsfelder sind, bevor wir über genaue Stellenbeschreibungen und nachfolgend über Kandidaten sprechen."
Völler hilft gern mal aus
Laut Rummenigge habe der DFB eineinhalb Jahre vor sich, "in denen gut gearbeitet werden muss, um die Voraussetzungen für eine Atmosphäre bei der EM zu schaffen, die eine ganz andere ist als zuletzt." Diese Aufgabenstellung würde zum früheren Publikumsliebling Völler passen. Kritik an der ausbleibenden personellen Erneuerung beim DFB wäre allerdings programmiert.
Im vergangenen Sommer verabschiedete sich Völler nach 45 Jahren von der großen Fußball-Bühne. "Wenn ich mit etwas abschließe, schließe ich damit ab", sagte er damals in einem dpa-Interview. "Vor allem freue ich mich auf freie Wochenenden. Gefühlt habe ich - seit ich 17 oder 18 bin - kein klassisches Wochenende mehr gehabt. Ich freue mich, dass dieser Druck abfällt."
Und jetzt quasi als Rentner nochmal mitten hinein in den Krisenverband DFB? An die Seite von Bundestrainer Hansi Flick? Grundsätzlich gilt Völler als jemand, der gerne aushilft: Nur zwei Monate nach seinem Aus als DFB-Teamchef gab er damals dem Werben seines Ex-Klubs AS Rom nach. Eine Entscheidung, die er später bereute: "2004 hätte ich auf meine Frau hören sollen, die mir abgeraten hat, Trainer bei AS Rom zu werden."
Dem DFB fühlt er sich mindestens ebenso verbunden wie Rom oder Leverkusen. Bei dem 90-maligen Nationalspieler und Weltmeister von 1990 weiß man nicht, ob er nicht noch einmal schwach wird.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/sid