Unberechenbar für den FC Bayern? Was Uli Hoeneß vorhat, das weiß nur Uli Hoeneß
29.04.2024, 15:41 Uhr
Uli Hoeneß ist "wild entschlossen, meine Meinung wieder deutlicher zu machen."
(Foto: IMAGO/Ulrich Wagner)
Ohne jede Not kränkt Uli Hoeneß am vergangenen Freitag den noch amtierenden Bayern-Coach Thomas Tuchel. Die Münchner hoffen am Wochenende, dass der Disput zwischen den unberechenbaren Alphatieren klein bleibt. Doch dann legt Hoeneß nach - und das ist keine gute Nachricht für den Klub.
Dietmar Hamann war fest davon ausgegangen, dass Uli Hoeneß seine überraschenden Aussagen über Thomas Tuchel gerade rücken würde. Doch Pustekuchen, der Patriarch des FC Bayern denkt gar nicht daran. Gegenüber dem "Kicker" betonte der 72-Jährige, dass er zu seiner Kritik stehe, dass der Coach lieber neue Spieler fordere, als sich um die Entwicklung der eigenen Fußballer zu kümmern. Dass Tuchel ihm hernach öffentlich zahlreiche Belege dafür lieferte, dass der Vorwurf "absolut haltlos" ist, scheint Hoeneß nicht zu jucken.
Seit Freitagabend fragen sich große Teile der Fußballwelt: Was ist nur los mit dem Ehrenpräsident? Welchen Plan verfolgt er mit seiner völlig überraschenden und aus keinerlei Not geborenen Attacke auf Tuchel? Welchen Plan verfolgt er mit seinem "Dritte-Wahl"-Satz zu einem möglichen neuen Bayern-Trainer Ralf Rangnick (der soll sich laut "Kicker" darüber in München sogar beschwert haben)? Und was soll dieser Satz aussagen, dass Xabi Alonso Charakter bewiesen habe, dass er nicht vorzeitig aus seinem Vertrag (bis 2026) beim Deutschen Meister Bayer 04 Leverkusen aussteigt, um nach München zu gehen? Bedeutet das, dass ein neuer Coach, der sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis auslösen lässt, charakterschwach ist?
Hoeneß hat das Spiel perfektioniert
Noch immer weiß man das nicht. Aber womöglich wird die Frage zeitnah beantwortet. Denn Hoeneß kündigt ja an, "wild entschlossen zu sein, meine Meinung wieder deutlicher zu machen". Für die Lebendigkeit der Liga und reichlich Entertainment wird ein aktiver Hoeneß sorgen. Ob er seinem Klub damit aber einen Gefallen tut, das bleibt fraglich. Operativ hat der 72-Jährige zwar keinen offiziellen Einfluss mehr, aber das Wort Hoeneß' ist das noch immer dröhnendste und am meisten beachtete im deutschen Fußball.
Früher war das häufig gut gegangen. Der mächtigste Mann des Vereins hatte scharfe, manchmal überraschende Attacken formuliert, Nebelkerzen geworfen und damit den Fokus vom eigenen Team genommen oder für Unruhe bei den Konkurrenten gesorgt. Im vergangenen Jahr sah er seinen Klub unter der unglücklichen Regie von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic so sehr in Gefahr, dass er mit Karl-Heinz Rummenigge nochmal eine prominente Rolle beim Übergang zur Neuaufstellung einnahm. Niemand in der Liga beherrschte dieses Spiel perfekter.
Von den Medien zu heiß gekocht? Eher nicht
Und auch über die Wirkung seiner Worte wusste er stets bestens Bescheid. Dass er nun den Medien unterstellt, was übrigens auch Thomas Müller in seiner Reaktion auf den Disput zwischen Hoeneß und Tuchel tut, die Sache unnötig aufzubauschen, ist reichlich seltsam. Denn dieser Kanal war ja stets ein wichtiger für ihn. Aber dieses Freund-Feind-Spiel ist ebenfalls nichts Neues und auch eine Art zu sagen: War doch alles nicht so wild. Was ihn und seine Attacken bisher treu begleitet hatte: Das Timing saß.
Doch ob das immer noch gilt? Diese Frage wird nach dem Auftritt bei einer Podiumsdiskussion der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am vergangenen Freitag immer drängender. Gerade hatte sich die ganz große Unruhe im Verein gelegt. Die turbulente Zeit mit Tuchel, mit dessen Klagen über den Kader und seiner häufig zur Schau gestellten Ratlosigkeit über die Leistungen seiner Spieler, schien harmonisch auf die Zielgeraden einzubiegen. Der Erfolg im Viertelfinale der Champions League über den FC Arsenal hatte das Selbstvertrauen des FC Bayern gestärkt, den Zusammenhalt der Mannschaft mit dem Trainer und diesen persönlich, weil er für seine taktische Meisterleistung gelobt worden war (und sich bei vielen Fans, via Online-Petition, für eine doch noch weitere Zusammenarbeit qualifiziert hatte). Tuchel hatte mal wieder nachgewiesen, dass er einer der Besten seiner Zunft ist. Und mit Rangnick schien ebenfalls alles auf einem guten Weg.
Was passiert, wenn der Nebel verflogen ist?
Doch mitten rein in die Phase knallt Hoeneß. Mit seinen Aussagen. Mit seiner Ankündigung, wieder präsenter zu werden. Noch ist nicht absehbar, welche Folgen das hat, wenn der Nebel verzogen ist. Liegen da plötzlich ganz viele Scherben? Lassen sich Trainer und Mannschaft doch beeinflussen, anders als von Sportvorstand Max Eberl erhofft? Vergeben sie, beeinflusst vom Nebenschauplatz "Alphatier-Zoff", gegen Real Madrid auch die letzte Titelchance? Hat die machtvolle Ansage auch Folgen für die Entscheidung von Rangnick? Gibt es die nächste Absage? Steckt da womöglich Kalkül von Hoeneß hinter? Oder die Botschaft an Rangnick, dass die Entwicklung von Spielern seine wichtigste Aufgabe wird, statt einer großen Einkaufstour (wie es die "Süddeutsche Zeitung" mutmaßt)? Und was bedeutet das für die Kaderplanung? Die Spieler (auch potenzielle Neuzugänge) wollen schließlich wissen, wer sie künftig trainiert, welche Rolle vorgesehen ist. Der Hoeneß-Plan bleibt rätselhaft.
Tatsächlich wird der Trainer der österreichischen Nationalmannschaft genau hinschauen, wie Hoeneß sich da gerade positioniert, wie er eindrucksvoll nachweist, wer der mächtige Mann beim FC Bayern ist. Wer den Ton setzt. Ein Clash der Alphatiere könnte damit vorprogrammiert sein. Denn Rangnick ist ja selbst ein Mann, der die Dinge als Großes und Ganzes in der Hand haben möchte. Er sagte einmal, dass es nicht reize, nur ein Trainer zu sein. Der Einfluss auf die Kaderplanung ist ihm wichtig.
Mit Rangnick dürfte ein Kulturkampf drohen
In München dürfte das zu einem Kulturkampf führen. Denn der FC Bayern gilt nicht als Trainerverein. Bedeutet: Ein Teammanager-Modell wie in England wird es nicht geben. Zumal zwischen der Mia-san-Mia-Ebene Tegernsee (Machtzentrum Hoeneß) und dem verwaisten Trainerstuhl noch der Sportvorstand Eberl und der Sportdirektor Christoph Freund sitzen. Die ja ebenfalls Vorstellungen haben. Und mit Rangnick eine mächtige Red-Bull-Fraktion (auch bei der Spielphilosophie) bilden könnten.
Dietmar Hamann hatte gesagt: "Mich würde es wundern, wenn Hoeneß nicht versucht, das richtigzustellen [...]. Wenn das nicht kommt, weiß ich nicht, wie es in dem Verein weitergehen soll." Die Antwort ist simpel: Mit Uli Hoeneß, als nach wie vor mächtigster Instanz ohne offiziell operativen Einfluss. Aber seine Kraft, die solle bloß niemand unterschätzen, oder gar vergessen.
Quelle: ntv.de