Rückkehr an den Ort der Schmach Wenn Carlo Ancelotti an Jena denkt
19.08.2016, 18:07 Uhr
Carlo Ancelotti könnte womöglich demnächst wärmere Erinnerungen an Jena haben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ein Fußballspiel in Jena? Der Italiener Carlo Ancelotti hat da keine guten Erinnerungen. Vor 36 Jahren ging er als Spieler von AS Rom im Europapokal an Ort und Stelle Baden. Nun kehrt er als Trainer des FC Bayern München im DFB-Pokal zurück .
Für Bayern München ist es eine lästige Pflichtaufgabe, für Carlo Ancelotti eine emotionale Reise in ein dunkles Kapitel seiner Vergangenheit: 1980 hatte der Italiener als Spieler des AS Rom bei Carl Zeiss Jena die schlimmste Niederlage seiner Karriere erlebt, nun kehrt er 36 Jahre später als Trainer des deutschen Fußball-Rekordmeister erstmals ins Ernst-Abbe-Sportfeld zurück.
"Das war damals nicht gut. Diese Niederlage ist unvergesslich. Wenn ich Jena höre, erinnere ich mich natürlich daran", sagte Ancelotti vor dem Erstrundenspiel im DFB-Pokal am Freitag (20.45 Uhr im n-tv.de-Ticker) beim jetzigen Regionalligisten und schmunzelte.
An jenem 1. Oktober 1980 war dem heute 57 Jahre alten Italiener aber ganz und gar nicht zum Grinsen zumute. Mit einem 3:0 aus dem Hinspiel war der AS Rom in der ersten Runde des Europapokals der Pokalsieger nach Ostthüringen gereist - und erlebte dort beim 0:4 ein historisches Debakel gegen das Team des damaligen Jena-Trainers Hans Meyer.
FC Bayern mit Personalproblemen
"Wir sind nicht arrogant aufgetreten. Wir waren einfach von der Intensität überrascht. Wir waren glücklich, wir hätten auch 0:10 verlieren können", meinte Ancelotti - und hofft, dass es am Freitag nicht wieder zu einem Eintrag in die Fußball-Geschichtsbücher kommt. "Ich freue mich nach 36 Jahren zurückzukehren und hoffe, dass es anders läuft", sagte er, warnte aber seine Stars gleichzeitig vor dem Tabellenführer der Regionalliga Nordost: "Es kann immer Überraschungen geben. Das ist in allen Ländern so. Die großen Klubs müssen immer aufpassen und fokussiert sein."
Das ist den Bayern seit der Blamage 1994 gegen Vestenbergsgreuth in der ersten Pokalrunde gut gelungen. Allerdings hat der dreimalige DDR-Meister Jena, dessen glanzvolle Zeiten längst vorbei sind, in den vergangenen Jahren im Pokal durch Siege gegen höherklassige Klubs wie Nürnberg, Stuttgart, Bielefeld und letztes Jahr den Hamburger SV aufhorchen lassen.
Eine Chance für Jena könnte sein, dass der Rekordmeister noch nicht im Rhythmus ist und zudem erhebliche Personalprobleme hat. Mit Arjen Robben, Kingsley Coman, Douglas Costa, Europameister Renato Sanches, Jérôme Boateng, Xabi Alonso, Holger Badstuber und Thiago fallen gleich sieben Stars aus.
Carl Zeiss Jena längst nicht mehr Weltspitze
Man habe immer noch "eine sehr gute Mannschaft", betonte Kapitän Philipp Lahm, "aber natürlich sind es wichtige, kreative Spieler. Uns fehlt natürlich in einer gewissen Weise Qualität beim Eins-gegen-eins".
Auch deshalb ist Jenas Trainer Mark Zimmermann bemüht, seinen Spielern den Respekt vor dem großen FC Bayern zu nehmen. "Wir dürfen keine Angst vor den Weltklasse-Spielern haben. Die Jungs sollen Vertrauen in sich haben", sagte er und ergänzte: "Es muss schon viel passieren, damit wir die Bayern schlagen. Aber wir wollen mutig sein." Immerhin sei es das "absolute Highlight".
Für einen Abend kehrt also der große Fußball nach Jena zurück. Ansonsten hat der triste Alltag das einstige Aushängeschild des DDR-Fußballs eingeholt. Die goldenen Zeiten mit Siegen gegen den AS Rom und dem anschließenden Einzug ins Finale des Europapokals 1981 (1:2 gegen Dinamo Tiflis) sind Vergangenheit. In Carlo Ancelotti kehrt ein Stück davon am Freitagabend aber zurück.
Quelle: ntv.de, Thomas Niklaus, sid