Ups, Rot für den Falschen! Wenn der Schiedsrichter Video schaut ...
26.06.2017, 10:01 Uhr
Ähmm .., was'n hier los?
(Foto: REUTERS)
Spielentscheidend ist die Szene nicht, gleichwohl ist nicht nur Kameruns Trainer verwirrt: Bei der Pleite gegen die DFB-Elf zeigt der Schiedsrichter einem Spieler erst Gelb, dann Rot - bis er merkt, dass er den Falschen erwischt hat.
Hugo Broos war nicht alleine. Den meisten der 30.230 Zuschauer wird es ähnlich wie ihm ergangen sein, was den Trainer der Fußball-Nationalelf Kameruns allerdings wenig tröstete. Aber eben nicht nur er wusste nicht, was am Sonntagabend nach einer guten Stunde im Olympiastadion Fisht zu Sotschi geschehen war: "Wir sind alle verwirrt. Fragen Sie mich nicht, was passiert ist. Ich habe keine Ahnung, ich habe es nicht verstanden." Schiedsrichter Wilmar Roldán aus Kolumbien jedenfalls habe "gar nichts erklärt".
Fest steht erst einmal, dass Deutschland im letzten Spiel der Gruppe A mit 3:1 (0:0) gegen den Afrikameister gewonnen hat und nun am Donnerstag (ab 20 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) gegen Mexiko um den Einzug ins Finale spielt, während Kamerun ausgeschieden ist. Fest steht auch, dass die DFB-Elf sich den Sieg nach der Pause redlich verdient hat. Ebenso unstrittig ist, dass dieser Erfolg dadurch erleichtert wurde, dass der Gegner ab der 64. Minute nach der Roten Karte gegen Kameruns Verteidiger Ernest Mabouka einen Spieler weniger auf dem Rasen hatte. Da stand es erst 1:0 für die DFB-Elf. Nur die Frage, wer jetzt wofür vom Platz musste, stürzte nicht nur Broos in Aporie.
"Wat is en Videobeweis?"
Auch auf den Rängen herrschte allgemeine Ratlosigkeit, das Spiel war unterbrochen und auf den beiden Leinwänden leuchte es Weiß auf Blau: "VAR. Incident under review." Hä? Deshalb erinnern wir uns flugs an die Feuerzangenbowle, diesen großartigen Film mit Heinz Rühmann, und zitieren etwas freier als erlaubt: "Wat is en Videobeweis? Da stelle mer uns ma janz dumm." VAR steht für Video Assistent Referee, also für Video-Schiedsrichterassistent. Der hat Zugriff auf alle Fernsehkameras und darf bei vier Situationen eingreifen: Tor, Elfmeter, Platzverweis sowie Spielerverwechslung. "Incident under review" bedeutet, dass er just einen Vorfall untersucht - wie am Sonntag in Sotschi.
Letztlich war es wohl so, dass der Schiedsrichter zwei Spieler verwechselt hatte. Nachdem besagter Mabouka den deutschen Mittelfeldspieler Emre Can vors Knie getreten hatte, entschied Roldán, während Can auf dem Rasen lag, auf Freistoß für die DFB-Elf - und zeigte fälschlicherweise Kameruns Mittelfeldspieler Sebastien Siani die Gelbe Karte. Dann hatte Roldán Kontakt zum Videokollegen, sah sich die Szene auf einem Bildschirm an der Seitenlinie noch einmal an - und zeigte Siani die Rote Karte, was allerdings immer noch falsch war, weil der mit dem Foul überhaupt nichts zu tun hatte.
Löw hält sich bedeckt
Kameruns Spieler protestierten, Siani klatschte hämisch Beifall, der Schiedsrichter ging noch einmal zum Bildschirm und sah: Ups, Mabouka hat ja das Foul begangen! Dann verwies er den richtigen Spieler des Feldes. Roldán hatte sich vertan. Ob das nun eine peinliche Schiedsrichterpanne war, darf jeder selbst entscheiden. Im Grunde ist aber nichts Schlimmes passiert, im Gegenteil: Der Videobeweis hat Siani davor bewahrt, zu Unrecht eine gelbe Karte zu sehen. Und sein Kollege Mabouka hat letztlich einen durchaus vertretbaren Platzverweis kassiert.
Bundestrainer Joachim Löw allerdings konstatierte hinterher, dass er kein "bösartiges Foul" gesehen habe. Er habe zudem in der Kabine kurz mit Can gesprochen: "Auch er hatte nicht das Gefühl, dass es eine Tätlichkeit war." Zum Videobeweis im Allgemeinen sagte er: "Man muss sich daran gewöhnen. In einigen Fällen hat er sich bewährt, vielleicht kann man das eine oder andere noch optimieren." Und Manager Oliver Bierhoff hatte prompt einen Vorschlag, wie es in Zukunft besser gehen könnte: "Im Moment rätselt man noch, wenn der Videobeweis zum Einsatz kommt. Ich bin ein Freund der Dinge, die beim American Football zu sehen sind. Da gibt es einen Schiedsrichter, der über ein Mikrofon redet und erklärt. Beim Fußball gibt es in der Kommunikation noch Möglichkeiten der Verbesserung."
Grundsätzlich ist Bierhoff jedoch mit dem Videobeweis einverstanden: "Bei wichtigen Entscheidungen wie Toren, Elfmetern oder Roten Karten ist es eine Beruhigung, so etwas zu haben." Ob Hugo Broos das auch so sieht, ist nicht überliefert. Er sagte nur: "Ich habe es nicht verstanden, und ich verstehe es immer noch nicht."
Quelle: ntv.de