Trump außer Kontrolle Wer die Klub-WM jetzt nicht boykottiert, hat den Verstand verloren
01.03.2025, 07:02 Uhr
Gute Freunde kann niemand trennen.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Donald Trump ist völlig unberechenbar und setzt bei seinen absurden Androhungen und Taten immer noch einen drauf. In diesem Sommer findet die Klub-WM in den USA statt. Doch niemand, der noch bei Sinnen ist, kann guten Gewissens an ihr teilnehmen.
Nach dem auf schockierende Weise historischen Tag im Weißen Haus stehen große Teile der westlichen Welt fassungslos da. Der unberechenbare US-Präsident eskaliert im Gespräch mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj und stellt seinen Gast bloß. Vor laufenden Kameras schreit Trump Selenskyj sogar an. Das hat es noch nicht gegeben. Politisch ringt vor allem Europa um klare Antworten und stellt sich wortreich an die Seite der Ukraine, die den Verteidigungskampf gegen Russland immer verzweifelter führt. Und die USA? Die sind unter Trump in rasendem Tempo zu einem Ungetüm geworden, das die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt.
Wer möchte diesem großen Ungetüm, das ja nicht nur aus Trump besteht, sondern auch aus dem Kettensägen schwingenden Elon Musk, aus Impfgegnern und Klimawandelleugnern, noch den Steigbügel für ihr aberwitziges Treiben hinhalten? Eine entscheidende Rolle kommt in den nächsten Jahren dem Sport zu. Die USA haben das Mega-Jahrzehnt ausgerufen. Ausgerechnet Trump bekommt sportlich zweimal die größte Bühne der Welt: die Fußball-WM im kommenden Jahr, die gemeinsam mit Kanada und Mexiko ausgerichtet wird, die Trump ja seit Wochen mit Androhungen traktiert, und die Olympischen Spiele 2028. Zuvor steht noch die Klub-WM an, das Prestigeprojekt der FIFA. Mit Blick auf die Möglichkeiten zur Inszenierung muss einem angst und bange werden.
Ein Vorgeschmack beim Eishockey-Turnier
Wie sehr Trump den Sport für sich nutzt, hat er erst vor wenigen Tagen bewiesen. Das große Eishockey-Duell zwischen den USA und Kanada hatte er zu einer Shitshow voller Provokationen genutzt. Er hatte Kanada als 51. Staat der USA bezeichnet und Premierminister Justin Trudeau zum Gouverneur verzwergt. Und das alles im Sog seiner Ankündigung, den nördlichen Nachbarn mit riesigen Strafzöllen zu überziehen. Zweimal spielten die beiden großen Rivalen gegeneinander. Die US-Hymne wurde ausgebuht, beim ersten Spiel hämmerten sich die Stars die Fäuste ins Gesicht. Das ganze Spiel, das ganze Turnier war plötzlich immens aufgeladen.
Man muss sich mal vorstellen, was los wäre, wenn ein deutscher Bundeskanzler so etwas schreiben würde. Wenn er vor einem emotionalen Fußballspiel etwa einen Nachbarn so brüskieren, Annexionsfantasien in die Welt hinausblasen würde. Bei der Vorgeschichte der Bundesrepublik wäre so jemand sofort untragbar. Und wie groß war die Empörung, als die Fußball-WM nach Katar gegeben wurde? Oder wie groß ist die Aufregung über Saudi-Arabien, das sich mit aberwitzigen Summen einen Weltmachtstatus im Sport erkauft?
Und nun? Wie reagiert der Sport auf den völlig außer Kontrolle geratenen, mächtigsten Mann der Welt, der ja unter anderem auch Transgender-Athletinnen aus dem Frauensport verbannen will. Ein Radikaler auf allen Ebenen. Niemand kann in diesem Sommer guten Gewissens in die USA reisen und an der Klub-WM teilnehmen, mit der sich FIFA-Boss Gianni Infantino, ein enger Freund von Trump, ein Denkmal bauen will. Dieses Turnier wird eine gigantische Inszenierung, die Trump für sich gnadenlos ausschlachten wird. Wenn sich der Fokus der Welt auf die Spiele der großen Mannschaften richtet, auf Manchester City, PSG, Real und Atlético Madrid, auf den FC Bayern und den BVB, dann werden Trump und Infantino da sein, den Glanz der Giganten für sich nutzen.
Demokratie verteidigen? Dann jetzt!
Das kann und darf nicht im Interesse der Vereine sein. Und auch nicht im Interesse der Länder, aus denen sie kommen. Frankreich und Großbritannien haben jüngst vorsichtig diplomatische Pfade eingeschlagen, um Trump nach seinen Ukraine-Tiraden ("Selenskyj ist ein Diktator") ein bisschen einzufangen. Wie fragil das alles ist, hat der US-Präsident an diesem denkwürdigen Freitag mit schockierender Kraft gezeigt. Was also tun? Ein Entzug der Klub-WM? Undenkbar, dafür ist Infantino die Moral zu egal, die Nähe zu Trump zu wichtig. Er war bei der Amtseinführung des US-Präsidenten im Januar vor Ort. Ein Boykott also? Ja, ein Boykott! Auch wenn Trump das vermutlich einen feuchten Dreck interessieren wird, anders als seinen Freund Infantino.
Wohl selten war es einfacher, sich gegen ein Turnier zu stellen, das ohnehin kaum ein Fußballer will. Wegen der überdimensionalen Strapazen. Ja, es geht natürlich um viel Geld. Und gerade die beiden deutschen Vertreter können es mehr gebrauchen, als etwa die durch Investoren-Milliarden den Emiraten gepimpten Großklubs Man City oder PSG.
Aber für den FC Bayern und den BVB bietet sich mit einem klaren Statement die große Chance, Dinge wieder ein wenig zurechtzurücken, die in den vergangenen Jahren in Schieflage geraten waren. Gerade die Münchner hatten und haben mit Qatar Airways und Visit Ruanda mehr als fragwürdige Partner, mit denen sie große Deals eingegangen sind. Der BVB hat sich mit Rheinmetall ins Bett gelegt, was den eigenen Anhang auf wütendste Weise empörte. Die Versuche von Klub-Boss Aki Watzke, den Deal zu rechtfertigen, gerieten schräg und waren wenig überzeugend. "Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie", sagte er damals. Deshalb halte man es für "die richtige Entscheidung", sich "sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen".
Nun ist die Demokratie tatsächlich gefährdet. Vor allem in den USA, wo Trump eine unerträgliche Täter-Opfer-Umkehr von Selenskyj und Kriegsaggressor Wladimir Putin vornimmt. Wer die Demokratie schützen will, macht sich unglaubwürdig, wenn er in diesem Sommer in die USA reist. Wenn er Trump damit den Steigbügel hält.
Quelle: ntv.de