Trainer-Ikone Schröder im Interview "Wer unter mir Präsident ist, ist mir egal"
16.05.2016, 10:40 Uhr
Mit kurzer Unterbrechung trainiert Bernd Schröder seit 1971 den Rekordmeister aus Potsdam.
(Foto: dpa)
Nach 45 Jahren trennt sich Trainer-Legende Bernd Schröder von Turbine Potsdam. Im Interview redet der 73-Jährige über den radikalen Schnitt, die Langzeit-Liebesbeziehung zum Verein und verrät außerdem, was er von Pep Guardiola hält.
Herr Schröder, bald ist Ihre Zeit bei Turbine Potsdam nach 45 Jahren vorbei. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in das letzte Spiel am Pfingstmontag in Bremen?
Bernd Schröder (Trainer Turbine Potsdam): Wir hatten beim letzten Heimspiel schon eine große Veranstaltung. Das war schon sehr emotional. Jetzt kommt das letzte Auswärtsspiel - aber ich sage immer: Ich hatte 45 Jahre lang Zeit, mich auf diesen Moment vorzubereiten. In Bremen werden nicht so viele Menschen sein, da ist es dann auch ein wenig einfacher für mich.
Da schwingt auch Wehmut mit?
Ich bin da ein bisschen anders gestrickt. Ich bin Realist, denke rational. Wehmut ist übertrieben, aber es ist eine besondere Situation. Eine so lange Zeit beendet man nicht einfach mit einem Punkt.

Schröder führte Potsdam unter anderem zum Champions-League-Titel: Nur einer von vielen Triumphen des Meistertrainers.
(Foto: dpa)
Wieso ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Sie, zu gehen?
Die Verbindung von mir und Turbine war wie in Stein gemeißelt. Wenn man so lange dabei ist, bildet sich ein Bestandsschutz. Es galt, neue Strukturen zu bilden, die man nach meiner Zeit weiterführen kann. Das war ein Prozess über zwei Jahre.
So eine Entwicklung geht selten reibungslos vonstatten.
Der Verein musste anders aufgestellt werden, mein Nachfolger musste ausgewählt werden. Das geht nicht abrupt. Wenn sie beim Auto den Treibstoff wechseln, bleibt der Motor stehen. Und durch diese Umstellungen sind wir in letzter Zeit auch an Titeln vorbeimarschiert.
45 Jahre lang haben Sie diesen Verein geprägt - was braucht es menschlich, damit so etwas gelingt?
Entscheidend ist, dass man gewisse Grundtugenden verkörpert: Verantwortungsbewusstsein, Disziplin, Zuverlässigkeit, Solidarität. Ich hatte zum Beispiel nie einen Vertrag mit dem Verein. Es gab vor 45 Jahren einen Handschlag, der besagte: keinen Pfennig Geld, 24 Stunden am Tag zuständig. Und man muss authentisch sein. Die Leute müssen sich wiederfinden. Da braucht es klare Worte, ohne Umschweife und Oberflächlichkeiten.
Jetzt sagen Sie ganz klar: Ich werde nicht mehr für den Verein arbeiten und auch erst mal nicht mehr ins Stadion kommen - warum dieser harte Schnitt?
Ich war jemand, der absolut das Sagen hatte. Es gab immer den spaßigen Spruch: Wer unter mir Präsident ist, ist mir egal. Wenn man 45 Jahre lang das Sagen hatte, und dann steckt man zweimal pro Woche als Berater den Kopf zur Tür rein - das kann nicht funktionieren. So etwas kann ich nicht akzeptieren, ich muss die volle Verantwortung tragen. Ich habe so viele Einladungen, von der Hertha, von den Füchsen Berlin und den ganzen Vereinen, da wird mir nicht langweilig. Und was soll ich im Stadion? Wenn etwas passiert, dann will einen jeder anquatschen.
Sie sind eben das Gesicht des Vereins...
Ja, es ist schon eine einmalige Situation. Und wenn ich dann Pep Guardiola höre. Der hat drei Jahre beim FC Bayern gearbeitet und sagt dann: Ich habe mein Leben für den Verein gegeben. Ja, für die vielen Millionen im Jahr kann ich das auch machen. Das ist der größte Quatsch, den ich je gehört habe.
Wie wird der Verein ohne sie zurechtkommen?
Wenn alles gut geht, werden wir diese Saison Sechster. Das ist dann die schlechteste Endplatzierung seit 20 Jahren. Abwärts kann es also schon mal kaum gehen. Alles andere ist geregelt, mit den Verträgen und Neuverpflichtungen, die Mannschaft ist stabil. In zwei bis drei Jahren können wir wieder um Titel mitspielen, wie es der Anspruch hier ist. Leicester City hat gerade in England gezeigt, was möglich ist. Wir haben es bei unseren Erfolgen auch bewiesen: Wir haben nie die beste Mannschaft gehabt, aber die Mannschaft mit dem besten Charakter.
Und wie werden Sie ohne den Frauenfußball zurechtkommen?
Ich werde zum Beispiel für ein Magazin monatlich Interviews mit Persönlichkeiten aus Brandenburg führen. Außerdem haben sich in den 45 Jahren so viele Geschichten angesammelt, die aufgeschrieben werden sollen. Ich will keinesfalls eine Autobiografie schreiben, aber diese Erinnerungen sind einmalig.
Was werden Sie am meisten vermissen?
Die Fans, weil das ehrliche Leute sind. Die haben mich im Büro besucht, mir Briefe geschrieben, Kuchen gebacken, Pralinen gebracht. Das sind Menschen, die Halt gesucht haben beim Verein und eine Person gebraucht haben, die mit ihnen spricht. Gespräche mit einfachen Menschen und die Dankbarkeit, die man erlebt - das wird mir fehlen.
Quelle: ntv.de, Jana Lange, sid