"Äußerst verantwortungslos" Werder lässt Nationalspieler zu Hause
05.11.2020, 10:56 Uhr
Muss diesmal in Bremen bleiben: Werder-Spieler Yuya Osako.
(Foto: imago images/Nordphoto)
Fußball-Bundesligist Werder Bremen weigert sich erneut, Nationalspieler für die kommenden Länderspiele abzustellen. Fifa-Regeln brechen die Hanseaten dabei nicht, wegen der Verordnungen des Bremer Gesundheitsamts. Weitere Klubs könnten dem Bremer Vorbild folgen, um keinen Topspieler zu verlieren.
Fußball-Bundesligist Werder Bremen wird seine Nationalspieler für die kommenden Länderspiele im Ausland nicht abstellen. Das teilten die Bremer nun mit. Das Bremer Gesundheitsamt schreibt eine Quarantäne von fünf Tagen nach einer Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet vor. Einzig der tschechische Torhüter Jiri Pavlenka könnte somit zur Partie gegen Deutschland am Mittwoch in Leipzig reisen.
"Wir haben mit unseren Spielern und den Verbänden gesprochen", sagte Bremens Geschäftsführer Frank Baumann. "Wir wissen, dass die Spieler gerne zu ihren Teams reisen würden, allerdings können wir das Risiko vor dem Hintergrund der Gesamtsituation dieses Mal nicht eingehen." Nach der vergangenen Länderspielpause hatten bereits zahlreiche Bundesligisten Kritik geübt. So musste unter anderem die TSG Hoffenheim nach der Abstellungsperiode im Oktober für längere Zeit auf den mit dem Coronavirus infizierten Torjäger Andrej Kramaric verzichten.
Die Bremer verstoßen damit gegen keine Regeln: Die Fifa hatte im Oktober die Regeln zur Abstellungspflicht bis zum Jahresende geändert. Demnach müssen Klubs ihre Nationalspieler nicht abstellen, wenn am Ort des Vereins oder am Ort des Länderspiels "eine zwingende Quarantäne oder Selbstisolation von mindestens fünf Tagen" einzuhalten ist oder "eine Reisebeschränkung" für eine dieser Städte besteht. Auf diese vorsorgliche Isolation besteht aber das Bremer Gesundheitsamt. Wenn die örtlichen Behörden den jeweiligen Nationalmannschaften für diese Fälle eine "spezifische Ausnahmebewilligung" ausgestellt haben, müssen die Vereine ihre Nationalspieler hingegen weiter abstellen.
Folgen andere Klubs Werders Vorbild?
Ruft Werders Entscheidung diesmal Nachahmer auf den Plan? Der VfB Stuttgart erklärte, seinen Spielern in der bevorstehenden Bundesliga-Pause trotz der derzeitigen Pandemielage die Reise zu ihren jeweiligen Nationalteams ermöglichen zu wollen. "Wenn sie danach fünf bis 14 Tage in Quarantäne müssen und für unser nächstes Punktspiel gesperrt sind, geht das natürlich nicht", sagte Trainer Pellegrino Matarazzo. "Deshalb gilt es, eine gute Kommunikation mit den Gesundheitsämtern herzustellen. Wir sind mit allen in Kontakt." Er gehe davon aus, dass die Spieler reisen könnten. "Soweit ich weiß, gibt es nur noch einen oder zwei, bei denen wir grünes Licht brauchen."
Trainer Kenan Kocak von Hannover 96 hat derweil mit deutlichen Worten die Länderspiel-Abstellungen von Fußball-Profis kritisiert. "Das finde ich äußerst verantwortungslos und passt nicht in diese Zeit", sagte der 39-Jährige am Donnerstag bei einer Pressekonferenz seines Klubs. "Es gibt Unternehmen, die um ihre Existenz kämpfen und daran vielleicht auch scheitern. Und auf der anderen Seite sagen wir unseren Fußballern: Ihr könnt durch Europa reisen und ein Freundschaftsspiel spielen, das mehr oder weniger niemanden interessiert."
"Mulmiges Gefühl"
Während der Corona-Pandemie hatten die Vereine immer wieder gebangt, wenn sie ihre Top-Spieler zu den jeweiligen Nationalmannschaften schickten. Die Bosse hofften, dass die Stars wie Robert Lewandowski, Erling Haaland oder Manuel Neuer trotz ihrer Reisen in die weite Welt gesund zurückkommen - und planmäßig wieder eingesetzt werden können. Die TSG Hoffenheim musste schmerzlich erfahren, was bei so einer Reise schiefgehen kann: Top-Stürmer Kramaric infizierte sich mit dem Coronavirus, fiel seitdem aus, und die Sinsheimer konnten in der Bundesliga kein einziges Spiel mehr gewinnen.
"Wir haben eine Zeit, die kompliziert ist. Ich habe dabei ein mulmiges Gefühl", sagte Sportdirektor Max Eberl von Borussia Mönchengladbach im Oktober mit Blick auf die rund 150 abgestellten Bundesligaprofis bei der vergangenen Nationalmannschaftspause. Werder Bremen hatte schon damals keine Nationalspieler bis auf Yuya Osako zum Nationalteam gelassen. Gut möglich, dass andere Vereine diesem Vorbild nun folgen.
Quelle: ntv.de, dbe/sid