Halbfinale im DFB-Pokal Werder muss Thurk schlagen
23.03.2010, 15:16 UhrDas Halbfinale wird zum Endspiel um Europa: Wenn sich Titelverteidiger Werder Bremen und Zweitligist FC Augsburg ab 20.30 Uhr in der Vorschlussrunde des DFB-Pokals gegenüberstehen, geht es für beide Vereine um mehr als eine Reise nach Berlin. Die künftigen Ziele könnten für den Gewinner auch Liverpool, Sevilla oder Turin heißen. Für Augsburgs Torjäger Michael Thurk ist aber schon das Halbfinale die große Bühne, auf der er viel zu selten tanzen durfte.
Im Alter hat Michael Thurk etwas an Torgefahr gewonnen und viel an Milde. Als Thomas Gerstner vor wenigen Wochen über den Angreifer vom FC Augsburg sagte, der müsste "normalerweise mit zur WM fahren", winkte Thurk ab. Im Juni habe er schon Urlaub gebucht. Die Bescheidenheit wurzelt nicht darin, dass Gerstner nach seinem Rauswurf als Trainer von Arminia Bielefeld weit von der Übernahme des Bundestrainerpostens entfernt ist. Thurk weiß ganz einfach, dass er mit inzwischen 33 Jahren nicht mehr im Nationalteam debütieren wird, auch wenn er in dieser Spielzeit zu seinen 21 Saisontoren noch 100 weitere schießt.
Vor vier Jahren sah Thurk das noch anders. Als er nach einer starken Rückrunde beim FSV Mainz schon einmal als Kandidat für die Nationalmannschaft gehandelt wurde, sprach ihm sein damaliger Trainer Jürgen Klopp die nötige Qualität öffentlich ab. Das nahm der so verkannte Thurk seinem Coach derart übel, dass er am Saisonende seinen Hut nahm und zu Eintracht Frankfurt wechselte. Weil er dort nicht glücklich wurde, stürmt er seit 2008 für den FC Augsburg in der 2. Bundesliga – und lässt dort mit der besten Trefferquote seiner Karriere Träume vom ersten Aufstieg reifen.
Sonnenbaden im Rampenlicht
Vor dem Endspurt in der zweiten Liga steht für die Augsburger erstmal das erste Pokal-Halbfinale der Vereinsgeschichte an. Weil unterklassige Vereine im Pokal unsinnigerweise nicht automatisch Heimrecht haben, muss der einzig verbliebene Zweitligist im Halbfinale heute ab 20.30 Uhr auswärts bei Werder Bremen antreten. Verderben lässt sich das Team von Coach Jos Luhukay, der abseits des Rasens gemeinsam mit Geschäftsführer Andreas Rettig als Garant des Aufschwungs gilt, das Sonnenbad im Rampenlicht vom Lospech nicht.

FCA-Coach Jos Luhukay lenkt, Vereinsboss Walther Seinsch sorgt für finanzielle Sicherheit.
(Foto: dpa)
Das Halbfinale, zu dem die Schwaben schon am Sonntag anreisten, ist wie eine Belohnung für die starke Saison. "Es wird für uns alle, für die ganze Stadt, für die Region ein unglaubliches Gefühl sein", freut sich Erfolgscoach Jos Luhukay. Kapitän Uwe Möhrle pflichtet ihm bei: "Für uns ist es das Highlight der Saison. Wir haben gar nichts zu verlieren - und darin liegt unsere Chance." Auch Michael Thurk, der rechtzeitig vor dem Pokal-Halbfinale seine Torflaute von drei Spielen ohne Treffer beendet hat und nun 21 Tore in 25 Saisonspielen vorweisen kann, gibt sich kämpferisch: "Wir wissen, was wir können, aber auch, was für ein Kaliber wir vor der Brust haben. Wir brauchen einen Tag, an dem uns alles gelingt."
Finalteilnahme für Allofs Pflicht
Wenn in Bremen alles gelingt, würden die Augsburger nachweisen, dass sie den Titel Pokalschreck zu Recht tragen. Zwar wäre Werder nach den Erfolgen gegen den SC Freiburg (1:0) und den 1. FC Köln (2:0) bereits der dritte Erstligist, den sie aus dem Wettbewerb werfen würden. Der Titelverteidiger aus Bremen wäre jedoch das erste Opfer mit echter Qualität, der Sieg in Bremen, wo Werder im Pokal seit 22 Jahren unbesiegt ist, mehr als eine Überraschung.
Aus Bremer Sicht ist die Marschroute für das 20. Pokal-Halbfinale klar. Die erneute Finalteilnahme ist keine theoretische Möglichkeit, sie ist Pflicht. "Dass wir uns fürs Endspiel qualifizieren, das erwarte ich", betont Werder-Clubchef Klaus Allofs. Weil sich im zweiten Halbfinale am Mittwoch mit Schalke und Bayern das Spitzenduo aus Liga eins gegenübersteht, spielt der Sieger in Bremen im nächsten Jahr fast sicher international. Doch Allofs warnt natürlich auch davor, den Zweitligisten zu unterschätzen - indem er den Aufstieg der Gäste einfach vorwegnimmt: "Wir haben den Druck des Favoriten. Das wird kein leichtes Ding. Das ist eine Mannschaft, die jetzt noch in der 2. Liga spielt, aber demnächst mit uns einer Liga ist."
Bremen gegen Bremen II
Die Fans dürfen auf ein torreiches Spiel hoffen. Nach dem 4:4 in der Europa League gegen Valencia und dem 3:2 in der Bundesliga gegen den VfL Bochum sagt Stürmer Claudio Pizarro zwar: "Ich hoffe, dass wir mal kein Tor kriegen und gewinnen - einfach so." Mit dem FC Augsburg kommt jedoch keine Truppe voller Mauerkünstler ins Weserstadion, sondern das Werder Bremen der 2. Liga. Die Augsburger spielen den attraktivsten Angriffsfußball im Unterhaus, verlieren sich aber bisweilen im Spielrausch und dann jede taktische Ordnung. Das kennt man in Bremen.
Beim Gastspiel an der Weser wollen sich die Augsburger vor allem gut präsentieren, sagt Trainer Jos Luhukay: "Das Pokal-Finale ist unser Traum. Aber für die Zukunft und die Entwicklung des Vereins wäre der Aufstieg noch wichtiger." Für die Bremer bietet der Cup-Wettbewerb wieder einmal die Chance, dem bislang enttäuschenden Abschneiden im Liga-Alltag zu trotzen. Mesut Özil fasst die emotionale Ausgangslage wie folgt zusammen: "In der Europa League sind wir rausgeflogen, die Meisterschaft ist verpatzt, unsere letzte Chance ist der DFB-Pokal." Im Vorjahr erzielte er im Pokal-Endspiel gegen Bayer Leverkusen das Siegtor, er weiß: "Wenn du wieder den Pott nach Bremen holst, ist wieder alles gut." Er weiß aber auch: Wenn es mit der Finalteilnahme nicht klappt, dann hatte Michael Thurk wahrscheinlich einen guten Tag. Mal wieder.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Werder Bremen: Wiese - Fritz, Mertesacker, Naldo, Pasanen (Boenisch) - Frings, Bargfrede - Marin, Özil, Hunt - Pizarro
FC Augsburg: Jentzsch - Reinhardt, de Roeck, Möhrle, El-Akchaoui - Hegeler, Brinkmann - Ndjeng, Traoré - Rafael, Thurk
Schiedsrichter: Gräfe (Berlin)
Quelle: ntv.de, mit dpa und sid