Auf dem Weg zum zweiten Triple Wie Flick die Bayern fast perfekt machte
19.08.2020, 19:17 Uhr
		                      Voller Fokus.
(Foto: Peter Schatz / Pool)
Deutscher Meister ist er schon, Pokalsieger auch, nun winkt dem FC Bayern auch noch die Krone in Europa. Und dass die Münchner der absolute Top-Favorit auf den Titel in der Champions League sind, liegt vor allem an der bemerkenswerten Arbeit eines Mannes.
Mehr Vernichtung und Bewunderung in einem einzigen Spiel gehen nicht. Während der FC Barcelona nach der Demütigung im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Bayern (2:8) am Freitagabend in Lissabon in den heimischen Medien heftig verspottet wird, ringen dieselben Medien um den richtigen Superlativ für die Münchner. Dieses Duell, das bereits jetzt als Jahrhundertspiel eingeordnet wird, war in seiner Wucht überraschend, in seiner Folgerichtigkeit allerdings auch absolut vorhersehbar. Und das hängt fast einzig und allein mit einem Mann zusammen: mit Hansi Flick, dem Trainer.
Was der 55-Jährige in den vergangenen knapp zehn Monaten aus dem völlig verunsicherten Team des Rekordmeisters gemacht hat, ist eine der bemerkenswertesten Leistungen der jüngeren Geschichte im deutschen Fußball. Er transformierte eine Mannschaft ohne erkennbaren Plan, eine, die mehr mit sich und ihrem Fremdeln gegenüber Ex-Coach Niko Kovac beschäftigt war, eine, die nichts mehr vom klubimmanenten "Mia san mia" ausstrahlte, in eine Dominanz- und Powermaschine. Eine, die weder in der Bundesliga noch in Europa einen Gegner findet, der ihr gewachsen ist.
Flick findet die Perfektion
Wie genau das gelungen ist, das können sie in München wohl selbst nur sehr schwer in Worte fassen. Die Art, mit der Flick das Ensemble führt, ist eine für Außenstehende kaum greifbare, aber perfekte Mischung zwischen Autorität und Zuspruch. Gepaart mit einer erstaunlichen Dynamik und einer mutigen Spielidee. Flick führt das Ensemble wie vor ihm nur Ottmar Hitzfeld oder Jupp Heynckes, die großen Spielerflüsterer.
Was für den aktuellen Erfolg aber noch wichtig ist: Neben der mutigen Spielweise traf Flick auch mutige Personalentscheidungen. Die längst zum Karriereende geschriebenen Thomas Müller, der die vielleicht stärkste Rückrunde seiner Laufbahn spielte, und Jérôme Boateng machte er wieder zu unumstrittenen Stammkräften. Um den überragenden Müller ist sogar die unselige DFB-Debatte wieder in vollem Gange.
Boateng und Müller sind nur die herausragendsten Personalien in dieser Erfolgsgeschichte. Denn auch das stabile Spiel vom bisweilen fahrigen Thiago darf Flick für sich verbuchen oder aber die Unverzichtbarkeit von Leon Goretzka als Verdichter im Zentrum. Und dass David Alaba vom Linksverteidiger zu einem der besten Abwehrchefs im Weltfußball aufgestiegen ist, auch das geht auf das Erfolgskonto von Flick.
Für der Wackelabwehr zum Fundament
Das Team trägt auf allen Positionen das maximale Selbstvertrauen vor sich her - ein Kalenderjahr ohne Niederlage und nur einen einzigen Punktverlust (in der Liga gegen RB Leipzig) hat den Glauben an die eigene Stärke unerschütterlich gemacht. Nur zur Erinnerung: Es ist die identische Mannschaft, die im November 2019 noch völlig neben sich stand. Die in der Defensive wankte und fiel. Die nun als Fundament für ihre Wucht, für ihr hochaggressives Pressing eben jede Defensive besitzt.
Der FC Bayern lässt sich durch nichts und niemanden aufhalten. Weder durch die Corona-Zwangspause, die das Team sogar eher noch fokussierter und kraftvoller gemacht hat, noch durch irgendwelche Gegner. Wenn schon eine Mannschaft aus Barcelona (okay, sie ist längst nicht mehr das, was sie einmal war) völlig überfordert wird, dann dürfte Olympique Lyon, Gegner nun im Halbfinale, wohl auch nur sehr geringe Hoffnungen auf den großen Coup haben. Selbst wenn gegen Juventus Turin und gegen Manchester City zwei sehr bemerkenswerte Überraschungen gelungen waren.
Von Gerland bis Krüger
Flick übrigens mag sich den Erfolg nicht alleine zuschreiben lassen. Stets betont er, wie wichtig das Team um ihn herum ist. Da ist zum Beispiel Hermann Gerland, der väterliche Co-Trainer, der den Erfolg des Klubs seit Jahren in verschiedenen Konstellationen absichert. Da ist Fitnesscoach Holger Broich, dem die aktuelle Power der Fußballer zugeordnet wird. Da ist auch Kathleen Krüger, die sich als Teammanagerin um alle Belange außerhalb der sportlichen Verantwortung kümmert. Und da ist Hasan Salihamidzic, der sich in den vergangenen Jahren immer mehr profiliert hat und als Sportvorstand längst nicht mehr belächelt wird.
Der FC Bayern hat sich intern so stabil aufgestellt, dass sich die Mannschaft selbst von der unklaren Zukunft der Leistungsträger Alaba und Thiago oder aber dem überraschenden Getöse von Patron Uli Hoeneß gegen den Dauerrivalen Borussia Dortmund aus der Konzentration bringen lässt. Selbst auf die Demütigung des FC Barcelona folgte keine Feier. Voller Fokus auf das große Ziel: das zweite Triple der Vereinsgeschichte. Zweite (französische) Schritte sind noch zu gehen: Erst Lyon, dann Paris.
Quelle: ntv.de