Fußball

Die Highspeed-Karriere stagniert Wie lange sollen wir noch warten, Kylian Mbappé?

Ist von "GOAT" noch sehr weit weg: Kylian Mbappé.

Ist von "GOAT" noch sehr weit weg: Kylian Mbappé.

(Foto: IMAGO/ANP)

PSG-Weltstar Kylian Mbappé spielt seit Jahren überragend gut Fußball. Doch Titel gewinnen immer die anderen. Wann steht die 2018 so verheißungsvoll gestartete Zukunft des Fußballs endlich ganz oben? Das entscheidet womöglich der kommende Sommer.

Im Spiel zwischen Frankreich und Argentinien läuft die elfte Minute. Kylian Mbappé tritt in der eigenen Hälfte zu einem mittlerweile ikonisch gewordenen Sprint an. In einem monströsen Tempo überquert er das Feld, ist innerhalb von sechs Sekunden im argentinischen Strafraum und wird gefoult. Im selben Tempo, längst sind sich alle Experten einig, soll dieser Teenager in den kommenden Jahren den Weltfußball überrollen. In Mbappé sehen einige den Erben Ronaldos (also des Brasilianers), einige den Erben Thierry Henrys und alle den kommenden Weltfußballer.

Den wilden Schlagabtausch im Sommer 2018 gegen Argentinien gewinnt die französische Elf mit 4:3. Es folgen ungefährdete Siege über Uruguay, Belgien und Kroatien. Mbappé trifft im Finale. Weltmeister mit 19. Es wirkt wie ein Versprechen. Wie eine Warnung: "Passt mal auf, Freunde, ich fange gerade erst an."

Das ist fünfeinhalb Jahre her. In diesen fünfeinhalb Jahren fällt Mbappés Bilanz zur Eroberung des Weltfußballs ernüchternd aus:

  • Der Henkelpott der Champions League geht mal nach London, mal nach Manchester, häufiger nach Madrid, aber nie nach Paris. Nah dran ist PSG nur einmal, unter Thomas Tuchel im Corona-Jahr 2020, als die Bayern im Finale über die französische Weltauswahl triumphieren.

  • Europameister 2021 wird Italien. Frankreich gibt vollkommen unnötigerweise ein Spiel gegen die Schweiz aus der Hand und fliegt im Achtelfinale nach Elfmeterschießen raus.

  • Bei der Weltmeisterschaft 2022 gibt es im Finale erneut einen wilden Schlagabtausch gegen Argentinien. Kylian Mbappé trifft dreimal. Doch es nützt alles nichts, diesmal haben die Argentinier das bessere Ende für sich, gewinnen nach Elfmeterschießen.

  • Individuelle Titel gewinnen seitdem Luka Modrić, Karim Benzema (beide Ballon d'Or), Robert Lewandowski, Jorginho und Virgil van Dijk (Europas Fußballer des Jahres). Und natürlich immer wieder Lionel Messi.

Nun sind die Gewinner ausnahmslos in ihren (späten) 30ern und die argentinische Sagengestalt Leo Messi hat sich 2023 endgültig aus Europa verabschiedet. Doch längst hat Kylian Mbappé neue Konkurrenz bekommen. Von Ex-Dortmunder Jude Bellingham etwa, der in gruseliger Regelmäßigkeit die Massen in Madrid verzückt, sowie dessen königlicher Teamkollege Vinicius Junior, der jüngst im spanischen Supercup-Finale mit einem Hattrick den FC Barcelona allein zerlegte. Der TGV droht, überholt zu werden.

Viele Scorer liefern andere auch

In einem Fall wurde er das vielleicht sogar schon. Eine Woche vor dem WM-Finale 2018 trifft Molde FK im Aker Stadion auf Valerenga Fotball Elite. 7000 Zuschauer sehen einen ungefährdeten 5:1-Sieg der Hausherren. Mann des Spiels ist mit zwei Toren und einem Assist der 18 Jahre alte Erling Haaland. 2019 wechselt der Hüne mit dem feinen Fuß nach Salzburg und hört seitdem einfach nicht mehr auf, Tore zu schießen. Im vergangenen Jahr gewinnt er mit Manchester City von Champions League bis Tippkick-Runde so ziemlich jeden Titel, bricht darüber hinaus den Torrekord der Premier League. Als am Montagabend Leo Messi den FIFA "The Best"-Award gewinnt, herrscht im Saal betretene Stille. Alle hatten mit Haaland als Sieger gerechnet. Über Mbappé spricht niemand.

Nun liegt die individuelle Titellosigkeit nicht ausschließlich an Mbappés sportlichen Leistungen. Zweifelsfrei ist der französische Stürmer seit 2018 konstant einer der besten Spieler der Welt. In der aktuellen Saison ist er allein in 17 Ligaspielen an 20 Toren beteiligt. Aber viele Scorerpunkte liefern Harry Kane oder besagter Erling Haaland eben auch. Mbappé hat seinen Konkurrenten gegenüber zwei entscheidende Nachteile. Zum einen erbringt er seine zweifelsohne beachtlichen Leistungen auf der kleinsten Bühne. Was in der Ligue 1 passiert, bekommt international kaum jemand mit, wobei auch die Bundesliga im Schatten der Premier League um Aufmerksamkeit ringt. So reduzieren sich Mbappés Momente im Schaufenster der Welt auf ein paar Spiele in der Königsklasse sowie die Auftritte in der Nationalmannschaft.

Neymar lässt grüßen

Der vielleicht sogar noch entscheidendere Nachteil: Ihm fehlt das Narrativ, die spannende Erzählung, die individuelle Auszeichnungen oft begleitet. Er hat seit dem WM-Titel 2018 keine neue Liga erobert, keinem Team zu neuem Glanz verholfen oder einen Uralt-Rekord gebrochen. Kylian Mbappé spielt seit Jahren bei PSG, scheitert zuverlässig am Gewinn der Champions League, wird mal Meister und mal nicht. Dazu werden die sportlichen Schlagzeilen häufig überlagert vom seit Jahren andauernden Wechseltheater. Das fasziniert niemanden, das nervt.

Mit jetzt 25 Jahren wird der nächste Sommer womöglich der entscheidende in Mbappés Karriere, und das nicht aufgrund der EM in Deutschland. Verlängert er seinen Vertrag bei PSG, wird er seine besten Fußballer-Jahre weiterhin in der französischen Hauptstadt verbringen. Mit allen Konsequenzen bezüglich internationaler Aufmerksamkeit und mit all den unvorstellbaren Reichtümern, die das mit sich bringt. Womöglich begleitet ihn dann für den Rest seiner Karriere stets ein wehleidiges "Es wäre mehr drin gewesen". Neymar lässt aus Saudi-Arabien grüßen.

Der Wechsel zu Real ist kein No-Brainer mehr

Die zweite, längst überfällige und für die allermeisten Fans wünschenswerte Option, wäre ein Wechsel. Da gibt es trotz der Tatsache, dass Mbappés Vertrag ausläuft, also kein Verein mit PSG verhandeln müsste, nur zwei mögliche Ziele. Die antizipierten Handgeld-Forderungen Mbappés sowie das enorm üppige Gehalt (selbst wenn es nicht die katarfinanzierten PSG-Ausmaße erreicht) machen den Hochgeschwindigkeitsdribbler für die allermeisten Klubs unerschwinglich.

Der Schritt zu Real bahnt sich seit geraumer Zeit an. Vor zwei Jahren wäre es noch DIE Traumhochzeit des Weltfußballs gewesen. Reals neue Nummer 7, der Nachfolger Ronaldos, der künftige Ballon-d'Or-Gewinner bei den Königlichen. Die neue Hauptattraktion des weißen Balletts. 2024 ist der Transfer nicht mehr so ein No-Brainer. Real hat ohne Ronaldo die Champions League gewonnen und der Brasilianer Vinicius Junior ist mittlerweile wichtigster Offensivspieler- auf Mbappés Position. Dazu kommt das verletzte Ego der Königlichen nach der Abfuhr Mbappés, als der 2022 den Wechsel kurz vor Finalisierung platzen ließ und stattdessen in Paris blieb.

Klopp als Retter?

Von dem Dauerzirkus profitieren könnte der FC Liverpool. Der Klub hat seit geraumer Zeit Interesse am Weltstar. Allem Anschein nach verabschiedet sich im Sommer Liverpools Flügelspieler und Klublegende Mo Salah nach Saudi-Arabien. Dank der dafür notwendigen üppigen Ablöse wäre das Konto der Briten schon mal gut gefüllt. Und Mbappé soll sich einen Wechsel auf die Insel gut vorstellen können, wie zuletzt unter anderem die "Times" berichtete. Aus fußballerischer Sicht wäre es das perfekte Match - wenn Klopp und die Mannschaft Mbappé davon überzeugen, dass er das Gehalt auch für intensives Gegenpressing bekommt. Mit Mbappé in ihren Reihen wäre Liverpools Offensive wahrscheinlich auf einen Schlag die gefährlichste Konterabteilung der Welt. Gleichzeitig helfen Mbappés außerordentliche Fähigkeiten im 1-gegen-1 auch in den Premier-League-Duellen, bei denen Liverpool auf eine massive Defensive stößt.

Und für den Franzosen selbst? Er würde fortan auf der größten Bühne spielen, die der Vereinsfußball zu bieten hat und könnte auf dieser eine Menge leisten. Beispielsweise als unumstrittener Star des Kloppschen Pressing-Kollektivs Meister werden. Gegen das Powerhouse Manchester City. Als Torschützenkönig. Vor Erling Haaland. Klingt nach einer ziemlich guten Geschichte, oder?

Quelle: ntv.de

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