"Es tut echt weh" Hannover 96 steigt ab - was wird aus Doll?
12.05.2019, 11:07 Uhr
Am Ende half alles nichts, kein Beistand von oben, kein Walace-Traumtor: Hannover 96 steigt trotz eines 3:0 über den SC Freiburg ab.
(Foto: imago images / Nordphoto)
Hannover 96 steigt trotz der wohl stärksten Saisonleistung und eines klaren Erfolgs gegen den SC Freiburg zum sechsten Mal aus der Fußball-Bundesliga ab. Der Klub steht vor einem Neuanfang. Bei Trainer Thomas Doll stehen die Zeichen auf Abschied.
Am Tiefpunkt seiner Trainerlaufbahn wahrte Thomas Doll die Fassung. Der sechste Bundesliga-Abstieg von Hannover 96, es war der erste in der Karriere des Coaches, hatte gerade Gestalt angenommen, da raffte sich Doll auf, trottete auf den Rasen und drückte jeden seiner Spieler fest an sich. Die minutenlangen Ovationen der Zuschauer verfolgte er mit melancholischem Blick. "Es ist fantastisch, wie die Fans reagiert haben", sagte Doll hinterher mit leiser Stimme, "aber es ist ein ganz trauriger Moment. Wir sind runter und das tut echt weh."
Nach der besten Saisonleistung seines Teams, aus der ein am Ende wertloses 3:0 (1:0) gegen den SC Freiburg resultierte, wirkte der 53-Jährige erstaunlich aufgeräumt - und es machte sich ein Gefühl von Abschied in den Katakomben der Arena in Hannover breit. Abschied von der Bundesliga, aber auch Abschied von Doll, der beim Neunanfang in Liga zwei wohl keine Rolle mehr spielt.
"Leider zu wenig Punkte geholt"
"Wir haben besprochen, dass wir uns nach der Saison zusammensetzen und kritisch und selbstkritisch die Gesamtsaison und die Phase seiner Verantwortung analysieren", sagte 96-Geschäftsführer Martin Kind bei Sky: "Dann werden wir zu einer Entscheidung kommen." Doll selbst gab sich keinen Illusionen hin. "Wir wissen alle, dass man nicht so viele Argumente hat, wenn man wenig Punkte holt und am Ende absteigt."
Nach dem Spiel hatte Doll seine Mannschaft noch auf dem Feld zusammengetrommelt und das Wort ergriffen. "Ich habe mich bedankt dafür, was sie nicht nur heute, sondern in den letzten Wochen abgeliefert haben", sagte er. Ihm habe die Arbeit "trotz der ganzen Niederlagen Spaß gemacht". Doch unterm Strich, auch das gestand der Coach in seiner ehrlichen Analyse ein, "habe ich leider zu wenig Punkte geholt".
Verdient ist der Abstieg trotz des zarten Aufwärtstrends mit zuletzt zwei Heimsiegen allemal: Seit dem 15. Spieltag, es war nicht einmal Weihnachten, steht 96 ohne Unterbrechung auf einem der beiden direkten Abstiegsplätze. In den 18 Spielen seitdem gelangen lediglich elf Zähler. Auch mit Doll, der im Januar André Breitenreiter abgelöst hatte, glückte die Kehrtwende nicht - die Rettungsmission ging mit nur drei Siegen aus 14 Spielen schief.
Doll "im Moment der Unwichtigste von allen"
"Es ist ein extrem beschissenes Gefühl", sagte Hannovers Torwart Michael Esser. Sein Team sei auf die Saison gesehen "zu spät wach geworden" und hätte "auch das nötige Glück nicht gehabt". Stürmer Hendrik Weydandt meinte: "Es ist an Ironie kaum zu übertreffen. Wir machen das beste Saisonspiel und am gleichen Tag steigen wir ab." Weil die erhoffte Schützenhilfe des VfL Wolfsburg in Stuttgart ausblieb, steht selbst bei einem Sieg am kommenden Wochenende bei Fortuna Düsseldorf fest: Hannover muss nach 1974, 1976, 1986, 1989 und 2016 erneut den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten.
Die Baustellen sind vor dem Neustart im Unterhaus groß. Ein neuer Sportchef ist nach dem Rauswurf von Horst Heldt nicht in Sicht, das künftige Gesicht der Mannschaft noch völlig unklar, von der Trainerfrage ganz zu Schweigen. "Es werden viele, viele Veränderungen stattfinden", sagte Doll. Er selbst sei "in diesem Moment wirklich der Unwichtigste von allen".
Quelle: ntv.de, Christoph Stukenbrock, sid