"Collinas Erben" sehen Machtkampf Mobbingvorwürfe gegen Krug, HSV im Glück
25.01.2016, 10:39 Uhr

"Seine wenigen Lieblinge werden hofiert, alle anderen niedergemacht, vorgeführt und gemobbt": hellmut Krug.
(Foto: picture alliance / dpa)
Unruhe bei den Bundesliga-Schiedsrichtern: Ihr Chef Herbert Fandel tritt überraschend ab, DFL-Mann Hellmut Krug sieht sich massiver Kritik ausgesetzt. "Alle sind eingeschüchtert." Trotzdem gelingt den Referees ein guter Start in die Rückrunde.
Das deutsche Schiedsrichterwesen hat schon ruhigere und erfreulichere Zeiten erlebt. In der Hinrunde gab es deutliche Kritik an den Bundesliga-Referees - auch aus der Chefetage der Unparteiischen. Das ließ die Rufe nach einer Einführung des Videobeweises lauter werden. Nun sind auch noch Differenzen innerhalb der Führung der Schiedsrichter sowie zwischen ihr und den Spielleitern im bezahlten Fußball zutage getreten. Herbert Fandel, der Vorsitzende der Schiedsrichter-Kommission des DFB, hat vor wenigen Tagen überraschend seinen Rückzug für den Sommer angekündigt und dafür "persönliche Gründe" geltend gemacht.
Dass diese, wie mehrere Medien übereinstimmend berichtet haben, auch einem Machtkampf mit Hellmut Krug, dem Schiedsrichter-Manager der DFL, geschuldet sind, scheint zumindest nicht abwegig, selbst wenn beide beteuern, ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander zu haben. Doch nicht nur Thorsten Kinhöfer, Bundesliga-Referee bis zum vergangenen Sommer, nennt die beiden Männer "absolute Alphatiere" und sagt: "Wenn die aufeinanderprallen, gibt es Reibungsverluste."
"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.
Die Führung der Unparteiischen liegt beim DFB-Mann Fandel, die Profiklubs haben 2010 jedoch durchgesetzt, mit Krug einen eigenen Vertreter in den Schiedsrichterausschuss entsenden zu können, um mehr Einfluss zu haben. Seitdem wird Krug in den Medien bisweilen als "heimliche Nummer eins" oder als "wahrer Anführer" wahrgenommen. Das mag auch damit zusammenhängen, dass der 59-Jährige in der Öffentlichkeit stärker präsent ist, vor allem, wenn es darum geht, zu strittigen Pfiffen Stellung zu nehmen und Regelauslegungen zu erläutern.
Bei den Bundesliga-Schiedsrichtern ruft er allerdings zunehmend Unmut hervor, im Wintertrainingslager der Unparteiischen auf Mallorca ist es deshalb zu Verwerfungen gekommen. In einer anonymen Umfrage des DFB unter den Referees zur Erstellung eines Leitbildes wurde erhebliche Kritik an Krug laut, dabei ging es nicht zuletzt um dessen Menschenführung sowie um seine Beurteilungen von Schiedsrichterleistungen und -entscheidungen, die viele Referees äußerst subjektiv, ungerecht und oft nicht nachvollziehbar finden. Die Aktivensprecher Felix Brych und Florian Meyer informierten ihre Vorgesetzten über das Umfrageergebnis und machten deutlich, dass es mit der Stimmung innerhalb der Gilde nicht zum Besten bestellt ist. Ein namentlich nicht genannter Schiedsrichter wird in der "Bild-Zeitung" sogar mit den Worten zitiert: "Alle sind eingeschüchtert, Krug verunsichert uns und geht dabei sehr subtil vor. Seine wenigen Lieblinge werden hofiert, alle anderen niedergemacht, vorgeführt und gemobbt." Einige müssten sogar psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.
Knifflige Entscheidungen in Hamburg
Doch auch am Führungsstil von Fandel gab es in der Umfrage Kritik. Wie es nach seinem Rücktritt im Sommer weitergehen wird und welche Folgen die massiven Beschwerden der Unparteiischen vor allem über Krug haben werden, ist derzeit noch nicht entschieden. Fraglich ist, ob die DFL an einem Mann festhält, von dem sich viele Referees der deutschen Profiligen derart gegängelt und gedemütigt fühlen. "Neue Strukturen" fordert derweil Thorsten Kinhöfer, der zudem findet, dass die Schiedsrichter von ihren Chefs nicht genügend geschützt werden: "Mir fehlt jemand, der die Schiris in der Öffentlichkeit vertritt. Wenn ein Bayern-Star unter Beschuss gerät, dann stellt sich zum Beispiel Matthias Sammer sofort vor ihn. Wer macht das bei den Referees? Da kommt gar nichts."
Die Unparteiischen gingen also nicht gerade unbelastet in die Rückrunde, doch sie brachten den ersten Spieltag nach der Winterpause ohne größere Reibereien über die Bühne. Dabei hatte schon Felix Zwayer im Eröffnungsspiel zwischen dem Hamburger SV und dem FC Bayern einige anspruchsvolle Entscheidungen zu treffen. Vor dem Führungstreffer der Münchner ließ er dabei glänzend den Vorteil laufen, als Robert Lewandowski im Mittelfeld gefoult wurde. Philipp Lahm bemächtigte sich trotz dieses Vergehens des Balles und schlug einen weiten Pass auf Thomas Müller, der vom Hamburger Torhüter René Adler im Strafraum schließlich so unsanft wie regelwidrig gebremst wurde. Adler sah für sein Einsteigen die Gelbe Karte, die Bayern bekamen einen Strafstoß - beides völlig zu Recht. Dass Müller den Ball bereits in Richtung Tor der Gastgeber befördert hatte, spielte dabei regeltechnisch keine Rolle, denn ein Foul bleibt auch dann ein Foul, wenn es nach einem Torschuss erfolgt.
Der Hamburger Ausgleichstreffer wiederum hätte eigentlich keine Anerkennung finden dürfen, weil Pierre-Michel Lasogga mit der Fußspitze im Abseits stand und dadurch, dass er zum Ball ging, Münchens Torwart Manuel Neuer in regelwidriger Weise beeinflusste. Das war allerdings erst nach diversen Zeitlupen und Standbildern zweifelsfrei zu erkennen. Als die Bayern den Siegtreffer erzielten, lag der zuständige Schiedsrichter-Assistent dagegen auch ohne technische Hilfsmittel ganz richtig: Während Robert Lewandowski den verunglückten Torschuss von Thomas Müller ins Gehäuse von René Adler lenkte, befand er sich - was ausgesprochen schwer zu sehen war - auf gleicher Höhe mit dem vorletzten Abwehrspieler des HSV und damit nicht im Abseits. Bei allen drei Treffern war das Schiedsrichtergespann also stark gefordert.
Zwayers Kollege Felix Brych brachte derweil das faire Topspiel am Samstag zwischen den Borussias aus Mönchengladbach und Dortmund souverän über die Runden und überzeugte mit einem gelassenen Auftreten, einer sinnvollen Linie und viel Augenmaß. Florian Meyer kämpfte unterdessen in der Partie zwischen dem FC Ingolstadt und Mainz 05 mit der Regelauslegung beim Handspiel - und lag zweimal daneben: In der 19. Minute ging der Mainzer Gaetan Bussmann nach einem Lattentreffer der Gastgeber mit der Hand zum Ball und nahm die Kugel regelwidrig mit, doch der Referee mochte darin keine Absicht erkennen und ließ weiterspielen. 21 Minuten später dagegen entschied er auf Strafstoß für Ingolstadt, obwohl sich der Mainzer Verteidiger Stefan Bell, als der Ball aus kürzester Distanz auf ihn zukam, wegdrehte und die Arme dabei eng an den Körper zog - also eigentlich alles unternahm, um kein Handspiel zu begehen.
Zu einer seltenen Szene kam es in der letzten Partie dieses 18. Spieltags in der 36. Minute, als der Bremer Neuzugang Papy Djilobodji einen Pass des Schalkers Max Meyer in den Werder-Strafraum lässig mit dem Fuß stoppte und den Ball dann seinem Keeper Felix Wiedwald überließ. Der lief erst ein paar Schritte und nahm die Kugel schließlich in die Hand, um sie abzuschlagen. Das war gegen die Regeln. "Situationen, in welchen der Ball von einem Mannschaftskollegen mit dem Fuß zwar nicht direkt in Richtung des Torhüters, jedoch absichtlich so gespielt wird, dass der Torhüter den Ball annehmen kann, sind als absichtliche Rückpässe zu werten", heißt es in der Regel 12 (Verbotenes Spiel und unsportliches Betragen). "Berührt der Torwart in solchen Fällen den Ball mit den Händen, ist ein indirekter Freistoß zu verhängen." Den gab Schiedsrichter Christian Dingert jedoch aus unerfindlichen Gründen nicht. Es war allerdings einer der ganz wenigen Fehler des Unparteiischen in einem von ihm ansonsten überzeugend geleiteten Spiel.
Quelle: ntv.de