Collinas Erben

"Collinas Erben" Nouri zetert, 98 hadert, Robben fällt wieder

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Er ist wieder da: Arjen Robben.

Er ist wieder da: Arjen Robben.

(Foto: imago/Plusphoto)

In Darmstadt feiert ein Schiedsrichter seinen Einstand, in Bremen der Trainer und in den Niederlanden der Videobeweis. Das DFB-Sportgericht annulliert derweil einen Platzverweis - nach einem offensichtlichen Irrtum des Unparteiischen.

Als Frank Willenborg die Partie zwischen dem SV Darmstadt 98 und der TSG Hoffenheim anpfiff, fiel am Dienstagabend im Jonathan-Heimes-Stadion am Böllenfalltor eine Premiere mit einem Jubiläum zusammen: Er gab seinen Einstand in der Fußball-Bundesliga. Und er ist, wie der "Kicker" herausfand, der 300. Schiedsrichter, der bei einem Spiel im deutschen Oberhaus eingesetzt wurde. Leicht hatte es der 37-Jährige aus Osnabrück allerdings nicht, in der kampfbetonten Begegnung loteten die Spieler immer wieder aus, wo der Unparteiische, der hauptberuflich als Lehrer arbeitet, die Grenzen des Erlaubten zu ziehen gedenkt.

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So hatte Willenborg nach einer halben Stunde eine knifflige Szene zu beurteilen, als der Darmstädter Kapitän Jérôme Gondorf in den Hoffenheimer Strafraum eindrang und dort in einen Zweikampf mit Emin Bicakcic verwickelt wurde. Gondorf hielt selbst ein bisschen, bevor er vom bosnischen Nationalspieler leicht am Trikot gezupft wurde und schließlich fiel - zu theatralisch, wie der Erstligadebütant befand, der deshalb keinen Strafstoß zugunsten der Lilien verhängen mochte. Eine nachvollziehbare Entscheidung.

Collinas Erben

"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.

Vier Minuten nach der Pause stützte sich Bicakcic bei einem Luftzweikampf wenige Meter vor dem eigenen Tor auf Antonio Colak auf und verhinderte so, dass der Darmstädter ebenfalls hochspringt. Hier wäre ein Elfmeter schon eher vertretbar gewesen, doch der Referee ließ erneut weiterspielen. Auch in der 76. Minute blieb seine Pfeife stumm, als der Darmstädter Florian Jungwirth bei einem Kopfball aufs Hoffenheimer Gehäuse vom hinter ihm laufenden Sebastian Rudy mit dem Fuß am Kopf getroffen wurde. Das Foulspiel war für Willenborg allerdings bestenfalls zu erahnen, weil der Schiedsrichter von hinten auf den Zweikampf schaute und den Treffer daher nicht sehen konnte. Sein Assistent hatte zwar einen seitlichen Einblick, doch ihm verstellten gleich mehrere Spieler die Sicht auf das Duell. Deshalb blieb das ausgesprochen schwer zu erkennende Vergehen letztlich ungeahndet.

Auf der anderen Seite protestierten auch die Hoffenheimer einmal vehement, und zwar nach 64 Minuten. Da nämlich vertändelte Alexander Milosevic in der Mitte der eigenen Hälfte ohne Not den Ball und wusste anschließend nur durch ein kurzes, aber effektives Halten zu verhindern, dass dass sich Sandro Wagner, in der vergangenen Saison noch selbst bei den "Lilien" unter Vertrag, mit dem Ball auf den Weg in Richtung Darmstädter Kasten macht. Von einer Notbremse konnte hier noch nicht die Rede sein, dafür war die Distanz zum Tor zu groß. Aber ein Freistoß für die Gäste und die Gelbe Karte für Milosevic wären zwingend gewesen. Doch der Unparteiische ließ zur Überraschung aller weiterspielen, dabei hatte sein Assistent an der Seitenlinie freie Sicht auf das Geschehen.

Kein gefährliches Spiel in Bremen

Zu einem Debüt kam es auch in Bremen, wo Werders Interimscoach Alexander Nouri bei der Partie gegen den 1. FSV Mainz 05 erstmals bei einem Bundesligaspiel in verantwortlicher Position auf der Trainerbank saß. Dort durfte er allerdings nur bis zur 89. Minute bleiben, dann verwies ihn der umsichtige Schiedsrichter Wolfgang Stark wegen allzu heftigen Reklamierens auf die Tribüne. Von dort aus musste Nouri mit ansehen, wie die Mainzer in der Nachspielzeit noch den Siegtreffer erzielten. Der Torschütze Pablo De Blasis hatte dabei nur knapp über der Grasnarbe zum Flugkopfball auf das Gehäuse der Bremer angesetzt, verfolgt vom eingewechselten Lukas Fröde, der das Gegentor jedoch nicht mehr verhindern konnte. Hier musste der Referee beurteilen, ob womöglich ein Vergehen von De Blasis vorlag. Denn wenn ein Spieler gewissermaßen im Parterre zum Kopfball geht und ein Akteur des anderen Teams aus diesem Grund im Zweikampf zurückzieht, um den Gegner nicht zu verletzen, handelt es sich um eine Form des gefährlichen Spiels - nämlich gegen sich selbst, was ebenfalls nicht erlaubt ist -, die einen indirekten Freistoß nach sich zieht. Im Weserstadion kam Fröde jedoch schlicht zu spät und war deshalb etwas zu weit entfernt, um eingreifen zu können. Das Tor war daher regulär.

kein Foul: Das mochte Arjen Robben anders sehen, aber Schiedsrichter Marco Fritz ließ das Spiel laufen.

kein Foul: Das mochte Arjen Robben anders sehen, aber Schiedsrichter Marco Fritz ließ das Spiel laufen.

(Foto: imago/ActionPictures)

Auch in München zeigte der Unparteiische Marco Fritz im Spiel des FC Bayern gegen Hertha BSC eine überzeugende Leistung, wobei er in einer einseitigen Partie nur selten wirklich gefordert war. In der 67. Minute allerdings musste er innerhalb weniger Sekunden gleich drei schwierige Entscheidungen treffen - und lag dreimal richtig. Zunächst erkannte er gut, dass Arjen Robben bei seinem Comeback nicht gefoult wurde, als er zwischen zwei Berlinern hindurchlief und anschließend zu Fall kam. Unmittelbar danach bewertete sein Assistent die ganz knappe Abseitsstellung von Robert Lewandowski beim vermeintlichen Treffer zum 2:0 für den Rekordmeister korrekt. Und als Thiago dem Hertha-Novizen Allan kurz darauf in dessen Strafraum den Ball abluchste, hatte Marco Fritz zu beurteilen, ob der Münchner dabei den Körpereinsatz womöglich übertrieb. Diesen Zweikampf als regelgerecht einzustufen, war aber voll und ganz zu vertreten.

DFB-Sportgericht mit seltenem Freispruch

Insgesamt lieferten die Schiedsrichter an diesem vierten Spieltag wenig Gesprächsstoff. Dafür ließ das Sportgericht des DFB aufhorchen, als es sich am Montag zu einem der ganz seltenen Freisprüche nach einem Platzverweis entschied. Geschehen war dies: In der Zweitligapartie am vergangenen Freitag zwischen dem TSV 1860 München und Union Berlin (1:2) war der Gästespieler Fabian Schönheim in der 53. Minute nach einem Foulspiel von Referee Florian Heft mit der Gelb-Roten Karte des Feldes verwiesen worden. Zuvor hatte der Berliner in der 24. Minute nach einem vermeintlichen Handspiel die Gelbe Karte gesehen. Das jedoch war falsch, denn dieses Handspiel hatte nicht Schönheim begangen, sondern dessen Mitspieler Collin Quaner.

Es lag also eine Verwechslung vor, was der Unparteiische später auch einräumte. Sportrechtlich gesehen handelte es sich um einen sogenannten offensichtlichen Irrtum des Schiedsrichters - und nicht nur um eine überzogene Tatsachenentscheidung. In einem solchen Ausnahmefall muss laut der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB nicht die nach Platzverweisen sonst vorgesehene Mindestsperre von einem Spiel verhängt werden. Die Gelb-Rote Karte wurde daher vom Sportgericht annulliert respektive in eine Gelbe Karte umgewandelt, denn die zweite Verwarnung für den Berliner für das Foulspiel war unstrittig und behielt ihre Gültigkeit.

Solche Verwechslungen werden übrigens nahezu ausgeschlossen sein, wenn der Videobeweis in die akute Testphase geht, die in der Bundesliga voraussichtlich zum Start der Saison 2017/18 beginnt und bei der eine Prüfung von Entscheidungen des Unparteiischen durch den Video-Assistenten möglich sein wird. Denn Situationen, in denen der Verdacht besteht, dass der Schiedsrichter den falschen Spieler verwarnt oder des Feldes verweist, gehören zu den Fällen, bei denen automatisch die Kamerabilder herangezogen werden.

In den Niederlanden ist es am Mittwochabend bereits erstmals bei einem Wettbewerbsspiel zum Einsatz des Videobeweises gekommen: Im Pokalspiel zwischen Ajax Amsterdam und Willem II (5:0) fungierte der Fifa-Referee Pol van Boekel als offizieller Video-Assistent von Schiedsrichter Danny Makkelie. Tatsächlich griff van Boekel einmal entscheidend ein: Als Makkelie den Gästespieler Anouar Kali nach einem rüden Foul zunächst die Gelbe Karte gezeigt hatte, sah sich der Video-Assistent die Szene noch einmal genau an und nahm dann Kontakt zum Unparteiischen über dessen Headset auf. Makkelie änderte schließlich seine Entscheidung und stellte Kali vom Platz. "Ich schalte mich nur ein, wenn ich an der Situation selbst überhaupt keinen Zweifel habe, denn der Schiedsrichter auf dem Feld trägt die Endverantwortung", sagte van Boekel nach der Partie. Seine Intervention im Pokalspiel war allerdings wohlbegründet, denn das Vergehen des Willem-II-Spielers war in der Tat eindeutig rotwürdig.

Quelle: ntv.de

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