Collinas Erben

"Collinas Erben" im Endspurt Pech für Augsburg, Wolfsburg mit Dusel

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Elfmeter: Wolfsburgs Torhüter Diego Benaglio foult den Dortmunder Kevin Kampl. Doch eine Rote Karte zeigte Schiedsrichter Marco Fritz nicht.

Elfmeter: Wolfsburgs Torhüter Diego Benaglio foult den Dortmunder Kevin Kampl. Doch eine Rote Karte zeigte Schiedsrichter Marco Fritz nicht.

(Foto: imago/MIS)

In den Fußball-Bundesligen stehen die Schiedsrichter am vorletzten Spieltag stärker im Fokus, als es ihnen lieb sein kann. Zwei räumen einen Fehler ein. Aber: Der Unparteiische im Abstiegsduell zwischen dem VfB Stuttgart und dem HSV glänzt.

Es kommt noch immer recht selten vor, dass Schiedsrichter nach dem Abpfiff vor die Kamera treten und über Entscheidungen sprechen, die sie zuvor auf dem Platz getroffen haben. Und irgendwie ist das auch verständlich, zumeist sollen sie ja zu allerlei Fehlern Stellung beziehen, die ihnen findige Reporter nach eingehender Betrachtung diverser Superzeitlupen unter die Nase reiben. Liegt ein Unparteiischer dagegen in kniffligen Situationen auch ohne technische Hilfsmittel wie die verlangsamte Wiederholung goldrichtig, bekommt er vielleicht ein Lob vom Kommentator. Aber niemand wird ihm ein Mikrofon hinhalten und eine Frage stellen wie etwa diese: "Was war das für ein Gefühl, heute in den spielentscheidende Szenen absolut korrekt gepfiffen zu haben?"

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Mit Jochen Drees und Felix Zwayer haben sich am vorletzten Spieltag der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga gleich zwei Referees gegenüber den Medien geäußert, und für beide dürfte das eine ziemlich unangenehme Aufgabe gewesen sein. Drees hatte in der Zweitligapartie zwischen den stark abstiegsgefährdeten Münchner Löwen und dem 1. FC Nürnberg in der 87. Minute den Treffer der Gäste zum 2:2 erst anerkannt, dann jedoch nach heftigen Protesten seitens der Gastgeber und einer ellenlangen Unterredung mit seinem Assistenten wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung zurückgenommen. Zu Unrecht, wie er nach Ansicht der Fernsehbilder einräumte: "Das war kein Abseits, es wäre ein korrektes Tor gewesen, das ist unser Tagesgeschäft, daran werden wir gemessen. In dem Fall muss man sagen, dass die Entscheidung leider falsch war. Mein Assistent saß ziemlich bedröppelt in der Kabine."

Collinas Erben

"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.

Der Mann an der Seitenlinie hatte zunächst keine Regelwidrigkeit angezeigt, der Ball lag bereits im Mittelkreis zum Wiederanstoß. Erst durch die vehementen Reklamationen vonseiten der Bank der Sechziger schienen dem Helfer des Schiedsrichters Zweifel zu kommen. Vermutlich hatte er zuvor nicht bemerkt, dass der Pass des Nürnbergers Danny Blum in die Spitze von Jakub Sylvestr auf den Torschützen Dave Bulthuis verlängert worden war, und nach der entsprechenden Information durch Jochen Drees seine Entscheidung geändert, weil er der Auffassung war, dass Bulthuis bei dieser Verlängerung im Abseits gestanden hatte. Das war jedoch nicht der Fall, allerdings ging es dabei um Millimeter. Dass da ein Fehler passieren kann, liegt in der Natur der Sache. Doch das Entscheidungsmanagement war stark verbesserungswürdig, um es vorsichtig zu formulieren.

Auch Felix Zwayer bedauerte öffentlich, die bedeutsame Partie zwischen dem Europaliga-Kandidaten FC Augsburg und den abstiegsbedrohten Hannoveranern durch einen Fehler wesentlich beeinflusst zu haben. Es ging um das eindeutige, aber nicht geahndete Handspiel des bereits verwarnten Hiroki Sakai in der 66. Minute, das beim Stand von 2:1 für die Gäste einen Strafstoß für die Gastgeber und die Gelb-Rote Karte für den Japaner zur Folge hätte haben müssen. Doch warum sah weder der Berliner Referee noch der zuständige Assistent an der Seitenlinie trotz jeweils geradezu vorschriftsmäßiger Positionierung dieses Vergehen? Ganz einfach: Weil dem einen just in diesem Augenblick ein Augsburger im Sichtfeld stand und dem anderen ein Hannoveraner. Eine seltene Kombination - und leider auch eine folgenreiche.

Manuel Gräfe souverän

Zwayer hatte noch eine Reihe weiterer kniffliger Situationen zu beurteilen, wobei er mit den Gelb-Roten Karten gegen Sakai und den Augsburger Paul Verhaegh ebenso richtig lag wie mit dem Elfmeterpfiff für den FCA in der 30. Minute. Über den harten Platzverweis gegen den Augsburger Raul Bobadilla in der Nachspielzeit konnte man dagegen genauso leidenschaftlich streiten wie über Kenan Karamans Einsatz mit hohem Bein gegen Tobias Werner im Strafraum der Hannoveraner. Die Augsburger waren nach dem Abpfiff nicht so richtig zufrieden mit dem Unparteiischen, wollten ihm aber auch nicht die Schuld an der Niederlage geben. Daniel Baier etwa meinte: "Wir müssen die Fehler bei uns suchen. Wenn der Schiedsrichter ein Handspiel nicht sieht, müssen wir es eben akzeptieren."

In Wolfsburg haderten derweil die Dortmunder ein wenig mit Referee Marco Fritz. Der hatte dem BVB in der elften Minute zwar einen Strafstoß zugesprochen, dem Wolfsburger Torwart Diego Benaglio für dessen notbremsenverdächtiges Foul an Kevin Kampl jedoch nur die Gelbe statt der Roten Karte gezeigt. Dabei war es höchst zweifelhaft, ob Timm Klose den Dortmunder noch am erfolgreichen Torschuss hätte hindern können. Auch in der 43. Minute hatten die Gastgeber Glück, als Kloses Einsatz im Strafraum gegen Henrikh Mkhitaryan nicht mit einem weiteren Elfmeter bestraft wurde. Regelkonform war dagegen der Wolfsburger Siegtreffer (49.). Zwar befand sich Klose bei Naldos Torschuss in einer Abseitsposition in der Flugbahn des Balles, doch berührte er die Kugel nicht, und auch die Reaktion des Dortmunder Torwarts Mitchell Langerak beeinflusste er zumindest nicht erkennbar. Damit war die Abseitsstellung auch nicht strafbar.

Ohne jeden Fehl und Tadel blieb der Unparteiische im hektischen und leidenschaftlichen Kellerduell zwischen dem VfB Stuttgart und dem Hamburger SV. Manuel Gräfe zeigte alles, was ihn als Schiedsrichter so stark macht: ein erstklassiges Spielverständnis, taktisches Geschick, eine klare Linie, maximale Souveränität und die Fähigkeit, zwischen Fouls und freiwilligen Fallern gekonnt zu unterscheiden. Trotz der enormen Bedeutung der Partie beschäftigten sich die Spieler nur ganz selten mit ihm, und seine ruhige Körpersprache wirkte immer wieder wohltuend. Fast schon schade, dass ihn niemand nach dem Schlusspfiff vor die Kamera holte, um ihn zu fragen, was das für ein Gefühl ist, auch in schwierigen Momenten absolut korrekt gepfiffen zu haben.

Quelle: ntv.de

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