Kösters Direktabnahme

Köster über Fußball-Hysterie Bayern-Krise? Welche Bayern-Krise?

Stilsicher: Carlo Ancelotti mit Gattin Mariann Barrena McClay.

Stilsicher: Carlo Ancelotti mit Gattin Mariann Barrena McClay.

(Foto: dpa)

Sie verlieren bei Atlético in Madrid, gegen den 1. FC Köln spielen sie in der Fußball-Bundesliga nur remis - na, und? Wer eine Krise beim FC Bayern diagnostiziert, kann sich nur nicht mehr an Sören Lerby, Jürgen Klinsmann und Felix Magath erinnern.

Carlo Ancelotti hat in seiner Karriere schon so manches erlebt, große Siege ebenso wie die eine oder andere kleine Krise. München erlebte also am Samstag nach dem fast ein wenig glücklichen 1:1 gegen den 1. FC Köln einen weitgehend unaufgeregten Trainer des FC Bayern. Weder das verdiente 0:1 unter der Woche in der Champions League bei Atlético Madrid, noch der erste Punktverlust nach vorher fünf Siegen in Folge waren geeignet, Ancelotti die Laune zu verderben. Man würde manch einem Münchner Journalisten, Fan und Funktionär ein ähnlich gelassenes Naturell wünschen wie dem italienischen Coach.

Philipp Köster, krisenfest.

Philipp Köster, krisenfest.

(Foto: imago/STAR-MEDIA)

Denn anstatt die Punktverluste als ziemlich normale Ereignisse des Fußballbetriebes abzuhaken, war bei vielen Beobachtern der Ruhepuls schon wieder bei 210/160. Während die Deutsche Presse-Agentur noch gemäßigt von einer "ersten Minikrise" sprach, die Ancelotti nun zu meistern habe, wurde anderswo schon eifrig darüber debattiert, was Ancelotti nun schleunigst zu ändern habe. Der Fernsehsender Sport1 etwa barmte, Ancelotti Handschrift könne "zum Problem werden", eine erstaunliche Analyse nach nicht einmal einem Viertel der Saison.

Philipp Köster, Jahrgang 1972, ist Chefredakteur und Herausgeber des Fußballmagazins "11 Freunde". In seiner Kolumne "Kösters Direktabnahme" greift er jeden Dienstag für n-tv.de ein aktuelles Thema aus der Welt des Fußballs auf. Zudem ist er seit der Saison 2016/17 Bundesligaexperte von n-tv.

Und während am Anfang noch Ancelottis freundliche und offene Art als angenehmer Kontrast zum unnahbaren Josep Guardiola gerühmt wurde, sehnte sich nun schon manch einer nach dem perfektionistischen Ballbesitzspiel des Katalanen zurück. So schnell kann´s manchmal gehen. Woran man schön erkennt, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Nach Jahren, in denen nicht mehr die Frage war, ob der FC Bayern gewinnt, sondern nur noch in welcher Höhe, fehlt gerade den jungen Anhängern jede Bezugsgröße. Zu lange ist es her, dass die Münchner mal tatsächlich zwei oder mehr Spiele in Folge verloren haben, dass die Abwehrspieler sich über den Haufen gerannt haben wie Stummfilmkomparsen und dass Bayern-Trainer nicht von Manchester City abgeworben, sondern einfach rausgeschmissen wurden.

Es war richtig Stimmung in der Bude

Deshalb für die jungen Leser die Versicherung, dass es früher tatsächlich noch richtige Krisen beim FC Bayern gab. Zum Beispiel 1991/1992, als der Däne Sören Lerby Trainer des FC Bayern wurde, von den Spielern hämisch "die Sören" genannt wurde und der FC Bayern am Ende tatsächlich nur auf Platz zehn einlief. Auf Platz zehn! Oder 1995/1996, als sich Otto Rehagel bei den Münchner Bayern derart unbeliebt machte, dass ihn der Klub noch vor Saisonende eilends rauswarf, obwohl der Ex-Bremer immerhin das Uefa-Cup-Finale erreicht hatte. Oder noch 2006/2007, als die dritte Saison unter Felix Magath zum Desaster wurde, inklusive Achtelfinales im DFB-Pokal in Aachen und Platz vier in der Liga.

Da schepperte es noch richtig, da verlor der FC Bayern auch mal mehrfach hintereinander, da stänkerten Spieler anonym in den lokalen Gazetten und da meldete sich auch noch verlässlich Franz Beckenbauer mit sachfremden Expertisen aus Kitzbühel zu Wort. Mit anderen Worten, es war richtig Stimmung in der Bude. Dagegen ist die gegenwärtige Lage beim FC Bayern nicht einmal eine Minikrise, fehlende Ancelotti-Handschrift hin oder her. Erst, wenn Jérôme Boateng statt ganz allgemein die Offensivabteilung zu kritisieren auf namentlich genannten Stürmern herumhackt, erst wenn Lothar Matthäus mit Ancelotti bricht und sich selbst als Nachfolger ins Spiel bringt, erst wenn Uli Hoeneß bei einem Geheimtreffen mit Jupp Heynckes fotografiert wird und Ancelotti nicht nur eine Augenbraue, sondern beide hebt - dann reden wir von einer Krise. Vorher nicht!

Quelle: ntv.de

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