Kösters Direktabnahme

Köster über Sandro Wagner Der Meisterstürmer aus Hoffenheim

Eine Option? Sandro Wagner.

Eine Option? Sandro Wagner.

(Foto: imago/Michael Weber)

In Augsburg gibt's wieder einmal eine große Wagner-Oper. Nicht Richard, nein Sandro leitet mit einem Tor den Sieg der Hoffenheimer Fußballer beim FCA ein. Da darf der - beste deutsche? - Angreifer schon einmal die Klappe aufreißen.

Am Wochenende waren wieder einmal Wagner-Festspiele. Nicht in Bayreuth, sondern in Augsburg, wo wieder die große Oper "Der Meisterstürmer von Hoffenheim", aufgeführt wurde. In der Hauptrolle: Sandro Wagner. Das Führungstor zum 2:0-Sieg der TSG am 17. Spieltag der Fußball-Bundesliga beim FCA zementierte Wagners Stellung als derzeit treffsicherster deutscher Angreifer. Kein Angreifer mit deutschem Pass kann da mithalten, auch keiner der aktuellen Nationalspieler, was Wagner schon vor Weihnachten dazu brachte, mit stolzgeschwellter Brust zu verkünden, er sei mit Abstand der beste deutsche Stürmer.

Philipp Köster, Jahrgang 1972, ist Chefredakteur und Herausgeber des Fußballmagazins "11 Freunde". In seiner Kolumne "Kösters Direktabnahme" greift er jeden Dienstag für n-tv.de ein aktuelles Thema aus der Welt des Fußballs auf. Zudem ist er seit der Saison 2016/17 Bundesligaexperte von n-tv.

Nun sind Tore nicht das einzige treffsichere Indiz für Leistung auf dem Platz. Aber so ganz ist Wagners Eigenwerbung nicht aus der Luft gegriffen. Sonst hätte sich Bundestrainer Joachim Löw auch nicht zur leicht gequälten Bemerkung hinreißen lassen, Hoffenheims Stürmer sei womöglich "eine Option" für die Nationalelf. Nun zeichnet sich eine Option dadurch aus, dass man sie ziehen kann, aber nicht ziehen muss. Und Löw sollte sehr gut und sehr lange darüber nachdenken, ob er sich jemanden wie Wagner tatsächlich ins Team holen will.

Zur Europameisterschaft im vergangenen Jahr wollte ihn der Bundestrainer schon mal nicht mitnehmen. Da war der Umstand, dass er als klassischer Stoßstürmer ohne ausgeprägte Neigung, auch defensiv zu arbeiten, nicht so recht ins Löws Ballbesitzkonzept zu passen schien. Dass mit Mario Gomez ein sehr ähnlicher Spielertyp während des Turniers zu Ehren kommen würde, konnte zuvor niemand ahnen. Es war aber auch der überaus selbstverliebte Habitus Wagners, der als inkompatibel zur Philosophie der Nationalelf galt, die ja nichts so sehr wie eine Monstranz vor sich her trägt wie die Tugenden Bescheidenheit und Mannschaftsgeist.

Ein wenig von Oliver Kahn hat er schon

Zwei Attribute, mit denen Wagner auf den ersten Blick wenig am Hut hat. Der Hoffenheimer gibt bisweilen arg durchsichtig den Selbstdarsteller und Provokateur. Sei es zum Saisonabschluss 2016, als er sich provozierend vor der Kurve seines Ex-Vereins Hertha BSC aufbaute. Sei es, als er in einem Interview verkündete, die Gehälter der Fußballprofis seien teils zu niedrig und schloss auch die Angestellten des FC Bayern mit ein. Oder sei es eben jene oben erwähnte und Eigenwerbung als konkurrenzlos bester deutscher Stürmer.

Man könnte Wagner deshalb als Großmaul abtun. Oder man könnte begreifen, dass Wagner sich aus purer Eigenmotivation als streitbares und exzentrisches Feindbild aufbaut. Dass er besser spielt, wenn ihn das ganze Stadion ausbuht. Ein wenig hat er dann von Oliver Kahn, der ja auch in all der Abneigung badete, die ihm auswärts entgegenschlug. Und den psychologischen Aspekt mal beiseite, ist es ja auch ganz angenehm, den einen oder anderen Exzentriker in der Liga zu haben. Schließlich gibt es hierzulande genügend blasse Kicker, die nur die öden Sprechblasen von sich geben, die ihnen irgendwelche Rhetoriktrainer vorgesprochen haben.

Und man darf auch nicht unterschlagen, dass die TSG sehr von Wagner profitiert. Das Team litt in den letzten Spielzeiten sehr darunter, sich von aggressiv und robust auftretenden Mannschaften allzu sehr beeindrucken zu lassen. Körperlich agierende Spieler wie Wagner, die keiner Rangelei und keinem Zweikampf aus dem Weg gehen, sind Vorbild für die zaghafteren Naturen in Hoffenheims Kader. Vielleicht ist das sogar Wagners wichtigste Aufgabe in Hoffenheim. Ganz unabhängig davon, der wievielt beste deutsche Stürmer er nun ist.

Quelle: ntv.de

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