Redelings Nachspielzeit

"Es gibt einen Verräter!" Als Kahn den "liebestollen" Scholl vor Prügel bewahrte

Hat Oliver Kahn sich wirklich von Mehmet Scholl schlagen lassen?

Hat Oliver Kahn sich wirklich von Mehmet Scholl schlagen lassen?

(Foto: imago/HJS)

Die Saison 1996/97 war geprägt von echten Persönlichkeiten und kuriosen Geschichten. In München sorgte Mehmet Scholl für Schlagzeilen - allerdings nur neben dem Platz. In Stuttgart zauberte das "magische Dreieck" und ein komischer Thorsten Legat. Und Peter Neururer kam noch einmal um sein Gedicht über Christoph Daum drumherum!

Es war die Saison der verrückten Aktionen - abseits des grünen Rasens. So wunderte sich Bayerns Mehmet Scholl sehr darüber, dass er mehr Nachrichten in seiner Freizeit als auf dem Platz produzierte - und die Medien diese gerne aufgriffen: "Ich habe mehr Schlagzeilen gemacht als das Geiseldrama in Peru. Da stimmen doch die Relationen nicht!" Zum Großteil war der gealterte Teeniestar jedoch selbst schuld an seiner Lage. Freizügig erzählte er der Presse aus seinem Privatleben. Ehefrau Susanne habe einen Neuen und sei mit dem gemeinsamen Sohn bereits ausgezogen. Zeitgleich berichtete "Momo"-Darstellerin Radost Bokel in großer Aufmachung über den "liebestollen" Mehmet, der "einfach nicht locker lässt". Und zu guter Letzt gelangte eine Kneipenschlägerei im Winterurlaub, den er mit sechs Bayern-Kollegen verlebte, in die Medien, obwohl "kein einziger Journalist dabei war": "Also muss einer von uns am nächsten Tag sofort die Presse informiert haben. Es gibt also einen Verräter!"

Aus der Kneipe zerrten ihn, um ihn zu beruhigen, seine Mitspieler Kreuzer und Kahn. Scholl soll das gar nicht gepasst haben, schrieb die Boulevardpresse, und angefangen haben, auf die beiden einzuprügeln. Das konnte Titan Oliver Kahn so allerdings nicht stehen lassen. Als er die Schlagzeilen las, sagte er trotzig: "Bei einer echten Prügelei hätte der Mehmet mit seinen 68 Kilo keine Chance gegen mich gehabt."

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In Stuttgart gewährte Fredi Bobic einen äußerst speziellen Blick hinter die Kulissen des VfB und seinen Spielern. So erfuhren die Fans, dass Franco Foda kein Liebling der Physiotherapeuten sei, weil er der "Massagekönig" war und sich fast täglich auf die Bank legte. Hendrik "Herze" Herzog fuhr das hässlichste Auto - einen knallgelben Volvo. Kapitän Frank Verlaat sang gerne mit seiner Frau Cassandra auf Vereinsbällen im Duett - ihr gemeinsamer Hit: "New York, New York". Und Thorsten Legat hieß bei seinen Mannschaftskameraden nur noch "Doso", weil er bei einer Korea-Reise so getan hatte, als ob er Koreanisch sprechen könne. Dauernd habe er versucht, mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen, doch egal, was er auch gesagt habe, es hörte sich wie "Doso" an - und die Koreaner verstanden natürlich kein Wort. Ansonsten lief Legat damals gerne oben ohne rum. Seine starken Muskeln sollte nicht nur er allein genießen dürfen.

Paulo Sergio glaubt an Zauberer Daum

Apropos Stuttgart. Der VfB war die Attraktion der Liga mit seinen herausragenden Spielern Elber, Balakov und Bobic. Die drei begeisterten als "Magisches Dreieck" mit herrlichem Offensivfußball Fans und Gegner gleichermaßen. Unter der Leitung ihres Trainers Jogi Löw legten sie einen Blitzstart hin, der den Stuttgarter Coach dazu verleitete, ungewöhnlich euphorisch vom VfB als "Verein für Ballzauber" zu sprechen.

Nach acht Spieltagen hatten die Stuttgarter bereits 22 Tore geschossen und nur sechs Treffer kassiert. Der neue VfB-Keeper Franz Wohlfarth zeigte sich erstaunt: "Da hatte ich in der österreichischen Operettenliga mehr zu tun!" Das hohe Tempo konnten die Stuttgarter allerdings nicht bis zum Schluss gehen und landeten am Ende auf dem vierten Tabellenplatz.

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Auch die Leverkusener spielten groß auf. Bayers neuer Trainer Christoph Daum schwor seine Mannschaft vor der Saison zur Geisterstunde in der Kabine des Ulrich-Haberland-Stadions auf die bevorstehende Meisterschaftsrunde ein: "Männer! Wer nicht zumindest an einen UEFA-Cup-Platz glaubt, der soll sofort die Kabine verlassen!" Niemand verließ den Raum. Alle waren wie hypnotisiert von Daums Aura. Der Brasilianer Paulo Sergio glaubte sogar an höhere Mächte: "Ich stehe seit unserer Mitternachtsbesprechung im Bann des Zauberers Daum. Jetzt glaube ich sogar, dass unser Coach über geheimnisvolle Voodoo-Kräfte verfügt!"

Der fühlte sich durch das Lob des Brasilianers zwar gebauchpinselt, verwies aber nach dem 4:2-Auftaktsieg über Borussia Dortmund auch auf eine andere, wichtige Komponente seines Erfolgs: "Mit Voodoo-Zauber ist diese Mannschaft nicht zu schlagen, dazu bedarf es harter Arbeit." Und wie die aussah, beschrieb er in einem anderen Zusammenhang: "Ein Tag hat 24 Stunden. Wenn ich acht Stunden für den Schlaf abziehe, bleiben 16 übrig. Und ich erwarte, dass die Spieler davon acht Stunden für Bayer investieren - also 50 Prozent ihres wachen Lebens."

Dammann "verunglückt" im Mannschaftshotel

Da blieb viel zeitlicher Spielraum für komische Ideen. Am 20. Spieltag in Düsseldorf ließ sich Daum etwas ganz und gar Ungewöhnliches einfallen: "Ich brauchte Alarmstimmung. Deshalb habe ich mich entschieden, einen starken Spieler rauszunehmen. Damit wollte ich ein Zeichen setzen, jedem im Kader zeigen, dass er eine Chance hat." Der raus rotierte Zé Elias fand die Aktion nicht ganz so lustig. Der neu ins Team gekommene Nico Kovac hingegen war begeistert. Toll fanden die Spieler auch die Zusammenarbeit von Daum mit seinem Co-Trainer. Ulf Kirsten: "Christoph Daum und Roland Koch sind wie ein ideales Ehepaar. Die beiden ergänzen sich unheimlich gut."

Am Ende wurde Leverkusen jedoch nur Zweiter hinter dem FC Bayern München. Das fand Kölns Trainer Peter Neururer allerdings ganz und gar nicht schade, denn vor der Saison hatte er versprochen: "Wenn Christoph Daum Meister wird, verlese ich Lobeshymnen in Gedichtform auf dem Kölner Neumarkt. Das habe ich gesagt, dazu stehe ich."

Zum Autor
  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
  • Sein aktuelles Buch "60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum" ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag "Die Werkstatt"

  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Der Rekordmeister Bayern München schlich sich fast unsichtbar durch die Saison. Nur die Nackenschläge kurz nach der Winterpause fanden ein größeres mediales Echo. Nach der 5:2-Niederlage in Leverkusen wetterte Bayern-Präsident Beckenbauer gewohnt gnadenlos: "Ich weiß nicht, wie das heißt, was die Mannschaft heute in der ersten Halbzeit gezeigt hat - aber Fußball war es nicht. Dafür müssen wir erst ein neues Wort erfinden."

Und auch das Kapitel "Kuriose Verletzungen" konnte in der Spielzeit 1996/97 weitergeschrieben werden. Dieses Mal von Dirk Dammann. Der Abwehrrecke des FC St. Pauli rutschte im Mannschaftshotel aus und knallte mit dem Kopf gegen die Badewanne. Die Folge: eine schmerzhafte Jochbeinprellung. Das war zwar schlimm, wäre aber noch kein Grund gewesen, nicht zu spielen. Doch dann putzte sich Dammann die Nase, brach sich dabei das Siebbein, und Blut lief in die Nasennebenhöhlen. Damit, so entschied der Mannschaftsarzt, war dann ein Einsatz tatsächlich nicht mehr möglich.

Quelle: ntv.de

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