
Lothar Matthäus und Erich Ribbeck machen einen Rekord möglich.
Vor 25 Jahren spielte die DFB-Elf in den Niederlanden - und Lothar Matthäus stellte ausgerechnet bei unseren Nachbarn einen neuen Weltrekord auf. Obwohl der Weltmeister-Kapitän selbst nichts gegen die Holländer hatte, war er von unserem Erzrivalen zum neuen "Feindbild" erklärt worden.
"Meinen Weltrekord hätte ich ganz gerne in Deutschland gefeiert. Vielleicht auch in Italien oder Kroatien, wo mein Name beim Fan besser angesehen ist. Ich werde in Amsterdam keinen Beifall bekommen, weil wir Deutschen nicht geliebt werden. Ich im Besonderen nicht!" Lothar Matthäus wusste vor 25 Jahren genau, was ihn da zu seinem neuen Weltrekord in den Niederlanden erwarten würde. Denn als am 23. Februar 2000 in Amsterdam sein 144. Länderspiel bevorstand und er mit dieser Partie den bisherigen Rekordhalter Thomas Ravelli ablöste, waren die äußeren Umstände nicht wirklich ideal.
Der Bayern-Profi war damals in den Niederlanden alles andere als beliebt, wie ein Journalist aus dem Nachbarland unverhohlen preisgab: "Mit dem Jahr 2000 ist in Holland zwar der zweite Weltkrieg vergessen, aber die Leute haben sich ein neues Feindbild aufgebaut: Lothar Matthäus." Dabei wusste der Mann aus Erlangen damals gar nicht so recht, wie ihm geschah: "Das zwischen den Holländern und mir ist wie eine Beziehung, in der man sich scheiden lässt. Aber wenn man danach erforschen will, warum die Beziehung gescheitert ist, fragt man sich: Wer ist denn überhaupt schuld? Und plötzlich merkt man, dass der eine dem anderen nichts vorzuwerfen hat."
"Ein absolutes Phänomen"
Während Lothar Matthäus selbst der neuen Bestmarke nicht allzu viel Bedeutung beimessen wollte ("Ich habe ja nicht 20 Jahre dafür gespielt, um diesen Rekord zu erreichen"), waren andere voll des Lobes über den Jubilar und sein besonderes Ereignis. So meinte der Weltmeister-Trainer von 1990, Franz Beckenbauer, begeistert: "Lothar ist für mich ein absolutes Phänomen. Was er leistet, ist einmalig. Als ich mit 38 Jahren aufgehört habe, hätte ich keine Minute länger spielen können. Deshalb bewundere ich, mit welcher Frische Lothar immer noch bei der Sache ist." Tatsächlich ist Matthäus mit 38 Jahren und 128 Tagen bis heute der älteste Torschütze der Nationalmannschaft. Sein letztes Länderspiel-Tor erzielte er am 28. Juli 1999 beim Confed-Cup in Mexiko gegen Neuseeland.
Dass es am 23. Februar 2000 ausgerechnet gegen die Niederlande ging, war natürlich auch für Lothar Matthäus selbst so etwas wie Schicksal. Denn zwanzig Jahre zuvor hatte seine Länderspielkarriere gegen eben diesen Gegner begonnen. Es war während der Europameisterschaft in Italien, als der Kapitän der Mannschaft, Bernard "Ennatz" Dietz, beim scheinbar sicheren Stand von 3:0 für die DFB-Elf entschied, seinem jungen Kollegen zu seinem Debüt im schwarz-weißen Trikot zu verhelfen.
Und so täuschte Dietz eine Verletzung vor und räumte für Matthäus das Feld. Beinahe wäre dieses Manöver allerdings noch schiefgegangen, wie der neue Weltrekordhalter sich vor der Partie in Amsterdam zurückerinnerte: "Zwanzig Minuten vor Schluss durfte ich beim beruhigenden 3:0 für Kapitän Bernard Dietz meine Premiere feiern. Ich habe dann einen Elfmeter verursacht, und wir haben knapp mit 3:2 gewonnen."
"Lothar weinte bitterlich"
Fast wäre es damals übrigens gar nicht erst zu diesem Debüt gekommen, wie Ennatz Dietz sich einmal schmunzelnd erinnerte: "Der Lothar hat am Tag der Nominierung bitterlich geweint. Ich stand neben ihm und war völlig hilflos. Erst habe ich gedacht, der würde Freudentränen vergießen, aber dann hat der gar nicht mehr aufgehört. Ich habe ihm den Arm um den Hals gelegt und ganz behutsam gefragt, was denn los sei. Da hat mich der Lothar mit geröteten Augen angeguckt und geschluchzt: 'Aber meine Freundin hat doch für die Zeit der Europameisterschaft schon unseren Urlaub gebucht …'".
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Später gab es mit Lothar Matthäus dann erst das legendäre Duell bei der EM 1988 in Deutschland gegen die Niederlande, als sich nach dem Sieg der Elftal Ronald Koeman den Hintern mit dem Trikot von Olaf Thon demonstrativ abputzte und schließlich das unvergessene Spiel bei der WM 1990, als sich Frank Rijkaard und Rudi Völler beharkten und Jürgen Klinsmann das Spiel seines Lebens machte. Zehn Jahre später stand nun eben dieser Frank Rijkaard als Bondscoach an der Seitenlinie der Oranje-Elf und sah einen - für die deutsche Mannschaft - schmeichelhaften 2:1-Sieg seines Teams. Es war ein Fehlstart für die DFB-Elf in das Länderspiel-Jahr, in dem die "Elf der Schande" für ein katastrophales Abschneiden bei der EM 2000 in Belgien und den Niederlanden und für einen unrühmlichen Abschied nach einer langen Karriere von Lothar Matthäus sorgte.
Doch wenige Monate bevor der deutsche Rekordnationalspieler (am Ende sollten es 150 Spiele sein) nach der Europameisterschaft im Alter von 39 Jahren zurücktrat, war ihm vor dem Duell im Februar vor 25 Jahren eine Sache noch wichtig: Die Aussöhnung mit den niederländischen Fans. Denn dass er als ein "Feindbild" bei unserem Erzrivalen galt, wollte und konnte Lothar Matthäus nicht verstehen und meinte deshalb über unsere Nachbarn: "Sie sind locker drauf, sie sind lustig, sie feiern gern, sie trinken Bier, sie sehen die Dinge des Lebens nicht so ernst. Eigentlich ist das eine Mentalität, wie ich sie auch habe. So gesehen trage ich holländische Züge in mir."
Quelle: ntv.de