Redelings Nachspielzeit

"Kann er auch Krise?" Als der BVB mit Kloppo dramatisch ins Straucheln geriet

Dortmunder Krisengesicht: Jürgen Klopp.

Dortmunder Krisengesicht: Jürgen Klopp.

(Foto: imago/DeFodi)

Es ist fast in Vergessenheit geraten. Vor zehn Jahren bröckelte erstmals die Fassade des Erfolgsmodells Jürgen Klopp. Borussia Dortmund schlitterte damals mit seinem Trainer in eine echte Krise - und landete kurzzeitig sogar auf dem letzten Tabellenplatz.

"Ich kann mir vorstellen, dass es eine schwierige Situation ist für Jürgen Klopp. Er hat die Leute jahrelang mit seinem tollen Offensiv-Fußball begeistert, aber jetzt gibt es eine Leidensphase." Der frühere Meistertrainer des BVB, Ottmar Hitzfeld, hatte im Herbst vor zehn Jahren hörbar Mitleid mit dem damaligen Coach der Borussia, Jürgen Klopp. In Dortmund lief plötzlich nichts mehr zusammen. Die Mannschaft präsentierte sich Woche für Woche in einem desolateren Zustand. Und nicht nur eine große deutsche Boulevardzeitung fragte in dieser für den Trainer so schwierigen Situation: "Kann Klopp auch Krise?"

Eine verständliche Frage, denn bis zu dieser Spielzeit 2014/15 war es gefühlt seit dem Amtsantritt von Jürgen Klopp beim BVB nur nach oben gegangen. Nie zuvor hatte es seit 2008 eine solch dramatische Negativserie am Beginn der Saison gegeben. Vier Niederlagen in den ersten sieben Partien bedeuteten absolutes Mittelmaß für die Borussia. Doch niemand ahnte im Herbst vor zehn Jahren, dass dies alles erst der Anfang einer unfassbar schwierigen Zeit sein würde. Denn die ganze erste Halbserie des BVB war am Ende gruselig.

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Und Klopps Worte Ende September - als die Mannschaft mit fünf frischgebackenen Weltmeistern im Team auf Schalke eine empfindliche Derbyniederlage hinnehmen musste - verpufften erst einmal schneller, als er sie überhaupt ausgesprochen hatte: "Glaubt mir eines: Wir kommen! Das kann noch einen Moment dauern, aber wir kommen - ganz bestimmt!"

Klare Empfehlung: "... dann Bayern-Fan werden"

Denn auch nach dem 19. Spieltag Anfang Februar und einer Heimpleite gegen den FC Augsburg standen die Dortmunder noch immer auf dem letzten Tabellenplatz der Fußball-Bundesliga - mit nur 16 Punkten. Ein ungewohntes Bild. Einen solchen Saisonverlauf hatte sich nach sechs Jahren im Fußballrausch unter Klopp niemand vorstellen können - auch der Trainer selbst nicht. Noch im Dezember konterte er Fragen zur aktuellen Lage der Borussia gewohnt launig: "Wer nur Erfolg haben will, hat nur eine Chance: Bayern-Fan werden."

Doch dann spitzte sich die Lage um den BVB immer mehr zu. Ein harter Abstiegskampf schien bevorzustehen. Das zehrte an den Nerven der Fans und zunehmend auch an denen der Offiziellen. Bereits zu diesem noch frühen Zeitpunkt in der Saison reifte in Jürgen Klopp eine Entscheidung heran, die er am 15. April auf einer viel beachteten Pressekonferenz schließlich verkünden sollte: Zum Ende der Spielzeit 2014/15 würde er seinen Posten als Cheftrainer von Borussia Dortmund zur Verfügung stellen!

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Dass die Saison für den BVB keine gute werden könnte, hätte man damals bereits nach den ersten neun Sekunden des ersten Spieltags erahnen können. In diesem Augenblick schoss der Leverkusener Karim Bellarabi seine Mannschaft in Dortmund so schnell in Führung, wie es bis dahin nie zuvor ein Akteur in der Liga-Geschichte getan hatte. Am Ende siegte Bayer mit 2:0, und der Fehlstart der Borussia war perfekt.

Mauertaktik wird Klopp nahegelegt

Und dann folgte ein Misserfolg auf den nächsten. Dortmund geriet auch deshalb ins Straucheln, weil in der Defensive wenig gelang. Der BVB kassierte hinten viel zu viele Gegentore und schoss vorne, trotz gewohnt vieler Abschlüsse, viel zu wenige. Ottmar Hitzfeld erkannte als einer der ersten damals, dass Jürgen Klopp - auch wenn es ihm schwerfallen würde - von seiner Taktik würde abrücken müssen, damit wieder Erfolgserlebnisse gefeiert werden könnten. Er riet Klopp zu "mauern": "In so einer Phase muss man sich überlegen, ob es nicht besser ist, erst einmal defensiv sicher zu stehen und aus einer kompakten Abwehr zu agieren."

Und auch Klopp selbst soll damals über einen Systemwechsel nachgedacht haben. Schlussendlich setzte er diesen dann aber doch nicht um. Stattdessen fand der BVB ab dem 20. Spieltag zu alter Stärke zurück und startete eine imponierende Serie in der Liga, die auf dem siebten Tabellenplatz enden sollte. An dem Entschluss Borussia Dortmund zu Verlassen änderte dieser versöhnliche Schluss einer Saison, in der der BVB dramatisch ins Straucheln geraten war, nichts mehr. Deshalb noch einmal zurück zu dem Tag, als Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund seine Vertragsauflösung bekannt gab.

"Karte kriegen wir hin … ich habe noch eine"

Damals kündigte Pressesprecher Sascha Fligge nach emotionalen 28 Minuten die letzte Frage dieses denkwürdigen Tages an und übergab das Wort an einen Mann in der ersten Reihe. Dieser stellte sich als Vertreter des "Handwerkblatts" aus Düsseldorf vor. Nach kurzen, etwas fahrigen Eingangsworten kam er zu seinem eigentlichen Anliegen. Nicht nur Jürgen Klopp, auch alle Pressevertreter im Raum reagieren irritiert.

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"Ich habe eine Bitte: Sie haben mir versprochen - das darf ich vielleicht -, dass ich eine Karte für meinen Sohn kriege. Und das möchte ich heute auch noch einfordern, dass ich die Karte für den David kriege." Jürgen Klopp benötigte einen Moment, um sich zu fassen. Dann antwortete er gewohnt souverän: "Ich sage Ihnen ganz ehrlich - ihr Selbstvertrauen hätte ich gerne. Das als letzte Frage dieser Pressekonferenz, da muss ich schon sagen … von mir aus können wir gerne noch eine stellen. Karte kriegen wir hin … ich habe noch eine."

Auch diese comedyreife Situation hatte Jürgen Klopp am Ende mit Bravour gemeistert. Unvergesslich, aber dennoch mittlerweile in den Hintergrund gerückt. Denn etwas anderes sollte diesen Tag bis heute überdauern. Es waren diese Worte von Jürgen Klopp, die seine Zeit bei Borussia Dortmund nachhaltig geprägt haben: "Es ist nicht wichtig, was man über einen denkt, wenn er kommt, sondern wenn er geht."

Quelle: ntv.de

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