Redelings Nachspielzeit

Quasimodo Gerland erinnert sich Als die Bundesliga ruppig und gefährlich war

Eine Legende, in Bochum und München: Herrmann Gerland.

Eine Legende, in Bochum und München: Herrmann Gerland.

Der ehemalige Profi des VfL Bochum und langjährige Co-Trainer des FC Bayern München, Hermann Gerland, kennt die Bundesliga wie kaum ein anderer. Zum 60-jährigen Jubiläum der Beletage des deutschen Fußballs erinnert sich der "Tiger" an die alten Zeiten.

Hermann Gerland ist ein Urgestein der Fußball-Bundesliga. Seit seinem Debüt am 16. September 1972 beim 2:0-Auswärtssieg seines VfL Bochum bei Eintracht Braunschweig war er bis zum Sommer 2021 fast ununterbrochen in verschiedenen Funktionen in der Beletage des deutschen Fußballs aktiv. Der gebürtige Bochumer hat einmal gesagt: "Bevor man untern Torf kommt, macht man einiges mit im Leben." Und genau an diese faszinierenden Erlebnisse seiner Karriere und die alten Zeiten der Bundesliga erinnert sich Hermann Gerland gerne.

Damals in Bochum, zum Beginn seiner Laufbahn, seien die Verhältnis noch sehr bescheiden gewesen, erzählt Gerland: "Manchmal sind wir am Morgen gekommen und haben erst einmal gucken müssen, wo wir trainieren. Das waren doch keine Rasenplätze damals. Halb Büsche, halb Asche - da haben wir früher trainiert. Das kann man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen! Von Adidas gab es einen Trainingsanzug für die ganze Saison. Und als der 9 ½-Schuh nicht mehr da war, bekam ich den 10 ½. Da hatte ich einen Turnschuh, der mir gar nicht passte. Ich sag mal so: Der Fußball war damals ein gut bezahltes Hobby!"

"Medizinisch war das nicht so astrein damals"

Heute reisen die Fußballer zur Vorbereitung in alle Herren Länder. Auch das war früher noch anders: "Meistens sind wir damals in eine Sportschule in der Umgebung ins Trainingslager gefahren - und sind viel mehr gelaufen als heutzutage", so Gerland. "Und der ganz große Unterschied war, dass unser Trainer Heinz Höher alleine war. Kein Torwarttrainer, kein Co-Trainer, kein Fitnesstrainer und kein Arzt. Das war alles viel, viel einfacher als heute. Aber wir haben mehrmals am Tag trainiert und trotzdem durftest du maximal eine Flasche Wasser, 0,2, nach der Einheit trinken. Alles andere war nicht erlaubt. Man sollte, wie man damals sagte, 'trocken leben'. Manchmal haben sie uns, weil du ja auch Salz ausgeschwitzt hast, eine Salztablette gegeben. Dann konntest du mit dem Sprudelwasser ausgurgeln, aber der Mund war so verklebt, da haben sie dir 'ne Scheibe Zitrone gegeben - da hast du dann in eine Zitrone reingebissen. Medizinisch war das aus heutiger Sicht natürlich nicht so astrein damals."

"Hömma!"

Der Text enthält Ausschnitte aus Hermann Gerlands Kolumne "Hömma!", erschienen im aktuellen Sonderheft zur Hinrunde 2023/24 im Reviersport

Medizinisch nicht so astrein war damals allerdings hier und da wohl auch Gerlands Spielweise selbst. Die Schiri-Legende Wolf-Dieter Ahlenfelder hat einmal über den Spieler Gerland gesagt: "Er war 'nen Raubanz. Der hat gegen alles getreten, was sich bewegt. Der hat auch gegen Bahnschwellen getreten." Und tatsächlich: Niemand hat damals gerne gegen ihn gespielt. Legende Willi "Ente" Lippens klagt noch heute sein Leid: "Immer wenn ich Hermann gesehen habe, habe ich gesagt: Guck mal, da kommt Quasimodo! Das war einer der wenigen, gegen den ich überhaupt nicht spielen konnte."

"Da flogen Fledermäuse durchs Stadion"

Das lag wohl zum Teil auch daran, dass in früheren Zeiten häufig keine oder maximal eine Kamera im Stadion war. Und so ging es, nach Gerlands Erinnerungen, bei einigen Auswärtspartien noch ordentlich zur Sache: "Als ich in Kaiserslautern gespielt habe, flogen dort Fledermäuse durchs Stadion. Fledermäuse. Und dann stand da ein Linienrichter. Einer von den Lauterern war drei Meter im Abseits, und der hat es gewagt, die Fahne zu heben. Aber nur ein Mal. Beim zweiten Mal stand einer sechs Meter abseits. Da hat der Opa mit der Krücke, der schon beim ersten Mal nicht einverstanden war, hinter ihm gesagt: Hebst du noch ein Mal die Fahne, Junge, ich hau dir mit der Krücke die Fahne runter! Und das hat er nicht nur gesagt!"

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Für Gerland selbst gab es damals immer nur ein Ziel mit seinem Klub aus dem Ruhrgebiet: "Wir, der VfL Bochum, wurden ja immer als Absteiger Nummer Eins betrachtet, aber ich war mir immer sehr sicher, dass wir damit nichts zu tun haben würden. Bochum war damals 'ne Mannschaft, die gefighted und sich ganz gut untereinander verstanden hat. Und: Der Kern der Truppe kam aus der Region. Wir hatten ja kaum Auswärtige. Höchstens aus Hamborn, Essen oder Herdecke. So haben wir uns natürlich auch mit der Region verbunden gefühlt. Wir wollten einfach, dass Bochum in der Bundesliga bleibt. Das war etwas Wunderbares!"

Seinen persönlichen Höhepunkt durfte der gebürtige Bochumer Hermann Gerland dann aber 2010 beim großen FC Bayern München erleben: "Wissen Sie, ich bin ein besessener Fußballer, aber ich hatte noch nie einen Titel gewonnen. Und nun war ich dabei, wenn der renommierteste Verein Deutschlands einen Triumph feiert. Da habe ich an meine Bochumer Zeiten als Profi gedacht, wo Mutter meine Trainingsklamotten waschen musste, und wir Spieler, wir durften uns beim Mittagessen entweder für Suppe oder Nachtisch entscheiden. Da gab es nur entweder-oder, beides kriegte keiner. In mir war immer der Wunsch, einmal sagen zu können: Einer aus Bochum war ein bisschen am Gewinn der Deutschen Meisterschaft beteiligt. Und jetzt stand ich da auf dem Balkon und war überwältigt von dem Gefühl: Junge, du hier oben - es hat sich alles gelohnt!"

Quelle: ntv.de

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