Redelings Nachspielzeit

Redelings über Phänomen Müller Da schau her, Frau Stachelbär!

Thomas Müller ist der Gute-Laune-Onkel des FC Bayern.

Thomas Müller ist der Gute-Laune-Onkel des FC Bayern.

(Foto: imago/Ulmer)

In den Farben getrennt, in Thomas Müller geeint. Unverstellt, ehrlich und humorvoll – der Bayern-Star ist ein echter Sympathieträger über alle Vereinsgrenzen hinweg. Unser Kolumnist ergründet das große Phänomen Thomas Müller.

Reiner Calmund hat den Nationalspieler des FC Bayern München einmal sehr treffend beschrieben: "Müller ist authentisch, sympathisch, intelligent, witzig. Er ist ein Weltstar zum Anfassen. Ich sehe ihn als Bayern-Anführer und Leistungsträger in einer Reihe mit den Legenden Sepp Maier, Gerd Müller, Franz Beckenbauer, Oliver Kahn und Co." Thomas Müller ist auch der Name des Durchschnittsdeutschen – also der statistisch gesehen am häufigsten vorkommende Vor- und Nachname. Thomas Müller ist demnach einer von uns. Und das lieben wir an ihm!

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In Thomas Müller kann sich auch der Zuschauer auf der Couch wiederfinden. Seine Spielweise wirkt nicht selten ungelenk und erinnert damit den normalen Fußballfan entfernt an dessen eigene Fußball-"Karriere". Müller macht nichts, was man nicht auch machen könnte – wenigstens so ungefähr. Der Nationalmannschaftsspieler sieht dies selbst sogar ähnlich: "Ich definiere mich eben über die Effizienz und Geradlinigkeit. Wenn ich mal irgendwo bin und ein kleines Kind fragt mich: 'Zeig mir mal ein paar Tricks', muss ich sagen: Ich kann keine Tricks. Die wollen dann immer irgendwelche Zaubereien sehen, Ball hochhalten, viermal um die eigene Achse und so was. Aber das war noch nie mein Fachgebiet."

Maradona fühlt sich in seiner Ehre verletzt

"Ein Tor würde dem Spiel gut tun"

Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".

Sechs Jahre ist es jetzt her, als Müller in Gedanken seinen Lieblingsspruch "Da schau her, Frau Stachelbär" zitierte, weil der große Diego Maradona ihn für einen Balljungen hielt. Es war im März 2010, als Argentinien mit dem Trainer Maradona zu einem Länderspiel nach München kam. Der argentinische Weltmeister hatte schon Platz genommen und wartete nur noch auf den Beginn der Pressekonferenz, als sich Thomas Müller auf den Stuhl neben ihn setzte. Maradona fühlte sich in seiner Ehre verletzt. Er erkannte Müller schlicht nicht, obwohl dieser kurz zuvor noch genau vor seinen Augen rechts außen die Linie rauf und runter gerannt war. Maradona stand pikiert auf und verließ den Presseraum. Müller schaute dem Weltmeister irritiert hinterher. Den Bayern-Star lernte Maradona vier Monate danach noch zu Genüge kennen. Mit 4:0 warf Deutschland Maradonas Team aus dem WM-Turnier. Thomas Müller wurde Torschützenkönig. Als man ihn nach dem Eklat von München fragte, wie er Diego Maradona als Fußballer erlebt habe, antwortete der 1989 geborene Müller: "Ich habe Maradona aus zeitlichen Gründen nicht mehr so erlebt."

Die WM 2010 wurde zu einem rauschhaften Ereignis – in Südafrika und in der Heimat. Auf die Frage, wie sich Thomas Müller denn die Stimmung zu Hause vorstelle, antwortete er grinsend: "Traurige Gesichter bei schlechtem Wetter – und kein Grillfleisch." Nach dem Achtelfinale gegen England fragte Müller den Fernsehreporter sehr höflich: "Darf ich noch jemanden grüßen?" Der damals 20-Jährige hatte zuvor zwei Treffer in einem WM-Spiel erzielt. Nun winkte er in die Kamera und grüßte seine beiden Omas und seinen Opa: "Das ist schon lange mal überfällig." Damit hatte er endgültig die Herzen nicht nur aller Fußballfans gewonnen.

Seine lockere Art kommt einfach an: "Langsam habe ich das Gefühl, dass ich mit meinem linken Fuß mehr anfangen kann, als nur Bier zu holen." Müller lässt sich nicht verbiegen. Der Umgang mit den Medien blieb auch vier Jahre später bei der WM 2014 in Brasilien spielerisch. Ein Journalist fragte ihn damals: "Thomas, die Argentinier haben eine Geheimwaffe, die sie einsetzen wollen: Franziskus. Also mit dem eigenen Papst in der Tasche und Fußballgott Messi auf dem Rasen. Welche irdischen Kräfte werdet ihr dagegensetzen?" Thomas Müller: "Ich müsste jetzt keinen sehen, ich könnte mir denken, die Frage kommt von RTL, oder?" Journalist: "Ja." Thomas Müller: "Alles klar!" Ein anderer Reporter riet ihm: "Wenn Sie nicht aufpassen, werden Sie noch eine Legende." Thomas Müller antwortete schlagfertig: "Dann pass' ich besser nicht auf."

Auf die Knie geht man nur beim Torjubel

Als ihn ein Journalist auf das Fehlen seiner Frau in Brasilien ansprach, dachte Müller nicht lange nach: "Ja gut, sie ist ja keine Handtasche, ich habe sie ja nicht mitgenommen, sondern sie hat auch einen eigenen Willen und ein eigenes Leben." Auch zur bevorstehenden Hochzeit mit seiner damaligen Noch-Freundin Lisa hatte er bereits einen schönen Spruch parat gehabt: "Den Antrag habe ich letztes Jahr an Weihnachten gemacht. Aber auf die Knie musste ich nicht. Auf die Knie geht man nur beim Torjubel."

Dass Thomas Müller trotz seines schnellen und steilen Aufstiegs in den Fußball-Olymp die Bodenhaftung nicht verloren gegangen ist, bewies er, als Manchester United im Sommer 2015 eine abenteuerliche Summe für ihn aufrief: "Es ist grundsätzlich verrückt, welche Zahlen aktuell im Fußball rumgeistern. Das ist halt das Geschäft. Aber es ist ja nicht der Mensch, der 100 Millionen Euro wert ist, sondern bloß eine Handelssumme. Deshalb sehe ich das ganz relaxt. In Dresden hat mich zuletzt ein Fan mit einem Megafon angesprochen: 'Hey, 100-Millionen-Mann, was ist dein Trikot wert?' Da musste ich schon schmunzeln."

Mehr Anekdoten und Sprüche zu Thomas Müller und dem FC Bayern München hat unser Kolumnist Ben Redelings in seinem Buch versammelt: "Bayern-Album: Unvergessliche Sprüche, Fotos, Anekdoten" bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

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