Skandalspiele der Bundesliga Der FC Bayern und das fliegende Brotmesser
21.03.2022, 19:14 Uhr
Sepp Meier ist ob des Messerwurfs ziemlich entsetzt.
(Foto: imago sportfotodienst)
Nach dem Spielabbruch wegen eines Bierbecher-Wurfs auf den Schiedsrichter-Assistenten Christian Gittelmann im Bochumer Ruhrstadion ist Fußball-Deutschland entsetzt. Zurecht. Doch in der Skandal-Geschichte der Bundesliga sind tatsächlich noch viel skurrilere Dinge geworfen worden.
"Wir haben leider festgestellt, dass es Zuschauer gibt, die wir nicht gern sehen. Jene Bierflaschen- und Feuerwerkskörper-Werfer werden wir verfolgen. Jeder Zuschauer, der einen Rüpel, der den Ruf des Vereins schädigt, dem Ordnungspersonal übergibt, erhält von uns eine Prämie von 50 Mark. Wir werden gegen die Störenfriede wegen Hausfriedensbruch, notfalls sogar wegen Körperverletzung vorgehen." Wie diese Worte des damaligen Dortmunder Vorsitzenden Dr. Werner Wilms aus dem Jahr 1964 zeigen, ist das Problem der unerwünschten Werfer in den Bundesligastadien quasi bereits von Anbeginn an bekannt und gefürchtet. Ein Ärgernis also mit einer langen Geschichte und einigen kuriosen Geschichten!
Vor genau 51 Jahren prangte auf dem Boulevardblatt mit den bunten Bildern die Schlagzeile: "Jetzt fliegen in der Bundesliga schon Messer!". Und tatsächlich war es bei der Partie zwischen Rot-Weiss Essen und dem FC Bayern München im Frühjahr 1971 genau zu diesem Eklat gekommen. Aus der berüchtigten Essener Westkurve war ein Messer in den Strafraum geflogen und hatte Sepp Maier nur knapp verfehlt. Entsetzt präsentierte der Bayern-Keeper das etwa 20 Zentimeter lange Brotmesser Schiedsrichter Jan Redelfs, der es sofort nach Spielschluss zum DFB nach Frankfurt schickte. Doch obwohl die "Bild"-Zeitung hinterher von einem "blitzenden Mordinstrument" sprach, reagierte der Schiedsrichter relativ besonnen: "In der 1. Halbzeit wurde eine Bierflasche in den Münchener Strafraum geworfen. Kurz darauf ein Messer, welches aber niemanden traf. Das Messer habe ich sichergestellt."
Bereits in der Pause verkündete damals der Stadionsprecher stolz, dass der Werfer des gefährlichen Geschosses mithilfe der Zuschauer gefasst worden sei. Es war ein 17-jähriger Jüngling, der unter starkem Alkoholeinfluss stand und am ganzen Körper "wie Espenlaub zitterte". Nervös erzählte er in einer ersten Stellungnahme, dass er das Messer stets bei sich trage, es ihm hingefallen sei, ein anderer es aufgehoben und aufs Spielfeld geschleudert habe. Mit Tränen in den Augen flehte er die Polizei an, bloß den Eltern nichts zu sagen. Sein Vater schlage ihn tot, wenn er das erfahre, stammelte er. Doch diesen Gang konnte ihm keiner ersparen.
Tage nach der Partie entschuldigte sich der Gymnasiast bei den Bayern und kam um ein Verfahren drumherum. Und nachdem die Münchener bereits die Schuld vom Verein Rot-Weiss Essen ("Die können doch nichts für die Entgleisung") gewiesen hatten, beendete auch der DFB die Ermittlungen ohne eine Strafe gegen RWE ausgesprochen zu haben.
"Muss aber einen Denkzettel bekommen"
Das war bei einer anderen Tat - einige Jahre zuvor in der Eröffnungsspielzeit der Bundesliga - noch komplett anders gewesen. Damals hatte der Gegenstand die Beteiligten auf dem Rasen allerdings auch nicht verfehlt, sondern den Schiedsrichter direkt auf den Kopf getroffen. Am 22. Spieltag der Saison 1963/64 bei der Partie zwischen dem 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt hatte ein jugendlicher Anhänger des FC Schiedsrichter Lutz mit einer Fahnenstange einen Schlag auf den Schädel verpasst. Eine Wahnsinnstat! Und dennoch reagierte der Unparteiische überaus rücksichtsvoll und nachsichtig. Den jungen Gewalttäter, der direkt in Polizeigewahrsam genommen werden konnte, wollte Lutz sogar noch nicht einmal anzeigen. Mit einem großen Pflaster auf der geschwollenen Stirn verlangte er jedoch: "Der unbesonnene Jugendliche muss aber einen Denkzettel bekommen. Er sollte dazu verurteilt werden, einem Waisenhaus einen Geldbetrag zu überweisen."
So viel Nachsicht Schiedsrichter Lutz zeigte, so unerbittlich reagierte der DFB. Der Verband verhängte gegen den 1. FC Köln eine Platzsperre. Die Mannschaft von Trainer Georg Knöpfle musste nach Wuppertal ins Stadion am Zoo ausweichen und sicherte sich dort am 25. Spieltag nach einem Sieg über Braunschweig fast schon die Meisterschaft.
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Direkte Attacken auf Linienrichter waren früher, als es zumeist nur eine Kamera - wenn überhaupt - im Stadion gab, offensichtlich nicht unüblich, wie Hermann Gerland einmal erzählte: "Als ich in Kaiserslautern gespielt habe, da flogen dort Fledermäuse durchs Stadion. Und dann stand da ein Linienrichter. Einer von den Lauterern war drei Meter im Abseits, da hat der gewagt, die Fahne zu heben. Aber nur ein Mal. Beim zweiten Mal stand einer sechs Meter abseits. Da hat der Opa mit der Krücke, der schon beim ersten Mal nicht einverstanden war, hinter ihm gesagt: 'Hebst du noch ein Mal die Fahne, Junge, ich hau dir mit der Krücke die Fahne runter!' Und das hat er nicht nur gesagt!"
"Wie Karneval in Rio"
In den 80er-Jahren hatte die Bundesliga dann wiederum mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen: Feuerwerksraketen. Nicht immer konnten die Anwesenden die Sache mit Humor nehmen, wie in diesem Fall Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder in der Saison 1984/85. Als beim 4:1-Sieg der Kölner gegen den FC Schalke 04 aus beiden Blöcken Leuchtraketen auf den Rasen flogen, stand "Ahli" lächelnd am Spielfeldrand und deutete fröhlich auf das Feuerwerk: "Wie Karneval in Rio!" Ein Abbruch der Partie kam ihm damals nicht in den Sinn: "Nur dann, wenn ein Spieler getroffen worden wäre."
Genau das passierte allerdings in der Spielzeit 1987/88. Als Vollidioten wieder einmal mit Feuerwerksraketen auf den grünen Rasen schossen und eine Rakete beim 4:1-Sieg des BVB über Schalke 04 beim Einlaufen den Dortmunder Frank Mill traf. Mit Verbrennungen zweiten Grades an den Oberschenkeln spielte er anschließend trotzdem. "Es hat gebrannt wie Pech und Schwefel", berichtete der Stürmer hinterher - und schoss dabei sogar noch das letzte Tor an diesem Tag.
Die absolute Schwachsinnstat des Bierbecher-Werfers von Bochum am letzten Freitag gegen Borussia Mönchengladbach reiht sich nun ein in diese Reihe kurioser Bundesliga-Skandale. Doch wie schon das Eingangszitat des damaligen Dortmunder Vorsitzenden Dr. Werner Wilms aus den Anfängen der Liga zeigt, muss damit gerechnet werden, dass diese Handlungen von Einzeltätern nie ganz aus den Stadien verbannt werden können. Wir werden wohl leider auch in Zukunft mit diesen irren Aktionen einiger Verwirrter leben müssen.
Quelle: ntv.de