
Ettmayer hinterließ bleibenden Eindruck.
(Foto: imago images/Sportfoto Rudel)
Einst sagte Trainer-Legende Tschik Cajkovski: "Es gibt dicke Spieler, die es können, und dünne, die es nicht können. Ettmayer ist ein Spieler, der einfach spielen muss." Der Österreicher war nicht nur begnadeter Fußballer - sondern auch brillanter Unterhalter. Nun ist "Buffy" im Alter von 76 Jahren gestorben.
Buffy Ettmayers Sprüche waren legendär - und seine "freche Schnauze" hat er sich zeitlebens bewahrt. Als er einmal auf die heutige Fußballergeneration angesprochen wurde, sagte Ettmayer: "Jeder, der mit dem Ball einen stehenden Bus trifft, bekommt drei Millionen Euro. Wenn der Bus fährt, sind es sogar fünf Millionen." Der Österreicher konnte eben nicht nur fantastisch mit dem Ball umgehen, er hatte auch schon früh in seiner Karriere erkannt, worauf es neben Toren und Siegen beim Profisport noch ankommt: "Sepp Maier, Ente Lippens und ich - wir sind Viecher. Und die Leute wollen beim Fußball halt auch was zu lachen haben."
Die Klaviatur der Unterhaltung beherrschte der ehemalige Bundesligastar wie kaum ein Zweiter. Und sein Herz für Entertainment half ihm auch dabei, humorvoll mit seinem großen Laster und Problem umzugehen - dem Essen und seinem Gewicht. Denn auch nach seinem Karriereende ließ es sich Johann Ettmayer weiter gut gehen - und konnte eigentlich doch gar nichts dafür: "Was soll ich machen? Ich habe halt daheim in meinem Kühlschrank so furchtbar schräge Fächer. Wenn ich in der Nacht aufstehe und die Tür aufmache, rutschen mir die Wurstsemmerln einfach von selber entgegen."
Fast das ganze Fußballerleben des Spielers Johann Ettmayer, den alle nur "Buffy" riefen, wurde von diesem einen Thema beherrscht: seinem Gewicht. Kein Wunder, denn "Buffy" heißt auf Tschechisch so viel wie Dickerchen. Ein Spitzname, den ihm sein ehemaliger Trainer Leopold Stasny verpasst hatte. Lange kämpfte Ettmayer gegen das Image des behäbigen Profis an, doch irgendwann hatte er genug und ging verbal in die Offensive: "Einen dicken Hintern werde ich immer haben, und mit dem Ruf, dass ich nicht laufen und kämpfen kann, muss ich halt leben."
Ettmayer gerät ins Grübeln
Dabei war Ettmayer in Wahrheit sogar einer der Flinksten: Vor der Saison 1974/75 lief er gegen den "schnellen Polizisten" Heinz Stickel zu später Stunde ein Rennen über 100 Meter. Die Prämie von 50 Mark holte sich der stets etwas füllig wirkende Ettmayer in einer hervorragenden Zeit ab. Nach 12,3 Sekunden überschritt er die Ziellinie.
Doch so gut der Start in diese Spielzeit damals war, so schlecht ging sie weiter. Die Saison wurde zu Ettmayers persönlichem Debakel. Nach einem spektakulären 5:5 bei Eintracht Frankfurt richtete VfB-Trainer Hermann Eppenhoff das Wort an seinen auf die Tribüne verbannten Star: "Und wenn der Ettmayer noch so gut spielte - erst wenn er den Einsatz bringt, den heute alle meine Spieler gezeigt haben, wird er vom Publikum, von der Presse, der Mannschaft und mir wieder voll akzeptiert!"
Ettmayer war sauer - und geriet ins Grübeln. Er überlegte, was würde er nur drum geben würde, wenn er doch nur schon jetzt woanders spielen könnte? Beispielsweise in Köln, wo Coach Tschik Cajkovski damals über ihn sagte: "Es gibt dicke Spieler, die es können, und dünne, die es nicht können. Ettmayer ist ein Spieler, der einfach spielen muss." Eine Meinung, die der Österreicher natürlich teilte: "Ich habe keinen Revue-Körper, aber ich kann Fußball spielen. Ich kenne aber viele Spieler, die haben einen Revue-Körper und können's nicht!"
Er selbst sah seine Rolle eh ein bisschen anders: "Ich bin wohl dazu prädestiniert, eine Show abzuziehen. Doch den 'King' will ich gar nicht spielen." Und in einem Satz zusammengefasst: "Ich bin kein Leichtathlet, ich bin ein Fußballer." Als er in dieser schwierigen Zeit um das Jahr 1975 herum plötzlich nicht mehr regelmäßig spielte, maulte er gewitzt: "Ich will nicht auf die Bank, das kann ich auch auf meinem Balkon." Ettmayer wollte eben seinen Spaß beim Fußball haben.
Die Bilder von der Schmalfilmkamera
In Hamburg ließ er einmal seinen Trainer in die Lüfte steigen. Als Kuno Klötzer gerade auf der Massagebank lag, stemmte Buffy sie samt Coach nach oben. Sein Kommentar: "Sehen Sie, Trainer, wie gut ich zu Recht bin?" Und als Klötzer das nicht recht einsehen wollte, ließ Ettmayer die Luft aus Klötzers Fahrrad-Reifen und klaute ihm die Fahrradpumpe. Der Trainer musste nach Hause laufen. Als Ettmayer immer noch nicht spielte, fragte er Klötzer, nach dem Warum. Und Klötzer antwortete: "Weil ich dich nicht aufstelle!"
Was Ettmayer neben seinen Toren beim Publikum so beliebt machte, waren seine Sprüche. Obwohl er Schuhgröße 43 hatte, trug er seine Fußballtreter stets zwei Nummern kleiner: "Ich wollte immer ein Kondom an den Füßen haben, sonst hast du ja kein Gefühl." Und als beim VfB sein Trainer Albert Sing zu ihm sagte: "Es gibt Bilder, da warst du dünner", konterte Ettmayer launig: "Die sind wahrscheinlich mit einer Schmalfilmkamera gemacht!"
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Mit Sing verband Ettmayer sowieso ein sonderbares Verhältnis. Als der neue Übungsleiter zum VfB kam, verordnete er seinen Schützlingen im Trainingslager in Origlio im Frühjahr 1975 eine Sing-Therapie. Allabendlich wurden in der Schweiz Lieder geschmettert, bis sich die Balken bogen. Songs wie "Horch, was kommt von draußen rein" mussten die Profis unter Sings Kommando gemeinsam intonieren.
Der "Jumbo-Jet von Stuttgart"
Mit einem Dia-Projektor wurden deutsches Liedgut und alte Fahrtenlieder an die Wand geworfen. Witzbolde sahen in den schrägen Tönen auch eine mögliche Form der Gegnerbekämpfung: Singend sollten sie in die Flucht geschlagen werden. Und noch eine weitere Überraschung hatte der neue VfB-Trainer in seinem Gepäck. Für die Stuttgarter Spieler lagen 20 Taschenmesser im Kofferraum bereit. Ettmayer: "Wir mussten Stöcke anspitzen und spachteln, das heißt, die Stöckchen so fest wie möglich in den Boden werfen. Nach zwei Tagen konnten wir prima spachteln, hatten aber keinen Ball gesehen!" Das war das erste Mal, dass Sing mit seinem österreichischen Starspieler aneinanderstieß.
Ab da ging es Schlag auf Schlag. Albert Sing: "Ich werde den Ettmayer jeden Tag herausfordern, ja ihn sogar beleidigen, wenn es zum Nutzen des VfB Stuttgart ist. Privat ist das was anderes. Wenn ich zum Beispiel mit einem Spieler ausgehen würde, wäre das nur der Ettmayer." Antwort von Ettmayer: "Aber ich würde nicht mit ihm ausgehen!" Damals sagte Ettmayer: "Ich treffe keinen Ball mehr, kann aber sehr gut singen und habe schon einen Vorvertrag bei den Fischerchören." Die schwäbischen Zeitungen schrieben damals von "Buffy, dem Jumbo-Jet von Stuttgart".
Sie meinten es nett, aber Ettmayer hatte die Schnauze voll: "Spiele ich gut, dann hab ich abgenommen. Spiele ich schlecht, dann hab ich zugenommen." Er sehnte sich nach Veränderung und wechselte zum HSV. Doch in der Hansestadt angekommen, schwante ihm schon recht bald, dass es auch hier nicht besser werden würde: "Wenn ich in Stuttgart ins Flugzeug steige und daran denke, dass ich in Hamburg wieder rausmuss, dann kriege ich immer Haarausfall."
Vor allem die steife Brise in der Hansestadt konnte er auch nach einigen Monaten immer noch nicht leiden. Und um seinen Freunden im Schwabenland zu veranschaulichen, wie schlimm das in Hamburg mit dem rauen Wind war, versuchte er es ihnen an einem Beispiel aus der alten Heimat zu erklären: "Im Volksparkstadion muss ich den Ball quasi in der Cannstatter Kurve anschneiden, damit er in der Untertürkheimer herauskommt."
Immer wieder die Frage nach der Waage
Das Durchbeißen fiel Ettmayer damals schwer. Er sagte einmal: "Grätschen, bis du eine Hornhaut am Oberschenkel kriegst, war nie meine Devise". Er habe zwar nicht nur in der Gegend rumgestanden, aber es sei vorgekommen, dass sein Gegenspieler an ihm vorbeigerannt sei und er gedacht habe: "Viele Grüße und mach' was draus!"
Das 10.000. Bundesliga-Tor, das Buffy Ettmayer am 26. Januar 1974 mit dem VfB Stuttgart in der Partie gegen Eintracht Frankfurt schoss, schilderte er einmal auf seine unvergleichliche Art und Weise: "Ich habe links abgerotzt, genau in den Bügel. Den Ball brauchte der Goalie nicht aus dem Tor holen, der kam vor lauter Wucht alleine raus."
Sein üppiges Gewicht und das Reden darüber hat ihn auch nach seiner Laufbahn als Bundesligaprofi verfolgt: "Letzte Woche war ich noch ein Meerschweinchen, jetzt sehe ich aus wie eine Sau. Der Grund: Ich habe 200 Gramm zugenommen." Auf die Frage eines Journalisten, ob er am Morgen schon auf der Waage gewesen sei, antwortete Ettmayer: "Schon aus Protest nicht. Weil ich immer noch einer der Schnellsten von null auf hundert bin - kilomäßig." Der Journalist hakte nach: "Ihr momentanes Gewicht kennen Sie aber?" Ettmayer: "Nein, bringt ja auch nichts. 365 Mal im Jahr will ich abnehmen, am 1. Januar stelle ich dann immer fest, dass wieder was dazugekommen ist." Ein anderes Mal sagte er: "Wenn ich heute auf eine Waage steige, sagt die sofort: 'Bitte nicht in Gruppen benutzen!'"
Der Österreichische Fußball-Bund hat in seinem Nachruf geschrieben: "Ettmayer war nicht nur für sein trickreiches Spiel, sondern auch für seinen legendären Schmäh bekannt und beliebt." Nun ist einer der größten Unterhaltungskünstler der Bundesliga im Alter von 76 Jahren gestorben. Doch Johann "Buffy" Ettmayer wird unvergessen bleiben!
Quelle: ntv.de