"Jeder hat eine Chance"? Der fatale Irrglaube des Jürgen Klopp
23.08.2021, 19:17 Uhr
Jürgen Klopp verwundert.
(Foto: imago images/Action Plus)
In einem Interview begeisterte sich Jürgen Klopp für eine knappe Niederlage eines Gegners des übermächtigen Messi-Klubs Paris St. Germain. Eine Niederlage als vermeintlicher Erfolg? So weit ist es also schon gekommen! Es ist die indirekte Kapitulation vor den Scheichs und Oligarchen. Nur einer will da nicht recht mitmachen: Ausgerechnet Uli Hoeneß!
Uli Hoeneß hatte mal wieder aus dem Nähkästchen geplaudert - und dabei den Scheich von Manchester City tüchtig verärgert. Angeblich, so wurde damals kolportiert, habe der Milliardär aus Abu Dhabi sogar eine persönliche Entschuldigung für die Geschichte von der Bayern-Legende eingefordert. Wie dem auch sei - die Anekdote von Uli Hoeneß ließ jedenfalls tief in die spektakuläre wie unglaubliche Finanzwelt des internationalen Profifußballs blicken und zerstörte endgültig alle Illusionen von einem echten "Financial Fairplay" unter den Klubs Europas.
Die Story, die Hoeneß vor knapp zwei Jahren auf einer Maklermesse ausplauderte, ging so: "Mein Freund Pep hat mir erzählt, was passiert, wenn er einen Spieler haben will, der 100 Millionen Euro kostet. Er sammelt ein paar Videos über den Spieler und fliegt zum Scheich. Dann gibt es ein opulentes Essen, man sieht sich die Videos an, und der Scheich überweist die Summe. Am nächsten Tag dreht der Scheich den Gashahn um ein paar Millimeter weiter auf, und er hat das Geld wieder drin." Ein Jahr später sperrte die UEFA übrigens Manchester City wegen Verstößen gegen das "Financial Fairplay" für zwei Jahre aus allen internationalen Wettbewerben - um dieses Urteil nur wenige Monate später zu revidieren.
"Glaube, sie müssen noch lange warten"
Auch wenn es ein wenig sonderbar und fast schon lächerlich wirkt, wenn sich ausgerechnet der "Mister Festgeldkonto" und Ehrenpräsident des FC Bayern über Vereine mit noch mehr Geld und anderen Möglichkeiten beklagt, muss man ihm Recht geben, wenn er nun aktiv einen neuen Weg für den Rekordmeister von der Säbener Straße ausruft: "Wir müssen etwas aufbauen, wir brauchen ein Alternativkonzept zu diesen Hunderten von Millionen, die Scheich-Klubs und Oligarchen ausgeben können."
Denn was Hoeneß mit seiner Forderung unterschwellig zum Ausdruck bringt, kennen 95 Prozent aller Fußballfans nur allzu gut: Langfristig ist das Mehr an finanziellem Potenzial - neben einer fähigen Führung natürlich - ausschlaggebend für den sportlichen Erfolg. Das beste Beispiel hierfür sind die Bayern selbst. Nicht umsonst stichelte Uli Hoeneß nach dem Sieg im Supercup gegen den ewigen Rivalen Borussia Dortmund: "Der Machtwechsel im deutschen Fußball, den sie sich ja schon seit zehn Jahren erträumen und so weiter. Ich glaube, sie müssen noch lange warten." Eine echte Chancengleichheit im Profifußball gibt es eben auch für den Ehrenpräsidenten des FC Bayern schon lange nicht mehr.
Um so eigenartiger mutet es deshalb an, dass Jürgen Klopp gestern in einem Interview mit "Bild TV" nostalgisch verklärt die aktuellen Realitäten negierte, als er meinte: "Das Schöne am Fußball ist, dass vorher keiner weiß, wer gewinnt." Das hört sich zwar stark nach dem unvergessenen Sepp Herberger ("Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht") an, zeigt aber auch, wie weit der Liverpooler Trainer mittlerweile offenbar von den allermeisten Fußballfans entfernt sein muss. Vor allem, weil er als Beispiel für seine steile These dies anführte: "Paris hat gegen Brest 4:2 gespielt. Wenn man die Namen von Paris sieht, müsste man erwarten, dass es ein 8:0 gibt - aber es war ein 4:2." Wow, möchte man da ausrufen, das ist aber wahrhaftig toll, dass Brest 'nur ein bisschen verloren' und keine richtige Klatsche bekommen hat. Denn Jürgen Klopps Ausführungen in diesem Zusammenhang gingen noch weiter: "Manche haben bessere Chancen, manche schlechtere. Aber jeder hat eine Chance. Das finde ich das Geile am Fußball."
Hohle, leere Worte
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Wie immer kann man dem sympathischen Mann des FC Liverpool nicht richtig böse sein für seine leidenschaftlich vorgetragenen Sätze - aber nüchtern analysiert muss man den Kopf schütteln ob so viel geballter Naivität (im besten aller Fälle). Denn Klopps Ausführungen offenbaren einen gefährlichen wie fatalen Irrglauben: Das viele, viele Geld des Profifußballs hat die Zuschauer und Fans über die Jahre müde werden lassen. Wenn Jürgen Klopp also ernsthaft meint, dass er eine knappe Niederlage von Brest gegen Paris schon als Erfolg oder gar als Sensation betrachten möchte, dann zeigt das nur, wie hohl und leer seine Worte von der "Chance", die angeblich alle Vereine hätten, in Wahrheit sind.
Das echte Spektakel spielt sich mittlerweile an anderer Stelle ab. Es sind die Duelle der Klubs auf Augenhöhe, die den Reiz der Ligen ausmachen. Dort gibt es für die Fußballfans auch noch etwas wirklich Neues zu entdecken. So groß die Strahlkraft der Big Player mit den populären Namen im Kader auch sein mögen - für die allermeisten Fußballanhänger ist das eine Welt, die sich immer weiter von ihrem eigenen Alltag entfernt hat. Denn, sorry Jürgen Klopp, das "Geile am Fußball" sind am Ende auch immer die Siege, die man gemeinsam feiert - und nicht die noch so knappste aller Niederlagen gegen irgendeinen der entrückten Goliaths.
Quelle: ntv.de