Redelings gratuliert Siggi Held "Ich bin nicht als Rudi Carrell angestellt"
08.08.2017, 12:22 Uhr
Die BVB-Legende Siegfried Held wird 75. Über sich selbst sagte er einst: "Ich bin nicht als Rudi Carrell angestellt."
(Foto: imago/Horstmüller)
In Dortmund ist der Europapokalsieger von 1966 ein Idol. Siggi Held spricht wenig, sagt dabei viel - meinte einmal ein Bundesliga-Manager. Verarschen ließ er sich auch von Otto Rehhagel nicht. Eine Laudatio zu seinem 75. Geburtstag.
Der Trainer der BVB-Europapokalsiegermannschaft von 1966, Willy Multhaup, hat Siggi Held den "geborenen Fußballer" genannt. Nationalmannschaftskollege Günter Netzer klang fast ein wenig verzweifelt, als er sagte: "Den D-Zug Held kann man nur mit der Jagdflinte erledigen." Doch neben seinen herausragenden fußballerischen Fähigkeiten ist den Leuten auch etwas anderes im Gedächtnis geblieben: Helds Spitzname. Bis heute kennen viele Fußballfans die Legende der Dortmunder Borussia als den "Schweiger". Wie sagte Siegfried Held dereinst als Trainer in Dresden so schön: "Ich bin nicht als Rudi Carrell angestellt."
Siggi Held findet die Sache mit seinem Spitznamen eigentlich Quatsch. Er rede sehr gerne und viel. Nur eben nicht immerzu und mit jedem. Als es damals anfing, dass Journalisten stets mehr Interna erfahren wollten, da sei er eben misstrauisch geworden. Und als ihn eines Tages jemand gefragt habe, wie es ihm denn ginge, da habe er geantwortet: "Wollen Sie mich aushorchen?" Am nächsten Morgen konnte er seinen neuen Spitznamen in der Zeitung lesen. Aber so ganz leugnen kann der Dortmunder sein Image auch nicht.
Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".
Der damalige Manager bei Dynamo Dresden, Udo Klug, hat über seinen Trainer gesagt: "Der Siggi redet halt manchmal nichts, sagt dabei aber sehr viel!" Das kann man so stehen lassen. Denn tatsächlich hat Held im reiferen Profialter einige weise Worte gesprochen: "Ich wundere mich manchmal, wenn in einem so erfolgsorientierten Gewerbe wie dem Profifußball mehr zwischen jungen und alten als zwischen guten und schlechten Spielern unterschieden wird. Das ist doch nicht wie bei der Papstwahl. Der Papst muss immer katholisch sein. Doch ein guter Fußballer muss nicht jünger als 30 Jahre sein." Als er mit 32 Jahren unter Trainer Otto Rehhagel spielte, präzisierte er seine Aussage: "Im Fußball gibt es keine alten oder jungen Spieler - nur gute oder schlechte." Das ist übrigens ein Satz, den man fälschlicherweise eher dem langjährigen Werder-Trainer Otto Rehhagel zuschreiben würde.
"Das Alter ist nur in zwei Fällen wichtig"
In Bremen bekam dieser damals viel Lob dafür, dass er mit Spielern in der Endphase ihrer Karriere, wie Manni Burgsmüller und Klaus Allofs, Erfolge feierte. Auch Held ("Das Alter ist nur in zwei Fällen wichtig: Mit 18 darf man in jeden Film, und ab 65 bekommt man Rente") spielte noch weiter, als der nur sieben Jahre ältere Trainer Udo Lattek ihn bei Borussia Dortmund längst aussortiert hatte. Begründung: "Ich möchte nicht dauernd mit der Luftpumpe am Spielfeldrand sitzen." Und so streifte sich Held mit 37 Jahren das Trikot von Bayer Uerdingen über.
Einem Reporter schilderte er seinen Tagesablauf. Zwölf Stunden pro Nacht würde er schlafen. Eier, Butter und Fruchtsaft zum Frühstück einnehmen. Danach einen Spaziergang im Grünen machen. Nichts zu Mittag essen. Und vor der Abfahrt zum Stadion eine Tasse Tee trinken. In der Umkleide würden dann schon ganz spezielle Fußballschuhe auf ihn warten, wie sein Trainer Horst Buhtz zu berichten wusste: "Die Töppen vom Siggi Held ähneln mehr Eishockeystiefeln. Sie umschließen die Knöchelpartien und stützen Schien- und Wadenbeine, alles hält ein Geflecht von Schnüren zusammen, als wolle Siggi ein Motorboot festmachen."
Dass der "Schweiger" auch spontan geistreich sein kann, bewies er damals ein ums andere Mal. Auf die nervige Anrede "Opa" von weit jüngeren Gegenspielern reagierte er vornehm-zurückhaltend, aber bestimmt: "Seit wann duzen wir uns?" Auch in seiner Zeit als Trainer konnte man sich über mangelnde Wortbeiträge nicht beklagen. Gut gelaunt rief Held in Leipzig zu seinen zaghaft agierenden Spielern auf dem Platz: "Sie wollen wohl den Ball nicht verletzen, was?" Und einem allzu eifrigen TV-Team, das sich auf dem grünen Rasen breitgemacht hatte, bot er während des Trainings rhetorisch sehr galant an: "Meine Herren, wenn wir Sie stören, können wir auch woanders hingehen."
"Hören Sie nicht? Sie sollen sich warmmachen, Siegfried"
Einmal übertrumpfte Held gar mit einem Satz fast ein ganzes, legendäres Spiel. Am 29. April 1978 lief Dortmunds Trainer Otto Rehhagel beim Stand von 7:0 für Borussia Mönchengladbach im Düsseldorfer Rheinstadion aufgeregt zu der Bank seines BVB. Dort stoppte er abrupt und sagte zu Siggi Held: "Siegfried, machen Sie sich warm. Sie kommen gleich."
Doch Held machte angesichts der deprimierenden Geschehnisse auf dem Rasen keinerlei Anstalten, irgendetwas zu tun, schon gar nicht aufzustehen. Nachdem Rehhagel einige Meter auf der Tartanbahn des Rheinstadions zurückgelegt hatte, steuerte er erneut auf seinen Spieler zu: "Hören Sie nicht? Sie sollen sich warmmachen, Siegfried. Ich bring‘ Sie gleich!" Held zupfte an seinen üppigen Augenbrauen, lehnte sich in Ruhe zurück und sah, wie die Tore acht und neun gegen seine Mannschaft fielen.
Otto Rehhagel war nun endgültig bedient. Fuchsteufelswild sprintete er mit Riesenschritten zur Bank, packte sich seinen tatenlosen Spieler und raunte ihm zu: "Sie wollen mich wohl verarschen, oder?!" Siegfried Held erhob sich langsam von seinem Platz auf der harten Holzbank, schaute Rehhagel ruhig ins Gesicht und sagte: "Trainer, mal ehrlich, soll ich die Scheiße etwa noch umbiegen, oder was?!" Danach schwieg ausnahmsweise mal jemand anderes. Herzlichen Glückwunsch, lieber Siggi Held, zum 75. Geburtstag und ein herzliches Glück auf!
Unser Kolumnist Ben Redelings ist gerade mit seinen Programmen unterwegs: Infos und Tickets zur Tour.
Quelle: ntv.de