
Max Kruse wird wohl nicht mehr für den VfL Wolfsburg spielen.
(Foto: IMAGO/Hübner)
Der Rausschmiss von Max Kruse via Live-Interview sorgt immer noch für Wirbel bei den Fußballfans. In der Kritik steht dabei auch Wolfsburgs Coach Niko Kovac. Vor allem die Art und Weise erinnert an eine öffentliche Demontage. Trainer wie Rehhagel haben Probleme mit schwierigen Stars früher anders gelöst.
"Wie merkt man, dass in Köln Donnerstag ist? Lukas Podolski kommt zum ersten Mal in der Woche zum Training." Der frühere Erfolgscoach der Bundesliga, Udo Lattek, konnte sich im Sport1-"Doppelpass" damals diese kleine Spitzfindigkeit gegen Kölns Legende Lukas Podolski einfach nicht verkneifen. Und tatsächlich hielten sich nach Podolskis Rückkehr vom FC Bayern München 2009 die Gerüchte hartnäckig, dass sich der Nationalspieler die eine oder andere kleine Extrawurst in Köln genehmigen durfte. Doch das war für Welttrainer Udo Lattek, der einzig und allein von Diego Maradona damals beim FC Barcelona in die Schranken verwiesen worden war, kein Problem. Denn Lattek wusste: Besondere Spieler haben schon immer eine gewisse Sonderbehandlung erfahren - und die Mannschaften haben das stets mitgemacht, solange am Ende der Erfolg für alle blieb.
Dass Max Kruse in die Kategorie "nicht einfach" und "speziell" fällt, werden sie beim VfL Wolfsburg hoffentlich schon vor seiner Verpflichtung im letzten Winter gewusst haben. Und auch seine "Wohlfühlrundungen" werden den Herren in der Führungsetage der Wölfe bei ein wenig professioneller Vorbereitung nicht entgangen sein. Schließlich zählen die Geschichten ehemaliger Mitspieler von Max Kruse über seine Vorliebe für eine besondere Nuss-Nougat-Creme mittlerweile zum Allgemeingut der Bundesliga. So erzählte einmal sein Ex-Kamerad Christopher Lenz, dass Kruse morgens stets "gefühlt eine Million Nutella-Brötchen" verputzt habe. Und auch Martin Harnik wusste zu berichten: "Max hat mal bei uns geschlafen und am Morgen fast eine ganze Packung Toast mit Nutella verputzt. Allein! Mein Vater hat sich fast wund getoastet. Das Verrückte: Anschließend hatten wir ein Spiel, und Max hat wie immer geliefert." Genau.
"Mit dem Bauch ..."
Und auch das wird den VfL-Verantwortlichen ja bewusst gewesen sein. Kruse sieht zwar wohl häufig von der Figur her nicht unbedingt bundesligatauglich aus, aber das scheint zu täuschen, wie Christopher Lenz ebenfalls erzählte: "Mit dem Bauch würde kein anderer Spieler überhaupt zwei Kilometer laufen können." Max Kruse kann das offensichtlich allerdings schon. Schließlich ist der Mann 34 Jahre alt, ehemaliger Nationalspieler und langjähriger Bundesligaprofi.
Nun ist Niko Kovac im Sommer erst nach Wolfsburg gekommen und hat natürlich das gute Recht, nicht alle Spieler seines Kaders zu mögen und als wertvoll für seine Wunschelf anzusehen. Doch irgendwie hat man seit dem Start der Saison das Gefühl, dass Max Kruse öffentlich zum Freiwild erklärt worden ist. Auffällig häufig betonten die Kommentatoren im TV, dass der Wolfsburger nicht fit und übergewichtig wirke. Erstaunt fragte sich in diesen Momenten der interessierte Fußballfan vor den heimischen Empfangsgeräten, worin da der Unterschied zu früheren Zeiten bei Kruse liegen würde. Optisch schien wenigstens alles beim Alten geblieben. Also musste es sich in diesem Fall wohl um eine Information gehandelt haben, die man den Kommentatoren gesteckt hatte. Nur wer soll das gewesen sein? Und mit welchem Interesse? Und wenn er denn so überhaupt gar nicht einsatzfähig gewesen sein sollte, warum hat er dann überhaupt gespielt?
Nun erinnert die Art und Weise des faktischen Rauswurfs an die öffentliche Demontage, die Niko Kovac damals als Trainer des FC Bayern München mit Thomas Müller betrieb - und die in dem mittlerweile legendären Beitrag von Müllers Frau in den sozialen Medien ("Mehr als 70 Minuten, bis der mal nen Geistesblitz hat") ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Natürlich wird im Fall Max Kruse auch der Spieler seinen Teil zur letztendlichen Eskalation am vergangenen Wochenende beigetragen haben - doch wie groß dieser Anteil tatsächlich ist, ist angesichts der Art und Weise, wie Niko Kovac und der Verein den Rauswurf öffentlich kommentierten und moderierten, im Nachhinein schwer zu bemessen. Momentan liegt der Schatten eher auf der unprofessionellen und fragwürdigen Herangehensweise von Kovac und Co.
"... weil er ein unglaublicher Spieler war"
Denn dass diese Art von Spieler, die man im Volksmund gerne als "Typen" bezeichnet, immer wieder eine echte Herausforderung für einen Chefcoach sein können, ist nun wahrlich kein Geheimnis. Otto Rehhagel hat in seiner langen Karriere mit so manchem dieser Charakterspieler zu tun gehabt. Ein ganz besonderer Fall war dabei damals zu Bremer Zeiten auch Mario Basler, über den Rehhagel einmal gesagt hat: "Mario war nicht pflegeleicht. Aber wir brauchten ihn, weil er ein unglaublicher Spieler war. Da habe ich ihm mal das Eine oder Andere durchgehen lassen. Er hat es dann gedankt." Und wie!
- Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
Jüngst ist das Buch "Ein Tor würde dem Spiel guttun. Das ultimative Buch der Fußball-Wahrheiten" frisch in einer aktualisierten und erweiterten Neuauflage erschienen!
Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.
Basler selbst sagt heute über diese Zeit: "Otto ist für mich der König. Er hat mir damals bei Werder den Himmel auf Erden geschenkt. Ich durfte machen, was ich wollte - solange ich gut gespielt habe, hat mir Otto alles verziehen." Und tatsächlich kam Basler einmal über ein halbes Jahr lang immer nur freitags zum Training. Den Rest der Woche hatte er frei. Damals soll der Werder-Spieler ein Loch in der Leiste gehabt haben, aber auch heute noch zweifeln das Mitspieler wie Uli Borowka an. Doch egal. In dieser besagten Saison wurde Basler als Mittelfeldspieler Torschützenkönig und Bremen sicherte sich hinter Dortmund die Vizemeisterschaft. Die Posse um seine Verletzung wurde Basler verziehen.
Dass auch Max Kruse die Fähigkeiten hat, in wichtigen Situationen der Unterschiedsspieler zu sein, hat er in seiner Karriere schon häufig bewiesen. Niko Kovac und der VfL Wolfsburg haben sich nun bewusst gegen den Typen Max Kruse entschieden. Das ist ihr gutes Recht. Doch die Art und Weise dieser Trennung hat weder der Verein, noch die Bundesliga und natürlich ganz besonders nicht der Spieler selbst verdient.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 12. September 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de