Fußball-WM 2018

In aller Freundschaft ins Finale? Optimismus-Monster will Löw schlagen

Löw (l.) und Klinsmann jubeln 2006 über den Gewinn des dritten Platzes bei der WM in Deutschland.

Löw (l.) und Klinsmann jubeln 2006 über den Gewinn des dritten Platzes bei der WM in Deutschland.

Eines der "ungewöhnlichsten Spiele seines Lebens" nennt US-Coach Jürgen Klinsmann das WM-Duell gegen Joachim Löws DFB-Team. Für Klinsmann geht es nicht nur um das Achtelfinale. Er will das Sommermärchen-Märchen korrigieren.

Angst vor dem Knockout ausgerechnet gegen die deutsche Mannschaft? Kennt Jürgen Klinsmann nicht. Der schwäbische US-Coach zelebriert auch bei der Weltmeisterschaft in Brasilien jenen unerschütterlichen Optimismus, der in seiner Amtszeit als Bundestrainer zu seinem Markenzeichen geworden ist. Und der sogar den Totalschaden beim FC Bayern überstanden hat. "Großartig" findet es Klinsmann deshalb, "dass wir jetzt die Gelegenheit haben, gegen einen der großen Turnierfavoriten weiterzukommen".

Das klang auf der Pressekonferenz vor der Partie heute in Recife (ab 18 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) nicht aufgesetzt, sondern bestens gelaunt und tiefenentspannt. Klinsmann ruhte in sich, so wie einst die Buddhas auf der Dachterrasse des FC Bayern. "Eine gewisse Anspannung" mochte er zwar nicht leugnen. Sein Vorsatz sei aber, "das Spiel zu genießen". Seine Kritik an der vermeintlichen Ungleichbehandlung durch die Fifa gegenüber dem DFB-Team, geäußert nach dem dramatischen 2:2 gegen Portugal in der Regenwald-Sauna von Manaus, erneuerte Klinsmann nicht. Er hob die eigenen Stärken hervor: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir sind fokussiert, konzentriert und wollen nach vorne spielen und angreifen. Wir sind zu dieser WM gekommen, um hier etwas zu holen."

"Außergewöhnliche Freundschaft"

USA - Deutschland, ab 18 Uhr in Recife

USA: Howard - Johnson, Cameron, Besler, Beasley - Beckerman, Jones, Bedoya, Bradley, Zusi - Dempsey. - Trainer: Klinsmann

Deutschland: Neuer - Boateng, Mertesacker, Hummels, Höwedes - Lahm - Schweinsteiger (Khedira), Kroos - Özil, Müller, Götze. - Trainer: Löw

Schiedsrichter:
Irmatov (Usbekistan)

So "toll" die Gruppenphase bereits gewesen sei. Das zählt ja alles nichts, wenn die USA in der Pernambuco-Arena von Recife gegen Deutschland das Achtelfinale verpassen. Gedanken daran verschwendet Klinsmann nicht. Er will im Finale der Gruppe G "noch einen draufsetzen und das deutsche Team möglichst schlagen" - in einem der "ungewöhnlichsten Spiele" seiner Karriere. "Natürlich ist es für mich etwas ganz Besonderes. So etwas gibt es vielleicht nur einmal im Leben." Auch in Recife war es Klinsmann wichtig, seine "außergewöhnliche Freundschaft" zu Bundestrainer Joachim Löw zu betonen.

Ein außergewöhnlich guter Freund des Fußball-Weltverbandes muss indes der Zufall sein. Zumindest hat er der Fifa in Gruppe G die hübschesten Personalgeschichten der WM-Vorrunde beschert. Erst das Bruderduell Jérôme gegen Kevin-Prince Boateng. Jetzt das Duell der deutschen Trainerfreunde, Ex-Bundestrainer Klinsmann gegen Nachfolger Löw, das für einen der beiden den Turnier-K.o. bedeuten könnte. Zehn Jahre ist es her, dass Klinsmann nach der desaströsen Europameisterschaft 2004 völlig überraschend zum Bundestrainer ernannt wurde und Löw beim Joggen der Anruf von Klinsmann erreichte, ob er nicht sein Co-Trainer werden möchte. Acht Jahre ist es her, dass das Trainerduo Deutschland mit dem DFB-Team in einen ungeahnten Freudentaumel versetzte, Stichwort Sommermärchen.

"Da wird nix komisch laufen"

2011 übernahm Klinsmann die US-Nationalmannschaft.

2011 übernahm Klinsmann die US-Nationalmannschaft.

(Foto: REUTERS)

Für einen Hauch von Sommermärchen sorgt Klinsmann mit dem US-Team derzeit in der Heimat: das glückliche 2:1 über Ghana, das unglaubliche 2:2 gegen Portugal, die Aussicht auf den Gruppensieg gegen Fußballriese Deutschland. Das alles sorgt für Begeisterung in den Staaten. Für Unmut sorgt nur, dass nicht einmal Optimismus-Monster Klinsmann den WM-Titel in Aussicht stellen wollte.

Fußball-Weltmeister USA? Damit beschäftigt sich Klinsmann nicht. Sein mittelfristiges Ziel ist es, das Team dauerhaft in den Top 10 der Weltrangliste zu etablieren. Sein kurzfristiges bleibt der Sieg über Deutschland: "Wir warten auf dieses Spiel schon seit einiger Zeit. Dieses Spiel entscheidet, wer Gruppensieger in der Todesgruppe wird. Es entscheidet darüber, wer weiter kommt." Klar ist nur: "Wir wollen weiter hier bleiben." Ein Erfolg wie beim spektakulären 4:3-Testspielsieg 2013 würde Platz eins garantieren, bei einer Niederlage könnten Ghana und Portugal noch vorbeiziehen. Ein Remis garantiert beiden Teams das Weiterkommen, trotzdem versicherte Klinsmann erneut: "Da wird nix komisch laufen." Der Kontakt zu Löw ruht, in drei Wochen könne man sich dann wieder SMS schreiben.

Falsches Bild im Sommermärchen

Die Amerikaner zählen bei dieser Überraschungs-WM in Brasilien zweifellos zu den positivsten Erscheinungen. In Gruppe G galten die USA vielen Experten als schwächstes Team. Mit einem Sieg heute könnte Klinsmann nun die Vorrunde sogar als Gruppenerster überstehen. Und heraustreten aus dem Schatten, den sein Freund und Nachfolger Löw wirft. Vor seinem 100. Länderspiel hatte Per Mertesacker, 2004 Debütant unter Klinsmann, daran erinnert: "Er war der Erste, der einer ganz jungen Generation Vertrauen geschenkt hat. Dank ihm ist ein frischer Wind in den DFB eingekehrt. Was Jürgen Klinsmann damals mitangefangen hat, wird heute noch weitergelebt."

Klinsmann sagte in Recife, er freue sich "riesig" über die Entwicklung der deutschen Mannschaft in den letzten zehn Jahren. Löw habe die DFB-Elf weiterentwickelt, es mache ihm Spaß, ihr zuzuschauen. Vor dem Turnier hatte Klinsmann aber auch betont, dass ihm seine Darstellung im schwärmerischen "Sommermärchen"-Film sehr missfällt. "Die Leute bekamen den Eindruck, Jogi habe die Taktik gemacht und ich die Brandreden", hatte er dem Magazin "11Freunde" gesagt. "So war es aber nicht."

Löw sei zwar der erste Trainer gewesen, der ihm erklären konnte, wie sich eine Viererkette verschiebt, sagte Klinsmann einmal über ihre erste Begegnung im Jahr 2000. Bei der WM 2006 habe er aber das "gesamte Projekt, Trainingsleitfäden und Aufstellungen verantwortet". Ein Sieg gegen Deutschland in Recife über Taktikfuchs Löw - er wäre für Klinsmann viel mehr wert als das Achtelfinale.

Quelle: ntv.de

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