Fußball-WM 2018

Der WM-Check, Gruppe E Freche Außenseiter fordern "Les Bleus"

Der Rücken von Europas Fußballer des Jahres bereitet Frankreich Sorgen.

Der Rücken von Europas Fußballer des Jahres bereitet Frankreich Sorgen.

(Foto: AP)

Bald geht es los, die Fußball-WM in Brasilien beginnt am 12. Juni. Wer kann was? Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen der jeweiligen Mannschaften? Wir nehmen die WM-Teilnehmer unter die Lupe. Heute: die Gruppe E mit Schweiz, Frankreich, Ecuador und Honduras.

Schweiz

Ottmar Hitzfeld gehört eigentlich nicht zu den Lautsprechern der Szene. Wenn sich der Schweizer Nati-Coach also zu der Aussage "Wir haben eine goldene Generation" hinreißen lässt, muss das was heißen. Zwar fehlt den Eidgenossen ein echter Superstar, dafür tummelt sich im Kader ein Sammelsurium von Spielern aus den europäischen Top-Ligen.

Mit den Mittelffeldakteuern Gökhan Inler, Valon Behrami und Blerim Dzemaili stehen gleich drei Spieler beim SSC Neapel unter Vertrag. Rechtsverteidiger Stephan Lichtsteiner ist Stammspieler bei Juve. Hinzu kommen gute Bekannte aus der Bundesliga wie Diego Benaglio, Ricardo Rodriguez, Xherdan Shaqiri, Tranquillo Barnetta, Granit Xhaka oder der Neu-Berliner Valentin Stocker. Im Angriff haben Josip Drmic und Admir Mehmedi in dieser Saison in Deutschland ihren Durchbruch geschafft.

Die große Stärke ist die Kompaktheit, gepaart mit jener taktischen Disziplin, die Hitzfeld-Mannschaften bekanntlich auszeichnet - auf der anderen Seite leidet darunter die Kreativität. Die Nati ist eher das Modell Schweizer Uhrwerk: tickt zuverlässig, überrascht aber eher selten. Geht es gegen defensiv sicher stehende Mannschaften, fehlen den Schweizern regelmäßig die Mittel, um das Abwehrbollwerk zu knacken. Ein Schwachpunkt ist zudem die die Innenverteidigung, der mit Abstand am schwächsten besetzte Mannschaftsteil.

Frankreich

Steht die Schweiz für das Verlässliche, so sind die Franzosen eine Wundertüte. Vorrunden-Aus? Halbfinale? WM-Titel? Prinzipiell ist alles möglich. Bei kaum einer Mannschaft liegen Genie und Wahnsinn so eng beieinander wie bei der "Equipe Tricolore". An guten Tagen können die Franzosen jedes Team der Welt schlagen. An schlechten Tagen setzt es aber auch schon mal ein 0:2 gegen zweitklassige Ukrainer, wie im Playoff-Hinspiel zur WM. Viel hängt von der mannschaftlichen Geschlossenheit ab, die seit dem peinlichen Verhalten bei der WM 2010 am seidenen Faden hängt. Brasilien werde ein "Neustart" sein, hofft FFF-Verbandsboss Noël Le Graet.

Trainer Didier Deschamps hat die von seinen Vorgängern Raymond Domenech und Laurent Blanc hinterlassenen Trümmer beseitigt und den gallischen Kampfhähnen zumindest ansatzweise so etwas wie Teamgeist eingeimpft. Der Weltmeister von 1998 installierte ein 4-3-3-System, baute junge Spieler wie Raphael Varane (Real Madrid), Mamadou Sakho (Liverpool) und Paul Pogba (Juve) ein und scheute auch nicht davor, mit Samir Nasri (ManCity) einen mutmaßlich faulen Apfel auszusortieren, der den brüchigen Frieden bedrohte.

Trotz neuer Geschlossenheit hängt jedoch weiterhin viel von Franck Ribery ab. Der seit seiner Niederlage bei der Wahl zum Weltfußballer 2013 deprimiert wirkende Bayern-Star ist der von Deschamps erklärte Anführer und zuständig für die genialen Aktionen. Für den 31-Jährigen steht bei seiner mutmaßlich letzten WM viel auf dem Spiel. Ribery war einer der Rädelsführer beim Aufstand in Südafrika und ist seitdem beim französischen Volk nicht sonderlich gut gelitten. Doch ob er überhaupt die Chance zur Wiedergutmachung bekommt, ist fraglich. Ribery plagen Rückenprobleme, die womöglich sogar das Aus für die WM bedeuten könnte. Dann hieße es wohl für die Equipe: Rien ne va plus.

Ecuador

"La Tri", wie die Nationalmannschaft Ecuadors genannt wird, hat sich als Tabellenvierter der Südamerika-Quali noch vor Uruguay für die WM qualifiziert. Allerdings löste das Team von Trainer Reinaldo Rueda, der Anfang der 90er an der Sporthochschule Köln studierte und fließend Deutsch spricht, das Ticket ausschließlich aufgrund seiner Heimstärke. Auf rund 2.800 Metern Höhe in Quito holte Ecuador 22 von 24 möglichen Punkten. Und auswärts? Da standen aus 8 Spielen gerade einmal 3 Zähler zu Buche. Ob "La Tri" auch ohne Höhenluft in Brasilien funktioniert, ist daher mehr als fraglich.

Die Stimmung bei den Ecuadorianern ist zudem alles andere als unbeschwert. Überschattet wird die dritte WM-Teilnahme durch den Tod des 27-jährigen Stürmers Christian Benitez. Der 58-malige Nationalspieler, der 24 Tore für das kleine südamerikanische Land geschossen hatte, war vergangenen Juli an einem Herzinfarkt gestorben. "Er ist nicht zu ersetzen", sagt Rueda.

Star des Teams ist ManUnited-Export Antonio Valencia. "Der Junge hat alles - Ruhe, Kraft, Schnelligkeit. Und er ist stark wie ein Ochse. Zudem hat er ein großes taktisches Gehirn", urteilte einmal Alex Ferguson über ihn. Allerdings hat der 28-jährige Flügelspieler eine Saison hinter sich, in der er sich häufig auf der Bank wiederfand. Auch in der WM-Quali enttäuschte Valencia über weite Strecken und blieb torlos. Ganz im Gegensatz zu Angreifer Felipe Caicedo, der 7 Treffer erzielte. Allerdings ist der 25-Jährige nach Stationen in Lissabon, Manchester, Malaga, Levante und Moskau inzwischen bei Al-Jazira in Abu Dhabi gestrandet, wo er dieses Jahr erst 9 Spiele bestritt. Große Hoffnungen ruhen auf Moskau-Legionär Christian Noboa. Der 29-Jährige ist das Pendant zu Valencia auf der linken Seite, zusammen bilden die beiden eine echte Flügelzange.

Obwohl ein Überstehen der Vorrunde überraschend wäre, ist Coach Rueda Understatement fremd: "Ich möchte sieben Partien bei der WM spielen. Das ist das, was ich immer meinen Spielern sage." Sieben Partien? Das wäre gleichbedeutend mit dem Finaleinzug oder dem Spiel um Platz 3.

Honduras

Honduras gehört zu den großen Unbekannten bei der WM. Dabei sind "Los Catrachos" nach 1982 und 2010 schon zum dritten Mal bei einer Endrunde dabei. Zu einem Sieg hat es bislang aber noch nicht gereicht. "Es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu machen", fordert daher Trainer Luis Fernando Suarez: "Wir sind sehr optimistisch."

Und in der Tat hat das Team aus Mittelamerika das Potenzial, eine der Überraschungen in Brasilien zu werden. Seit Suarez 2011 die Nationalmannschaft übernahm, ging es spielerisch steil bergauf. Der Kolumbianer sortierte einige Alt-Stars aus und baute junge Akteure ein. Bei den Olympischen Spielen vor zwei Jahren in London düpierte die Auswahl unter seiner Regie den Gold-Kandidaten Spanien und scheiterte erst im Viertelfinale knapp an Brasilien. In der Concacaf-Qualifikation feierte Honduras unter anderem Siege gegen die WM-Teilnehmer USA und Costa Rica sowie in Mexiko.

Der 30. der Fifa-Weltrangliste ist mit seiner kraftvollen, kompakten und kontergefährlichen Spielweise für die Gruppengegner Frankreich, Ecuador und Schweiz ein ernsthafter Kontrahent. "Unser Fußball wird von manchen als exotisch und seltsam belächelt", sagte Suarez. Aber der selbstbewusste Coach glaubt an einen Coup: "Wir können Frankreich bei der WM schlagen."

Auch bei den Spielern herrscht Zuversicht. "Wir wollen weiterkommen", sagte Wilson Palacios von Stoke City. Der zentrale Mittelfeldspieler ist eine der Schlüsselfiguren mit Erfahrung in der englischen Premier League. Das Zeug zum Shootingstar hat der 21-jährige Andy Najar. Der 1,71 Meter große Wirbelwind auf dem Flügel mischte in der vergangenen Saison als Neuzugang beim RSC Anderlecht die belgische Jupiler League auf.

Quelle: ntv.de, sport.de

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