Viertelfinaldrama mit Elferkrimi Kroatien beendet Russlands WM-Märchen
07.07.2018, 22:51 Uhr
Hoffenheim-Profi Andrej Kramaric sorgte acht Minuten nach Russlands Traumtorführung für den kroatischen Ausgleich.
(Foto: REUTERS)
Die Fußball-WM in Russland geht ohne den Gastgeber weiter. Kroatiens Fußball-Nationalmannschaft beendet im Viertelfinale das russische Fußballmärchen. In Sotschi muss sich der Favorit in einem umkämpften Spiel aber durchs Elfmeterschießen zittern.
Ivan Rakitic hat Russlands überraschender WM-Party im Viertelfinale den Stecker gezogen und Kroatien erstmals seit 1998 ins Halbfinale gebracht. Dem früheren Schalker gelang im Elfmeterschießen der entscheidende Treffer zum 4:3-Sieg. Nach 120 Minuten hatte es vor 44.287 ohrenbetäubend lauten Zuschauern im Fischt-Stadion von Sotschi 2:2 (1:1, 1:1) gestanden. Nach seinem Achtelfinal-Coup im Elfmeterschießen verpasste die Sbornaja aber diesmal vom Punkt eine weitere Fußball-Sensation, während Kroatien erneut Nervenstärke bewies. Im Achtelfinale hatten sich das Team gegen Dänemark ebenfalls im Elfmeterschießen durchgesetzt.
Russland: Akinfejew - Fernandes, Kutepow, Ignaschewitsch, Kudrjaschow - Sobnin, Kusjajew - Samedow (54. Erokhin), Golowin (102. Dzagoev), Tscheryschew (67. Smolov) - Dschjuba (79. Gazinsky); Trainer: Tschertschessow
Kroatien: Subasic - Vrsaljko (97. Corluka), Lovren, Vida, Strinic (74. Pivaric) - Rakitic, Modric - Rebic, Kramaric (39. Kovacic), Perisic (63. Brozovic) - Mandzukic; Trainer: Dalic
Tore: 1:0 Tscheryschew (31.), 1:1 Kramaric (39.), 1:2 Vida (101.), 2:2 Fernandes
Elfmeterschießen: Elfmeterschießen: Subasic hält gegen Smolow, 0:1 Brozovic, 1:1 Dsagojew, Akinfejew hält gegen Kovacic, Fernandes schießt am Tor vorbei, 1:2 Modric, 2:2 Ignaschewitsch, 2:3 Vida, 3:3 Kusjajew, 3:4 Rakitic
Schiedsrichter: Sandro Ricci (Brasilien)
Zuschauer: 44.287 (Sotschi)
Gelbe Karten: Strinic (38.), Lovren (35.), Vida (102.), Gazinskiy (109.), Pivaric (114.)
Mit seinem vierten Turniertreffer hatte Denis Tscheryschew das Team von Trainer Stanislaw Tschertschessow in Führung gebracht (31.). Der Hoffenheimer Bundesliga-Profi Andrej Kramaric (39.) und der frühere Leverkusener Domagoj Via (111.) drehten die Partie für die Kroaten, bevor dem gebürtigen Brasilianer Mário Fernandes (115.) wieder der Ausgleich für die Gastgeber gelang. Am Ende jubelte trotzdem Kroatien, das nun am Mittwoch im Moskauer Luschniki-Stadion auf England trifft.
Erst "Huh", dann aus dem Häuschen
Die euphorischen russischen Fans unterstützten ihr Team mit zwei großen Spruchbändern ("Wer, wenn nicht ihr?" und "Wann, wenn nicht jetzt?") und rhythmischem Klatschen nach Art des isländischen "Huh".Aus dem Häuschen gerieten sie, als Tscheryschew ihr Team in Führung brachte. Nach Doppelpass mit Artjom Dsjuba traf der Offensivspieler vom FC Villarreal aus rund 20 Metern links oben ins Tor des verdutzten kroatischen Schlussmanns Danijel Subasic. Luka Modric von Real Madrid und Vida kamen zu spät, um das Gegentor zu verhindern.
Es war ein Tor aus dem Nichts. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Kroaten die Partie geprägt. Auch vom Rückstand ließ sich die Mannschaft von Trainer Zlatko Dalic nicht aus dem Konzept bringen. Nach einer Kombination über die ehemaligen Bundesligaprofis Ivan Perisic und Mario Mandzukic köpfte der wieder in die Startformation gerückte Kramaric den Ausgleichstreffer. Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew revanchierte sich daraufhin mit einem anerkennendem Händedruck artig bei Kroatiens Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic, die das rot-weiß karierte Trikot ihres Teams trug. Beim ersten Treffer hatte sie ihm hochachtungsvoll über den zwischen ihnen auf der Ehrentribüne platzierten Fifa-Präsidenten Gianni Infantino hinweg gratuliert.
Mehr Hochspannung als Klasse
Die Begegnung lebte weitgehend von der Spannung. Beide Mannschaften kamen lange Zeit kaum in den Spielrhythmus und verloren meist früh den Ball. Strafraumszenen waren über weite Strecken der Begegnung selten. Und die individuelle Klasse des kroatischen Teams um den mit großem Selbstvertrauen ausgestatteten Frankfurter Pokalhelden Ante Rebic blitzte nur hin und wieder auf. Zum Beispiel bei einem Fallrückzieher von Kramaric kurz nach dem Seitenwechsel und einem Schuss an den Innenpfosten von Perisic (60.). Trainer Dalic erhöhte den Druck auf die arg passiven Russen. In Rebic, Kramaric und Mandzukic schickte er drei Akteure in die vorderste Reihe. Doch es blieb zäh gegen die robusten Gastgeber, die mit ihrer Defensive im Achtelfinale schon die Spanier zur Verzweiflung getrieben und ins Elfmeterschießen gezwungen hatten.
Für Russland boten sich Dsjuba und dem eingewechselten Alexander Jerochin mittelprächtige Kopfballchancen. Verschleißerscheinungen machten sich am Ende einer intensiven Partie breit, als Vida nach einem Eckstoß das 2:1 köpfte. Der 29-jährige von Besiktas Istanbul war der achte Torschütze der Kroaten im Turnier. Es war der erste Treffer in der Verlängerung bei dieser WM. Der angeschlagene kroatische Torwart Subasic parierte noch einen strammen Schuss von Daler Kusjajew, beim Kopfball von Mario Fernandes (115.) aber war er machtlos.
Quelle: ntv.de, cwo/dpa