So läuft der WM-Auftakt gegen Portugal Löws Hochbegabte versprühen Energie
16.06.2014, 13:17 Uhr
Es kann losgehen: Klose, Kramer, Höwedes, Durm, Schweinsteiger, Khedira, Mustafi, Podolski und Klose (v.l.) scheint's zu freuen.
(Foto: REUTERS)
Während Portugals Trainer die Bedeutung der Partie leugnet, starten Deutschlands Fußballer mit schlechtem Omen, aber gut gelaunt in ihre erste WM-Partie. Nur: Führt der Löw’sche Optimismus auch zur Titelreife?
Deutschland: Neuer - Boateng, Mertesacker, Hummels, Höwedes - Lahm, Khedira - Özil, Kroos, Götze - Müller. - Trainer: Löw
Portugal: Patricio - Pereira, Alves, Pepe, Coentrao - Veloso - Nani, Moutinho, Meireles, Ronaldo - Almeida. - Trainer: Bento
Schiedsrichter: Mazic (Serbien)
Worum geht's?
Na, um den ersten Schritt auf dem Weg zum Titel. Zumindest das Finale dieser Fußball-Weltmeisterschaft am 13. Juli in Rio de Janeiro ist das erklärte Ziel der deutschen Nationalelf und ihres Trainers. Joachim Löw setzt dabei allerdings in jüngster Zeit auffallend oft auf weiche, nicht messbare Kriterien. Auch vor dem Auftaktspiel (ab 18 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) gegen Portugal in Salvador de Bahia im mit 48.747 Zuschauern ausverkauften Stadion Fonte Nova betonte er: "Wir haben einen guten Teamgeist entwickelt, die Mannschaft ist zusammengewachsen."
Heute gibt es eine erste Antwort auf die Frage, ob das zusammen mit der zweifelsohne hohen individuellen Güte der Spieler reicht, um in Brasilien den ganz großen Wurf zu landen. Und ob Löw nach acht Jahren im Amt sein Meisterstück gelingt. Das wird auch davon abhängen, ob das Team sich tatsächlich als Turniermannschaft entpuppt, wie es Torhüter Manuel Neuer prognostizierte. Also als Mannschaft, die sich im Laufe der WM immer stärker wird und bereit ist, wenn es darauf ankommt. Und nicht wie bei der Europameisterschaft 2012 im Halbfinale gegen Italien überfordert ist. Sagen wir es so: Zweifel an der Titelreife der deutschen Auswahl sind nicht völlig unangebracht.
Wie stehen die Vorzeichen?
Vor dem ersten WM-Spiel des DFB-Teams in Salvador wirkt das erste WM-Spiel der Spanier an gleicher Stelle noch nach. Das spektakuläre 1:5 gegen die niederländische Lokomotive hat Eindruck hinterlassen, zumindest im Anhang. Während die in der malerischen Innenstadt verbliebenen spanischen Fan-Sprengsel mit traurigen Augen versichern, trotz des "big, big desasters" gegen Holland sei noch nichts verloren, schwitzen Teile des DFB-Anhangs nicht nur wegen der schwülen Hitze in Salvador. Sie haben Angst, sie albträumen: "Stell dir mal vor, wir kriegen so eine Klatsche gegen Portugal", heißt es dann. Das wäre gut 9000 Kilometer von daheim entfernt Grund, schon direkt nach dem Abpfiff gegen 15 Uhr brasilianischer Zeit auf die therapeutische Wirkung der Nationalmedizin Caipirinha zu vertrauen.
Auch wenn der deutsche Fan recht schnell zu Schnapp- und gelegentlicher Schnapsatmung neigt: Ganz unberechtigt sind die Sorgen nicht. Deutschland ist zwar nicht Spanien, wie Deutschland gegen Spanien mehrfach mit Bedauern feststellen musste. Sportlich bleibt das DFB-Team aber eine Wundertüte. Gegen Ronaldo und die zehn Nicht-Ronaldos könnte sich Bundestrainer Löw deshalb taktisch bei Jürgen Klopp bedienen. Der hatte seine Dortmunder Wundertüte im CL-Viertelfinalrückspiel gegen Real Madrid im 4-1-4-1-System spielen lassen und damit die Kontertaktik von Ronaldo und Co. konterkariert. Gleiches könnte Löw jetzt gegen Portugal versuchen, mit Philipp Lahm als Solo-Sechser und Mesut Özil als falscher Neun. Der frühere österreichische Nationaltrainer Josef Hickersberger prophezeite dem DFB-Team im Gespräch mit n-tv.de eine interessante WM, einen schweren Auftakt - und Joachim Löw schlaflose Nächte. Das könnte auch daran liegen, wer vor dem DFB-Team im noblen Catussaba Resort nächtigte. ¿Tienes una idea?
Wie ist die DFB-Elf drauf?
Die Stimmung ist prächtig - das betonen zumindest alle Beteiligten unisono. "Lukas Podolski sprüht vor Energie", wusste der noch augenringfreie Bundestrainer zu berichten. Ob der Herzenskölner in Diensten des FC Arsenal allerdings in der Startelf steht, verriet Löw nicht. André Schürrle vom FC Chelsea sei nämlich auch super drauf. Das gilt auch für die deutschen Fans, die die 9000 Kilometer lange Flugreise nach Salvador an die Atlantikküste auf sich genommen haben und in Kleingruppen sogar die Abfahrt des Teambuses vom Hotel mit Sprechchören feiern.
Schwer zu sagen, wie viele es letztlich insgesamt sind. Die Schätzungen belaufen sich auf 5000. Die deutsche Fanbotschaft auf dem Praca da Sé meldete regen Zulauf, viele brauchen noch eine Eintrittskarte. Die Stimmung im Pelourinho genannten Centro Historico, das zum Weltkulturerbe der Unesco gehört, glich am frühen Sonntagabend einem friedlichen Straßenfest mit einem Hauch von WM-Flair. Fans in weiß-schwarzen und rot-grünen Trikots flanierten zusammen mit den Einheimischen durch die kopfsteingepflasterten Gassen oberhalb des Hafens, bewacht von den mutmaßlich arg humorlosen und schwer bewaffneten Einheiten der omnipräsenten Policia Militar. Immerhin: Alles blieb friedlich, die Stimmung war prächtig. "Tudo bem", wie der Brasilianer sagt und dabei einen seiner Daumen in die Höhe streckt. Sportsfreund Podolski dürfte hier seine Freude haben.
Wie läuft's bei Portugal?
Es dreht sich, natürlich, viel um Cristiano Ronaldo. Der Weltfußballer hatte im November vergangenen Jahres seine Mannschaft in den Playoff-Partien gegen Schweden nahezu im Alleingang nach Brasilien geschossen und so dafür gesorgt, dass mit Zlatan Ibrahimovic der andere große Exzentriker des Weltfußballs zu Hause bleiben musste. Dem Vernehmen nach soll Ronaldo nach seinen Problemen an Knie und Oberschenkel wieder völlig fit sein, Portugals Ersatztorhüter Eduardo gab zu Protokoll: "Wir haben den besten Spieler der Welt im Team. Niemand gewinnt ein Spiel allein, aber er kann den Unterschied ausmachen." Trainer Paulo Bento lässt es da wie gewohnt etwas ruhiger angehen. "Ein erstes Spiel ist nie entscheidend", sagte er. "Ein Sieg wird uns nicht das Weiterkommen garantieren, eine Niederlage wirft uns nicht aus dem Turnier. Wir haben 2012 gegen Deutschland verloren und danach trotzdem das Halbfinale erreicht. Und wir haben bei der WM 1986 das erste Spiel gegen England gewonnen und sind dann nach der Vorrunde ausgeschieden."
War sonst noch was?
Die brasilianischen Proteste rund um die WM beweisen, dass selbst im Land der - Achtung Klischee - Lebensfreude nicht alles "Tudo bem" ist. Auch bei den bisherigen Schiedsrichterleistungen blieb der brasilianische Daumen unten. Die Regelauslegung des japanischen Parteiischen zum WM-Auftakt gegen Kroatien war sogar den Brasilianern peinlich, in den folgenden Spielen wurde es nicht wirklich besser. Spötter fühlen sich bereits an die Frauen-WM 2011 erinnert. Deutsche Regelfreunde, die völlig verunsichert einen völlig verpfiffenen WM-Auftakt befürchten, können sich nur damit trösten, dass zwar die Referees nicht tipptopp funktionieren - aber ihre neuen Hilfen. Das Freistoßspray hat sich seit WM-Beginn bewährt. Es sieht am Hosenbund, auf dem Rasen und selbst auf mexikanischen Schuhen formidabel aus. Aus Fifa-Sicht nicht minder famos: Die Flüchtigkeit wurde an den eigenen Reformversprechen ausgerichtet, nach wenigen Minuten ist alles verschwunden.
Ebenso erfreulich: Dank Karim Benzema ist die Fußballwelt auch im Bilde, dass aus Würselen bei Aachen solide deutsche Fußwerkstechnik in die brasilianischen WM-Stadien geliefert wurde. Nach Benzemas Pfostenschuss - dem dritten Aluminiumtreffer der Franzosen - ließ der honduranische Keeper den Ball voller Mitleid knapp über die Linie rutschen. "GoalControl" kam zum Einsatz und meldete korrekt: "Goal". Noch schöner war: Der brasilianische Schiedsrichter Sandro Ricci ließ den Treffer auch gelten. Dafür zwei "Tudo bem".
Quelle: ntv.de