Musterknabe namens André Horst Schürrle drängt in Löws WM-Startelf
03.07.2014, 06:17 Uhr
André Schürrle hat mit seinem Tor gegen Algerien die Wende gebracht. Jetzt hofft er auf einen Einsatz in der Startelf.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Er ist der Mann fürs Wuchtige, der ideale Joker. André Schürrle liefert dem Bundestrainer gute Argumente, im Viertelfinale der Fußball-WM gegen Frankreich auf ihn zu setzten. Doch sein größtes Plus ist zugleich sein Dilemma.
Bei der deutschen Fußballnationalmannschaft unterscheiden sie ja seit Beginn der Woche wieder zwischen "schön spielen" und "erfolgreich sein". Das ist insofern eine kleine Revolution, als dass Joachim Löw stets als der Ästhet unter den Trainern galt, als einer, dem es nicht reicht, einfach nur zu gewinnen. "Jogi bonito" - und das hat man seinem Team ja auch angesehen. Vor ziemlich genau einem Jahr sprach er den Satz: "Wer den schönsten Fußball spielt, der hat den größten Erfolg. Ich liebe den schönen, den offensiven Fußball."
Am Montag nun, just nachdem die DFB-Elf nach 120 mühevollen Minuten Algerien mit 2:1 besiegt hatte und ins Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft eingezogen war, da sagte er: "Wir müssen nicht fantastisch spielen, sondern wir müssen gewinnen. Wir haben vielleicht in der Vergangenheit bei dem einen oder anderen Turnier fantastisch gespielt - und sind ausgeschieden." Auch wenn das keine Kehrtwende in seinem Anspruchsdenken sein muss: Der Bundestrainer zeigt bei diesem Turnier, dass mehr Pragmatismus in ihm steckt, als viele angenommen hatten. Was ihn treibt, dürfte bekannt sein: Der Titel soll es sein.
Dafür müssen Deutschlands beste Fußballer aber erst einmal an diesem Freitag in Rio de Janeiro im Viertelfinale gegen Frankreich gewinnen. Und André Schürrle findet, dass er zu denen gehören sollte, die beim Anpfiff um 18 Uhr auf dem Rasen des Maracanã stehen. Der 23 Jahre alte Flügelspieler vom FC Chelsea hat das nicht gefordert, das passt nicht zu seinem genügsamen Wesen. Schließlich gilt er als ambitionierter Musterknabe, der eifrig den Anweisungen seiner Chefs folgt. Aber er hat gestern im Campo Bahia, wo die Mannschaft zwischen den Spielen residiert, seine Ansprüche doch relativ deutlich formuliert: "Ich bin heiß. Ich bin in einer guten Form. Ich bin bereit, wenn der Bundestrainer auf mich setzen sollte." Es gibt gute Gründe, dass Löw das tun sollte. Und die sind eher pragmatischer Natur. Unter den Schönspielern im Mittelfeld ist Schürrle eher der Mann fürs Wuchtige, einer, der den direkten Weg zum Tor sucht.
Er ist der Joker, der sticht, sobald ihn der Bundestrainer einsetzt
Als er im Achtelfinale gegen Algerien für den Münchner Mario Götze in die Partie kam, brachte er über die rechte Seite, schnell und dynamisch wie er ist, Tempo und Schwung in das deutsche Spiel. Er war es, der nach 92 Minuten das erste Tor erzielte. Übrigens in durchaus ästhetischer Manier - mit der Ferse des linken Fußes. "Ich habe versucht, den Ball mit der Hacke zu treffen, weil es keine andere Möglichkeit mehr gab. Wie er dann kommt, es war ja fast wie ein Dropkick mit der Hacke, ist natürlich sensationell", sagte Schürrle hinterher. Und wirkte, als staune er über sich selbst.
Götze hingegen enttäuschte, verlor oft den Ball, verzettelte sich meist und war vor des Gegners Tor vollkommen ungefährlich. Ebenso Mesut Özil, der nach der Einwechslung Schürrles auf die linke Seite wechselte und immerhin den in Nachhinein gar nicht so unwichtigen zweiten Treffer erzielte. Allerdings nur, weil es partout keine Möglichkeit mehr gab, den Ball einem seiner Mitspieler zu überlassen. Schürrle seinerseits war von Beginn an präsent. Sein Dilemma könnte nur sein, dass das genau die Fähigkeit ist, die ihn zum idealen Einwechselspieler macht. Er ist der Joker, der sticht, sobald ihn der Bundestrainer einsetzt. In seinen bisher 36 Länderspielen wurde er 24-mal eingewechselt und erzielte 14 Tore. Gestern dann sagte er: "Ich fühle mich wohler, wenn ich von Anfang an auf dem Platz bin."
Was das alles für das Viertelfinale gegen die Franzosen heißt, weiß wie immer nur der Bundestrainer. Aber in einer Situation, in der er den verletzten Marco Reus gut gebrauchen könnte, ist dieser André Horst Schürrle einer, der den Dortmunder am ehesten ersetzen könnte. Angesehen davon, dass es einen Versuch wert wäre, es gar nicht so weit kommen zu lassen, dass es nötig ist, einen von der Bank zu holen, der den Karren aus dem Dreck zieht. Schürrle jedenfalls hat sicherheitshalber noch gesagt, er fühle sich stark genug, im Falle eines Elfmeterschießens als Schütze anzutreten. Wenn das kein handfestes Argument ist.
Quelle: ntv.de