Pizzi perplex, nicht gefeuert WM-Slapstick auf Saudi-Arabisch
15.06.2018, 13:16 Uhr
Das Auftaktspiel gegen Gastgeber Russland hatte sich das Team von Saudi-Arabien anders vorgestellt.
(Foto: REUTERS)
Fünf Tore kassiert Saudi-Arabien von Gastgeber Russland im WM-Auftaktspiel. Dabei spielt das Team von Trainer Juan Antonio Pizzi in der Vorbereitung noch recht anständig gegen Deutschland. Nun aber überrascht sie mit kuriosen Aussetzern.
Juan Antonio Pizzi stutzte kurz, dann sagte er trocken: "Großartige Frage." Der spanische Coach der saudi-arabischen Fußballer war nach dem surrealen WM-Eröffnungsspiel gefragt worden, ob er sein Team nach der 0:5-Auftaktschmach gegen die russischen Gastgeber noch bis zum Turnierende werde betreuen dürfen. Der stolze Spanier wirkte peinlich berührt, seine wortreiche Antwort lautete schließlich sinngemäß: Er habe seine eigene Philosophie, der werde er treu bleiben.
Beim saudi-arabischen Fußballverband sehen sie das anscheinend ähnlich. Am Morgen nach der Niederlage wurde zumindest nichts von personellen Konsequenzen bekannt. Der zweite spanische Blitz-Trainerrauswurf der Weltmeisterschaft 2018 steht erst einmal nicht befürchten, wobei es Julen Lopetegui ja strenggenommen nicht einmal bis zur WM geschafft hatte.
Pizzi mit Saudi-Arabien schon. Das Resultat ist bekannt, es war ein Fiasko und aus Sicht des Trainers ebenso beschämend wie unerklärlich. Das bleibt es auch mit einer Nacht Abstand zur höchsten Pleite in einem WM-Eröffnungsspiel. "Wir haben nicht das gemacht, was wir machen wollten", hatte Pizzi nach dem Spiel mit einer gewissen Bitterkeit in der Stimme konstatiert. Russland schon, und das schien ihn neben der Nicht-Leistung seines Teams besonders zu wurmen. Kopfbälle, Flanken, lange Pässe, dazu aber auch immer wieder Ballverluste bei eigenen Angriffen. "Ich habe nicht viele Überraschungen im russischen Spiel gesehen."
Seltsam komödiantische Züge
Die gab es dafür im saudi-arabischen Spiel, und zwar zuhauf. Das war nach ordentlichem Start mit ansehnlichen Kurzpassstaffetten im Mittelfeld schnell in Fußball-Slapstick ausgeartet. Es trug seltsam komödiantische Züge, wie Pizzis Team bei seinen harmlosen Angriffsbemühungen (null Schüsse aufs Tor) immer wieder seine Abwehr entblößte und den Gegner zu Kontern einlud. Wie die saudischen Abwehrspieler in Zweikämpfen von ihren ein bis zwei Köpfen größeren Gegenspielern einfach abzuprallen schienen. Wie sie in den ungünstigsten Momenten die Balance verloren.
Im Moskauer Luschniki-Stadion lief nicht das Saudi-Arabien auf, das Weltmeister Deutschland noch vor einer Woche am Rande eines Remis gehabt hatte. Sondern jenes, das gegen die DFB-Elf bei der WM 2002 mit 0:8 untergegangen war. Während Pizzi noch um Fassung und Erklärungen rang, ergossen sich auf Twitter längst Häme und Verschwörungstheorien. Selbst der Trainer fand ja, dass Russland eigentlich gar nicht viel getan hatte für den Kantersieg - und dass ein solches Ergebnis "nicht normal ist in solchen Spielen".
Es war vielmehr so: An einem Abend, an dem viele den russischen Zusammenbruch befürchtet hatten, fielen für den Gastgeber erstaunlicherweise alle Puzzleteile perfekt zusammen. Selbst der Ausfall des russischen Spielmachers Alan Dzagoev fiel nicht ins Gewicht: Für ihn kam Denis Tscherischew ins Spiel, der mit zwei Toren zum Super-Joker mutierte. Den Russen half, dass die saudi-arabischen Gegenspieler in denkbar ungünstigen Momenten zu Fall kamen, vor dem 1:0 ebenso wie beim 3:0. Torwart Abdullah Al-Mayoof, gegen Deutschland noch titanesk gut in Form, agierte im Luschniki plötzlich, als hätte er alle Unterrichtsstunden bei Oliver Kahn geschwänzt. Sieben Schüsse bekam er aufs Tor, fünf waren drin - und das nicht, weil sie unhaltbar gewesen wären.
Bei all dem Frust bemühte sich Pizzi um routinierten Optimismus. Den Vorwurf, auch unter seiner Leitung habe es keine Entwicklung im Team gegeben, wies er bestimmt zurück. Wichtig sei jetzt, die "beschämende Situation" bis zum nächsten Spiel gegen Uruguay abzuhaken. Aber, betonte Pizzi: "Ich habe Vertrauen in meine Spieler und glaube absolut daran, dass wir im nächsten Spiel eine bessere Leistung zeigen werden." Alles andere wäre nach dieser Nicht-Leistung allerdings auch arg seltsam.
Quelle: ntv.de