Pfiffe gegen Gündogan DFB-Team bleibt bei WM-Generalprobe blass
08.06.2018, 21:23 Uhr
Selbst bei seiner Torchance kassiert Ilkay Gündogan Pfiffe von den Rängen.
(Foto: imago/Matthias Koch)
Die deutsche Nationalmannschaft gewinnt zwar im letzten Testspiel vor der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Saudi-Arabien, kann aber nur phasenweise überzeugen. Gegen Ende steht die Partie sogar auf der Kippe. Für Ilkay Gündogan hagelt es zudem nach seiner Einwechslung Pfiffe vom Publikum.
Generalprobe mit Misstönen: Die Top-Elf des Weltmeisters präsentiert sich gut eine Woche vor ihrem WM-Auftakt noch längst nicht titelreif. Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw mit sieben Rio-Helden um Rückkehrer Jerome Boateng kam bei ihrer Generalprobe in Leverkusen gegen Saudi-Arabien trotz guter Ansätze nur zu einem 2:1 (2:0). Zudem sorgte die "Erdogan-Affäre" um Ilkay Gündogan und Mesut Özil erneut für Unmut. Timo Werner (8.) und ein Eigentor von Omar Othman (43.) ließen zur Pause kaum einen Zweifel am ersten deutschen Sieg nach fünf Spielen aufkommen. Die Mannschaft zeigte sich nach dem enttäuschenden 1:2 in Österreich bemüht, Wiedergutmachung zu leisten, und hätte höher gewinnen können.
Deutschland: Neuer - Kimmich, J. Boateng, Hummels, J. Hector - Khedira, T. Kroos - T. Müller, Reus, Draxler - Ti. Werner
Saudi-Arabien: Al-Mayouf - Al-Shahrani, Os. Hawsawi, Om. Hawsawi, Al-Harbi - Otayf, Al-Jassim - Al-Faraj, Al-Shehri, Al-Dawsari - Al-Muwallad
Tore: 1:0 Ti. Werner(8.), 2:0 Hawsawi ET (43.), 2:1 Al-Jassim (84.)
Wechsel: ter Stegen für Neuer (46.), Süle für J. Boateng (46.), Gündogan für Reus (57.), Gomez für Ti. Werner (62.), Brandt für T. Müller (74.), Ginter für Kimmich (81.) - Al-Breik für Al-Harbi (46.), Al-Sahlawi für Al-Muwallad (62.), Al-Mogahwi für Otayf (75.), Al-Bulaihi für Os. Hawsawi (82.), Bahebri für Al-Dawsari (87.), Abdullah Al-Khaibari für Al-Faraj (90.)
Zuschauer: 30210 (BayArena Leverkusen)
Schiedsrichter: Slavko Vincic (Slowenien)
Der Abwehrverbund aber zeigte gegen die Nummer 67 der Welt eindeutig zu viele Wackler. So gelang dem Gast noch das Anschlusstor: Taiseer Al-Jassim verkürzte (85.) per Nachschuss nach Foulelfmeter auf 1:2. Der für Manuel Neuer zur Pause eingewechselte Marc-André ter Stegen hatte zuvor den Strafstoß von Mohammed Al-Sahlawi nach Foul von Sami Khedira pariert.
"Es gibt keine kleinen Mannschaften mehr", sagte Marco Reus in der ARD: "Wir haben es aber in einigen Bereichen nicht gut gemacht. Wir sind in viele Konter gelaufen, die Lücken waren zu groß. Aber wir sind eine Turniermannschaft, wir haben noch eine Woche Zeit. Deutschland muss sich keine Sorgen machen."
Pfiffe für Gündogan
Mehr als manche Unkonzentriertheit ärgerte Löw, dass Gündogan bei seiner Einwechslung (57.) und jedem Ballkontakt ausgepfiffen wurde. Verzweifelt versuchte der Bundestrainer, das Publikum umzustimmen - vergeblich. Gündogan hatte an der Seite von Mesut Özil den umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen und damit für Wirbel gesorgt. Der angeschlagene Özil (Knieprellung) saß auf der Bank.
"Dass ein Nationalspieler so ausgepfiffen wird, hilft niemandem", sagte Löw in der ARD. Er frage sich, was die beiden noch tun sollen. Gündogan habe gesagt, es sei kein politisches Statement gewesen und er identifiziere sich voll mit Deutschland. "Das Thema ist dann irgendwann auch mal vorbei", kommentierte der Bundestrainer leicht angesäuert die Pfiffe von den Rängen.

Mats Hummels dirigiert gegen Saudi-Arabien aus der Abwehr heraus - oft aber ohne erhört zu werden.
(Foto: dpa)
Doch es gab auch positive Erkenntnisse: Kapitän Neuer strahlte in seinem zweiten Länderspiel nach überstandener Fußverletzung abermals Ruhe und Souveränität aus. Mit Wiederbeginn wurde er von Stellvertreter ter Stegen ersetzt. Boateng, der nach seiner Adduktorenverletzung sechs Wochen nicht gespielt hatte, bekam ebenfalls nur 45 Minuten. Anfangs war ihm die fehlende Praxis anzumerken, aber er gewann an Sicherheit.
Vier Tage vor dem Abflug nach Moskau legte Löw die Karten auf den Tisch: Die Elf, die 30.210 Zuschauer in der ausverkauften BayArena sahen, dürfte auch zum WM-Auftakt am 17. Juni (17.00 Uhr) gegen Mexiko auflaufen. Einzig Weltmeister Özil könnte noch ins Team rücken, sofern er fit wird.
Reus ein Lichtblick
Und was die Fans zu sehen bekamen, war zunächst durchaus ansprechend. Gegen körperlich schwache Saudis machte das DFB-Team sofort Druck, Positionswechsel sorgten für Unruhe. Besonders auffällig: Marco Reus, der Werner das 1:0 nach einem langen Pass von Joshua Kimmich auflegte. Kurz darauf traf der Dortmunder den Pfosten (11.).
Wie für Boateng war die Partie auch für Toni Kroos sowie Mats Hummels und Thomas Müller ein Härtetest. Alle drei Spieler hatten beim enttäuschenden 1:2 in Österreich noch gefehlt, ihre Rückkehr tat dem deutschen Spiel gut. Die "grünen Falken", die am Donnerstag gegen Gastgeber Russland das WM-Eröffnungsspiel bestreiten, kamen nur selten über die Mittellinie.
Ihre spielerische Unterlegenheit versuchten sie bisweilen, mit Härte wettzumachen. Kroos (20.) und Kimmich (23.) bekamen dies schmerzlich zu spüren. Dies zusammen mit der Führung und der schwülen Witterung führte zu einem Bruch im deutschen Spiel. Im Angriff ging die Zielstrebigkeit verloren, in der Defensivarbeit häuften sich die Nachlässigkeiten. Neuer oder Boateng schimpften immer wieder über mannschaftstaktische Fehler.
Löw verspricht "mehr Power"
Werner (32.) und Sami Khedira (37.) per Direktabnahme nach einer Reus-Flanke verpassten das 2:0. Einem regulären Treffer von Müller wurde die Anerkennung versagt (41.), ehe Othman einen Hackenball des Bayern-Profis unglücklich ins eigene Netz verlängerte. In der zweiten Hälfte hatten Draxler (50.) und Müller (55.) weitere Treffer auf dem Fuß. Löw nutzte die zweiten 45 Minuten zu weiteren personellen Experimenten, wodurch der Spielfluss gehemmt wurde. In der Schlussphase musste die deutsche Mannschaft gar um den Sieg bangen.
Für die anstehende Weltmeisterschaft versprach der Bundestrainer aber eine Leistungssteigerung. "Sorgen mache ich mir keine, weil ich weiß, dass wir uns weiterhin steigern. Wenn es losgeht, werden wir da sein", sagte Löw. "Nächste Woche werden wir spritziger und dynamischer sein und mehr Power haben."
Quelle: ntv.de, mba/sid/dpa