Bundestrainer tritt emotional ab Alle lieben Horst: Hrubesch wird mit Drama und Bronze beschenkt

Es ist der bestmögliche Abschied: Bronze für Horst Hrubesch und das DFB-Team.

Es ist der bestmögliche Abschied: Bronze für Horst Hrubesch und das DFB-Team.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mit Olympia-Bronze verabschiedet sich Horst Hrubesch in die Trainer-Rente. Die Fußballerinnen bereiten dem 73-Jährigen einen wunderbaren Abschied nach einer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte. Hrubesch ist (groß)väterlicher Freund, strenger Lehrmeister und keiner für eine ruhige Kugel.

Während dieser Olympischen Spiele hatte Hrubesch vor dem Fernseher gesessen. Petanque lief, die Sportvariante des Boule, der französische Nationalsport. Es habe ihn "fasziniert". Nun, klischeemäßig würde der Sport gut zum 73-Jährige passen, gemächlich eine ruhige Kugel schieben. Auch etwas anderes hat ihm gefallen: "Ein junger Mann und eine Dame um die 60, 70 Jahre alt - die haben das Ding gewonnen."

Bei ihm und dem DFB-Team ist es umgedreht. Er ist der ältere Mann und arbeitet mit den "Mädels" zusammen, wie er die Fußballerinnen nennt. Sie könnten seine Enkelinnen sein. Schon im Dezember hatte er sich bei ihnen bedankt: "Die nehmen den alten Mann mit und das funktioniert gut. Ich sehe das nicht als normal an. Ich kann den Mädels nur Danke sagen." Sie wollen sich ebenfalls bedanken - Klara Bühl kündigte vorab an, ihrem Trainer die Bronzemedaille widmen zu wollen, denn ihre gemeinsame Zeit endet nun.

"Er bekommt ein Abschiedsgeschenk"

Zum Abschied schiebt Hrubesch alles andere als eine ruhige Kugel. Wie gut, dass er vorher nichts vom historischen letzten Spiel hören will: "Es gibt auch Leute, die gehen am letzten Tag arbeiten und gehen dann in Rente. Das ist nichts anderes." Doch der Arbeitstag gerät alles andere als normal. Im Spiel um Bronze gegen die Weltmeisterinnen aus Spanien hört man ihn beständig vom Seitenrand rufen, Anweisungen geben, anfeuern, beruhigen.

Er kann Giulia Gwinn dabei zusehen, wie sie souverän den fälligen Foulelfmeter verwandelt und Deutschland 1:0 in Führung bringt. "Letzte Minute", schreit er, als die siebte Minute der Nachspielzeit anbricht. Was er da noch nicht weiß: Es gibt Zeit obendrauf, lange Sekunden mit Herzinfarktpotenzial. Denn Spanien bekommt einen Elfmeter zugesprochen, hat die Chance, sich in die Verlängerung zu retten.

Aber für das Turnier hat Hrubesch ja Ann-Katrin Berger zur Nummer eins gemacht. Die 33-jährige Torhüterin krönte sich schon im Viertelfinale gegen Kanada zur Elfmeter-Killerin. So auch diesmal gegen Superstar Alexia Putellas - Berger erahnt die Ecke und wehrt den Schuss ab. Beim Abpfiff stürmen die Teamkolleginnen auf sie zu, Hrubesch am Seitenrand ballt die Fäuste und muss dann erstmal tief durchatmen, die Hände auf die Knie gestützt, ehe er sich Auswechselspielerin Laura Freigang schnappt und in den Arm nimmt.

"Wir freuen uns riesig für den Trainer. Das rundet die Sache ab. Er bekommt ein Abschiedsgeschenk", sagt Torschützin Gwinn. "Aber das größte Geschenk haben wir uns selbst gemacht." Dank Hrubeschs Hilfe, der den Unruhestand genießt. "Ich habe ein Lachen im Gesicht. Die Medaille, die ich den Mädels angekündigt habe, haben wir." Elfmeter-Heldin Berger berichtet: "Ich habe Horst gesagt: Der Elfmeter war einfach für ihn, dass er an mich geglaubt hat und mir das Vertrauen gegeben hat, obwohl ich die letzten paar Jahre sehr unter meinen Trainern gelitten habe und die aus mir nicht das Beste rausholen konnten."

Er kommt so gut mit seinen Mädels klar. Er hat sie nach dem WM-Desaster und dem Aus von Martina Voss-Tecklenburg als Bundestrainerin erneut interimsweise übernommen. Das hatte er schon 2018 getan, als die Amtszeit von Steffi Jones nicht gut gelaufen war. Hrubesch hat den Fußballerinnen wieder die Basics eingebläut, sagte etwa Bühl: "Er strahlt ein Urvertrauen aus, spiegelt uns das wider und das tut unglaublich gut. Er zeigt uns auf, was wir können, spricht das klar an, mit dem Weg sind wir sehr glücklich." Der Weg endet nun mit dem Gewinn der olympischen Bronzemedaille. Christian Wück übernimmt das Amt als Bundestrainer.

Ein paar Tage Urlaub mit Frau Angelika

Und Hrubesch? Hat dann Zeit für Petanque? Mitnichten, der Hamburger SV wartet schon auf ihn, Hrubesch wird zurückkehren in seinen Job, den er nur für die DFB-Frauen auf Eis gelegt hatte. Er wird wieder Nachwuchskoordinator beim Klub, will sich vermehrt auch um die Mädchen kümmern, sein Vertrag läuft bis 2025. Dazu wartet Berichten zufolge immer noch ein Buchprojekt auf ihn: "Fliegen - um die Welt". Um was wird es bei einem wohl gehen, der bereits das Buch "Dorschangeln vom Boot und an den Küsten" veröffentlicht hat? Nicht um Flugzeuge, sondern um die weltweit schönsten Gewässer zum Fliegenfischen. Der Mann, der auch schonmal eine Pferdezucht von Edelbluthaflingern in der Lüneburger Heide hatte, ist vielseitig interessiert.

Womöglich sehr zum Leidwesen seiner Frau Angelika, der er eigentlich schon längst versprochen hatte, Schluss zu machen mit dem Fußball und mehr Zeit für sie und gemeinsame Reisen zu haben. Nach dem Bronze-Coup sagt er: "Ich muss erst mal meine Frau zufriedenstellen und noch ein paar Tage mit ihr in den Urlaub fahren."

Doch sie kennt ihn ja gar nicht ohne den Ball. Horst "Hotte" Hrubesch ist schließlich eine Legende. Als Fußballer, als Trainer, als Funktionär. Er ist der Mittelstürmer, das "Kopfballungeheuer", er ist einer der ganz großen im deutschen Fußball. Hrubeschs Name wird bis in alle Ewigkeit mit der Europameisterschaft 1980 verknüpft sein. Erst im April hatte er sein Debüt in der Nationalmannschaft gegeben, war nur für das Turnier nachnominiert worden, weil Klaus Fischer sich verletzt hatte. Und schoss dann im Endspiel beide Tore zum 2:1-Sieg gegen Belgien - es waren seine ersten im DFB-Trikot. Es folgte der Vize-Titel bei der WM 1982, 21 Spiele absolvierte er insgesamt für den Verband, dessen Nachwuchs er später lange Zeit selbst formte.

Beim Hamburger SV, zu dem ihn 1978 Günter Netzer gelotst hatte, spielte er fünf Jahre. Wurde dreimal Deutscher Meister und 1983 auch Europapokalsieger der Landesmeister, dazu Bundesliga-Torschützenkönig 1982. Seine Karriere ließ er dann schon als Spielertrainer ausklingen, der Weg war geebnet.

"Horst Hrubesch war wie ein Freund"

Beim DFB aber ging es katastrophal weiter für Hrubesch - als Co-Trainer im Jahr 2000, in den sportlich ganz düsteren Jahren. An der Seite von Bundestrainer Erich Ribbeck erlebte er das Desaster der EM 2000. Er saß auf der Bank und weinte, als die DFB-Elf gegen Portugal 0:3 verlor und ohne Sieg und mit nur einem Punkt aus dem Turnier ausschied.

Hrubesch zog es in die Jugend, dahin, wo er die Spieler väterlich an die Hand nehmen, ihnen mehr als nur Fußball beibringen konnte. Mit Erfolg: Er wurde 2008 erst U19-Europameister, ein Jahr später dann U21-Europameister, sechs Spieler seines Teams krönten sich fünf Jahre später zu Weltmeistern. Einer von ihnen war Manuel Neuer: "Horst Hrubesch war wie ein Freund. Er hat uns angeschnauzt und sofort wieder aus dem Dreck gezogen. So habe ich das noch nie erlebt."

16 Jahre lang war er beim DFB für den Nachwuchs zuständig, seine Amtszeit gipfelte schon einmal bei Olympischen Spielen. 2016 war das, mit den Männern. Das Finale ging verloren, die Reise endete mit Silber - und die Aussagen der Spieler ähnelten denen, die die Frauen jetzt tätigten. Nils Petersen sagte: "Wir hätten es gern für ihn gewonnen." Und Julian Brandt meinte: "Der Trainer ist ein geiler Mensch. Er hat Qualitäten, die man nicht oft findet, das muss man einfach sagen."

"Ich sag nur ein Wort: Vielen Dank."

Hrubesch ist ein Menschenfänger. Nonchalant, mal polternd, mal sanft. Immer klar heraus, mit Schickimicki und Eitelkeiten kann er nichts anfangen. Auch deshalb passt es so gut zwischen ihm und den DFB-Frauen. Schon aus finanziellen Gründen unterscheidet sich ihr Leben von dem vieler männlichen Kollegen. Sie sind geerdeter als einige andere. "Seine Mädels" eben.

Umso schöner ist es, dass sie die gemeinsame Zeit mit einer Medaille veredeln. Diese dürfen sich Hrubesch und seine Schützlinge bei der Siegerehrung nach dem Finale zwischen Brasilien und den USA am Samstag in Paris abholen. Beim HSV verabschiedete er sich damals legendär: "Ich sag' nur ein Wort: Vielen Dank." Es wird wieder Zeit.

Quelle: ntv.de

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