Kein Wunder, kein Gold, nur Pleite Argentinien schockt deutsche Hockey-Welt

Auch die deutschen Hockey-Fans können das Aus im Halbfinale kaum fassen.

Auch die deutschen Hockey-Fans können das Aus im Halbfinale kaum fassen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Hockey-Olympiasieger 2008: Deutschland. Hockey-Olympiasieger 2012: Deutschland. Und 2016 in Rio? Da wird es einen anderen Sieger bei den Männern geben. Schuld sind die Argentinier. Oder nicht?

Es war nicht Belo Horizonte, es endete nicht 1:7, es war ja nicht mal derselbe Sport und das gedemütigte Deutschland wird anders als Brasilien auch kein Trauma davontragen. Das olympische Halbfinale der Hockey-Herren gegen Argentinien trug in seiner unerwarteten Albtraumhaftigkeit dennoch Züge der WM-Desasters 2014, das Brasilien den Glauben an die eigene Fußballgröße geraubt hatte. Deutschland raubte es nach den Triumphen in Peking und London die Chance auf den Gold-Hattrick in Rio de Janeiro. Wie sehr das schmerzte, man musste nur Moritz Fürste anschauen.

Als es vorbei war, trottete der Kapitän zum deutschen Tor, ein 31-Jähriger im Körper eines Greises. Dort saß er einsam, minutenlang, den Kopf in den Händen und im Kopf "gar nichts". Auf der Anzeigetafel wechselte das Bild zwischen Fürste, johlenden argentinischen Fans und diesem unglaublichen 2:5-Endstand. Fürste, Fans, Fiasko. Immer wieder.

"Es sollte nicht sein"

"Wir haben bis ganz zum Ende versucht, alles zu tun, um irgendwie noch ein Wunder herbeizuführen", sagte Fürste später, es klang mehr nach Entschuldigung als Erklärung. Irgendwie ein Wunder, wie beim spektakulären Viertelfinal-Comeback gegen Neuseeland, "aber es sollte nicht sein heute". Dafür spielte Argentinien in der gnadenlosen Mittagssonne zu wenig neuseeländisch und Deutschland zu wenig deutsch: "Wir haben es heute nicht geschafft, unsere hundertprozentige Leistung abzurufen." Aber warum? "Dafür kann man jetzt hundert verschiedene Gründe versuchen anzuführen", sagte Fürste.

Ein Grund, warum Deutschland nicht ins Rollen kam: die argentinische Chancenverwertung vor allem durch den weltbesten Eckenschützen Gonzalo Peillat. Sie war gnadenlos und dann "wird es einfach superschwer gegen die" (Fürste).

Bild mit Symbolcharakter: Moritz Fürste.

Bild mit Symbolcharakter: Moritz Fürste.

(Foto: picture alliance / dpa)

Als Peillat schon zweimal getroffen hatte, suchte Deutschland noch den Zugriff aufs Spiel, eine erste Chance. Am Ende des Debakels waren es für Peillat drei Treffer nach Strafecken und für Argentinien fünf Tore bei nur sieben Schüssen, absurd gut. Und Deutschland? Zwei Tore aus 18 Versuchen, darunter fünf vergebene Strafecken. Hanebüchen. Und fatal in Verbindung mit zu vielen Technikfehlern, Unkonzentriertheiten, Ballverlusten und leichtfertigem Aufbauspiel.

"Wir haben die Zweikämpfe nicht gewonnen"

"Wenn man effektiv ist, hat man immer auch eine Chance das Spiel zu gewinnen", sagte Tobias Hauke, wie Fürste schon 2008 und 2012 bei den Triumphen in Peking dabei. Das sei im Mannschaftssport so, "oder im Ergebnissport, wie ich ihn immer nenne". In Rio hatte sich das Problem durch das gesamte Turnier gezogen. Der "entscheidende Punkt" gegen Argentinien war für Hauke aber: "Wir haben die Zweikämpfe heute zum Großteil nicht gewonnen und das ist gegen Mannschaften wie gegen Argentinien, die davon leben, brutal wichtig."

Höchste Hockeykunst war es tatsächlich nicht, die Argentinien auf den knallblauen Kunstrasen in Deodoro brachte, die zelebrierten nur die gewohnt großartigen argentinischen Zuschauer. Knallharte Zweikämpfe, irgendwie Strafecken herausholen, die dann verwandeln, das Spielfeld eng machen, schnelle Konter. Es gibt ausgefeiltere Matchpläne. Aber wie in der Vorrunde waren die Deutschen "nicht gut genug, um Argentinien zu schlagen" (Hauke). Nach dem wilden 4:4 wurde es diesmal ein deutsches Debakel.

Rasiert wurden diesmal die Deutschen

War der deutsche Emotionstank in der Hitze von Deodoro einfach zu leer nach dem verrückten Comeback gegen die Neuseeländer? "Ihr seid die Journalisten. Wenn ihr das schreiben wollt, könnt ihr das natürlich schreiben. Aber ich glaube, das hat damit nichts zu tun", sagte Hauke. Fürste meinte nur: "Wenn wir sie heute wegrasiert hätten, hätten alle gesagt: das waren die Emotionen aus dem Viertelfinale."

Nur: Rasiert wurden diesmal die Deutschen, so deutlich wie seit 1984 nicht mehr bei Olympia. Auch wenn sich Argentiniens Herren in der Hockey-Weltspitze etabliert haben und nun sogar Gold holen können: Es war eine Abreibung aus heiterem Himmel. Olympische Spiele, das sind für Deutschlands Hockey-Herren immer so etwas wie Heimspiele. Seit 2004 standen sie immer im Finale, in Peking und London triumphierten sie. Gegen Argentinien hieß es schon nach zwölf Minuten 0:2, zur Halbzeitpause 0:3 und nach 47 Minuten sogar 0:5. Florian Fuchs konnte es nach dem Spiel immer noch nicht glauben. 0:5 in einem olympischen Halbfinale? "Wahnsinnig enttäuschend."

Brasiliens Fußballer hatten sich von ihrem Halbfinal-Debakel 2014 nicht mehr erholt. Im Spiel um Platz drei setzte es gegen die Niederlande mit 0:3 noch eine Klatsche. Ironie der Sportgeschichte: Die Niederlande werden nach ihrem 1:3 im Halbfinale gegen Belgien auch der deutsche Gegner im Kampf um Bronze sein. "Immer noch unser großes Ziel", betonte Fürste: "Wir müssen zusehen, dass wir das jetzt verdauen. Übermorgen können wir eine olympische Medaille gewinnen. Das klingt schon cool, wenn man es sagt, und es ist einfach Fakt." Auch wenn Fürste eine Art Vorzeige-Olympionike im deutschen Olympiateam ist, der die Spiele lebt und verkörpert: Irgendwie klang er dabei, als würde er immer noch im deutschen Tor sitzen.

Quelle: ntv.de

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