Drei deutsche Boote überzeugen Erst schiffbrüchig, dann goldene Flotte
12.08.2016, 12:55 Uhr
Die Damen feiern ihre Goldmedaille stilecht im Boot.
(Foto: dpa)
Die deutschen Ruderer haben mit zwei Siegen das olympische Ziel bereits vor dem Medaillen-Rennen des Achters erfüllt. Aber der Auftritt am Lagoa Rodrigo de Freitas zeigt auch die fehlende Qualität in der Breite auf.
Das Beste kommt zum Schluss. So heißt es zumindest. Aber ob das Rennen des Deutschland-Achters tatsächlich die Krönung der olympischen Ruder-Regatta werden kann, ist fraglich, denn schon der Beginn der Medaillen-Entscheidungen auf der Lagoa Rodrigo de Freitas war ein Volltreffer. Innerhalb von 13 Minuten gewannen die beiden deutschen Doppelvierer Gold, zuerst die Männer und danach die Frauen. Der Sieg des Paradebootes zum Abschluss der Ruderwettbewerbe von Rio de Janeiro könnte die deutsche Medaillen-Bilanz noch aufbessern - aber gleichzeitig übertünchen die bisherigen Erfolge auch Defizite.
Nur drei von zehn Booten erreichten das Finale, so wenig wie noch nie bei Sommerspielen. Unter anderem strauchelte der frühere Einer-Fahrer Marcel Hacker, der zum Abschluss seiner olympischen Karriere zusammen mit Stephan Krüger im Doppelzweier eine Medaille im Visier hatte. "Wir versuchen im Sinne des maximalen Erfolges zu handeln", sagt Bundestrainer Marcus Schwarzrock. Die starken Kräfte wurden gebündelt, bei den Skullern die Doppelvierer gestärkt und im Riemenbereich natürlich der prestigeträchtige Achter. Diese Taktik ist bisher zwar aufgegangen, auch sie kann trotzdem nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die deutsche Flotte in der Breite an Qualität eingebüßt hat.
Mit einem Sieg im Achter würden die Deutschen sogar noch die gute Olympia-Bilanz von vor vier Jahren toppen. Aber sie sind nicht Gold-Favorit, anders als 2012, damals hatten sie zuvor vier Jahre lang kein Rennen verloren. 36 Siege bei 36 Starts. Nach London fand so etwas wie eine Wachablösung statt, die Briten dominierten jeweils bei den Weltmeisterschaften, doch davon lassen sich die deutschen Achter-Ruderer nicht beeindrucken. "Keiner hat im Hinterkopf, dass wir jetzt schon dreimal gegen sie verloren haben", sagt Eric Johannesen. Vermutlich deshalb, weil sie sie zuletzt auch zweimal besiegt haben "Wir haben noch einmal an den letzten Stellschrauben drehen können und den letzten Feinschliff vollzogen", ist sich Schlagmann Hannes Ocik sicher. Im Mittelteil der 2000 Meter langen Strecken seien sie jetzt "ökonomischer", findet er, und vor allem schneller als in den vergangenen Jahren. "Jetzt können wir einen richtigen Punch setzen."
Unverhofft zum Erfolg
Der Doppelvierer der Männer hat gezeigt, dass es ohnehin nicht darauf ankommt, was in den vergangenen Wochen, Monaten oder Jahren passiert ist. Der Erfolg von Hans Gruhe, Karl Schulze, Lauritz Schoof und Philipp Wende kam so überraschend wie das gute Wetter in Rio. Denn die für den Rennablauf zuständigen Verantwortlichen hatten eigentlich auch am Tag nach der Annullierung des ersten Finaltages starken Wind und mäßigen Bedingungen vorhergesagt und sich schon auf weitere Verlegungen eingerichtet. Aber die Sonne strahlte über die Lagoa in Ipanema, und der gefürchtete Seitenwind blieb aus.
"Wir haben nicht mit der Goldmedaille gerechnet", sagte Schlagmann Hans Gruhne. "Das war unverhofft" nach einer Saison mit durchwachsenen Ergebnissen und einem Fehlstart in die olympischen Rennen. Das hatte einen Umweg ins Finale über den Hoffnungslauf nehmen müssen, diesen dann aber immerhin souverän gewonnen. "Es war eine unglaubliche Befreiung", gab Gruhne zu. Er selbst war erst im letzten Moment ins Boot zurückgekehrt. Nachdem er im Jahr zuvor im Doppelvierer Weltmeister geworden war, musste er im Frühjahr noch krankheitsbedingt pausieren. Aber die ersten Wettkämpfe liefen nicht gut - und das war Gruhnes Chance, als er wieder gesund war. Mit ihm wurde der Doppelvierer beim letzten Weltcup in Posen Zweiter.
Für die Frauen war der Triumph hingegen die Bestätigung. "Aller guten Dinge sind drei", sagte Annekathrin Thiele mit Blick auf die beiden vergangenen Sommerspiele in Peking und London, als der favorisierte Doppelvierer jeweils knapp an Gold gescheitert war. Und auch diese Crew profitierte von einer späten Umbesetzung. Als Julia Lier in Posen Marie Arnold ablöste, fuhr das Boot zum Sieg. Das Gespür für das richtige Personal hat auf jeden Fall gestimmt beim Deutschen Ruderverband.
Quelle: ntv.de