Olympische Super-G-Sensation Ester Ledecká - falsche Bretter, echtes Gold

Auf dem Weg zur Sensation: Ester Ledecká, Snowboard-Weltmeisterin - und jetzt Olympiasiegerin im Super-G.

Auf dem Weg zur Sensation: Ester Ledecká, Snowboard-Weltmeisterin - und jetzt Olympiasiegerin im Super-G.

(Foto: dpa)

Österreichs Anna Veith ist Überraschungs-Olympiasiegerin im Super-G, das glaubt sogar IOC-Präsident Bach. Doch dann kommt Ester Ledecká, die Snowboard-Weltmeisterin - und macht aus der Alpin-Überraschung eine Sensation.

Wäre Lindsey Vonn Olympiasiegerin im Super G geworden, die Geschichte wäre einfach zu erzählen. Eine Goldmedaille, so hatte der amerikanische Ski-Darling in Pyeongchang gesagt, werde sie ihrem verstorbenen Opa widmen. Eine sehr emotionale, eine sehr berührende Story, sie hätte wahrscheinlich sogar Steve interessiert. Bei Tina Weirather aus Liechtenstein hätten sie sich die Geschichte der guten Gene erzählt. Papa Harti Ski-Weltmeister, Mama Hanni Ski-Olympiasiegerin und jetzt eben die Tina. Eine feine Familien-, keine Heldengeschichte indes. Mit der wäre Anna Veith in Pyeongchang ums Eck gecarvt. Der österreichischen Topfahrerin drohte vor gut zwei Jahren das Karriereende. Sie quälte sich nach einer schweren Knieverletzung langsam zurück, schwerfällig, aber verbissen. "Come back stronger" zu Gold, mehr Klischee ginge kaum.

Vonn wäre an diesem Samstag wahrscheinlich auch Olympiasiegerin geworden, hätte sie vor dem Zielsprung nicht einen Ausritt in den Tiefschnee machen müssen - am Ende wurde es Platz sechs. Weirather wäre Olympiasiegerin geworden, wenn Veith nicht die Winzigkeit einer Zehntelsekunde schneller gefahren wäre, es wurde Bronze. Und Veith war eigentlich schon Olympiasiegerin. Sie hatte von IOC-Präsident Thomas Bach einen ausführlichen Gratulationsmonolog erhalten, doch dann kam mit Startnummer 26 noch Ester Ledecká. Die Snowboard-Weltmeisterin aus Tschechien. Sie legte eine Fahrt auf den Hang am heiligen Berg "Gariwang", die sie selbst nicht fassen konnte. Die niemand fassen konnte. Kaum hatte Ledecká, die als Top-Resultat auf zwei Brettern bislang "nur" einen siebten Platz bei der Abfahrt in Lake Louise vorzuweisen hatte, ihre Ski zum Stehen gebracht, regte sich in ihr nichts mehr. Eine Ewigkeit schaute sie auf die Anzeigetafel. Da leuchteten die Eins und 0,01 Sekunden Vorsprung vor Veith.

Fassungsloses Multitalent: Ledecká.

Fassungsloses Multitalent: Ledecká.

(Foto: AP)

Sekunde um Sekunde verging. Die 22-Jährige wartete darauf, dass die Rennleitung gleich etwas korrigieren würde. Olympiasiegerin, sie? Gibt's doch nicht. Nicht heute, nicht auf zwei Brettern. Die große Ledecká-Show sollte es eigentlich erst am kommenden Samstag geben, wenn der Parallel-Riesenslalom ansteht, in dem sie fast konkurrenzlos ist. "Erst als alle geschrien haben, habe ich gedacht, okay es ist wirklich so." Auf diesen Moment war sie aber genauso wenig vorbereitet, wie ihre Konkurrentinnen, wie ihre Trainer, wie die Fans, wie die Journalisten. Die griffen ausnahmslos alle sofort in ihre Taschen, Handy raus, erstmal googeln. Was kann man über diese 22-Jährige erzählen, die nun Gold in der doch eigentlich "falschen" Sportart gewonnen hat, außer dass sie offenbar ein Multitalent ist?

"Immer das gleiche Blabla"

Nun, ein ziemlicher Dickkopf ist sie auch. Der "New York Times" hatte sie Ende des vergangenen Jahres in einem Interview erzählt: "Von Anfang an haben mir die Leute gesagt: 'Du kannst nicht beides machen, du musst dich spezialisieren, sonst erreichst du nie ein höheres Level." Sie sah das anders. Bis sie 14 Jahre alt war, führte sie diese Diskussionen auch ständig mit ihren Coaches. "Immer das gleiche Blabla. Ich habe dann schließlich gesagt: Ich will beides machen und wenn's dir nicht passt, dann suche ich mir halt 'nen anderen Coach." Ende der Ansage. Ende aller Debatten. Allerspätestens seit diesem Samstag.

Nun steht der Olympiasieg, der völlig überraschende. Und mit ihm ein offizielles Protokoll: Interviews, Siegerehrung, Pressekonferenz. Ledecká geht auch hier ihren eigenen Weg. Die Skibrille nimmt sie nicht eine Sekunde ab. Aus Eitelkeit. "Ich habe mich nicht wie die anderen Mädels vorbereitet. Ich bin nicht geschminkt." Gut, dann also mit Brille. Vielleicht auch ein Selbstschutz? Denn besonders glücklich wirkt sie im Medienwahn nicht. Das sagt sie den Journalisten dann auch ziemlich deutlich. "Versteht mich nicht falsch, ihr seid echt nicht unhöflich, aber ich würde jetzt lieber Snowboarden gehen."

"Das ist supergeil"

Das Brett hatte sie dabei. Denn tatsächlich war ihr Plan für nach dem Skirennen: Noch eine Runde drehen. Konnte ja keiner ahnen, dass sie heute eine der größten Sensationen der olympischen Geschichte zu verantworten haben würde. Spätestens jetzt ist sie der nächste Erfolgsmensch aus dem Ledecká-Clan. Ihr Opa Jan Klapac war ein Eishockeystar, 1964 und 1968 gewann er mit der Tschechoslowakei olympische Medaillen. Ihre Mutter Zuzana war erfolgreiche Eiskunstläuferin. Vater Jan tanzt sportlich etwas aus der Reihe. Er ist ein berühmter Komponist, aber immerhin mit Winterbezug. Sein Fachgebiet: Weihnachtslieder.

"Das ist supergeil. Solche Sachen passieren nur bei Olympia", schwärmte die Deutsche Viktoria Rebensburg, die im olympischen Super G Zehnte wurde. Aber wie kann das eigentlich sein, dass jemand in zwei so unterschiedlichen Sportarten so erfolgreich ist? "Keine Ahnung, aber wir werden es in den nächsten Tagen sicher erfahren", so Rebensburg. Dass Ledecká gut ist, wussten die anderen Damen im Skizirkus aber schon vor Olympia, die sensationell geschlagene Veith sagte: "Ich hab sie im Juli vor zwei Jahren in Chile getroffen und damals schon gedacht: Wow, ist das eine gute Skifahrerin."

Mit zwei Jahren stand Ledecká erstmals auf zwei Brettern. Mit fünf Jahren lernte sie boarden. Sich für oder gegen eine Sportart zu entscheiden, das konnte sie nicht. Also machte sie beides, bis heute. Sie trainiert in Blöcken, wochenweise. Das ist nicht immer einfach, sagt ihr Ski-Trainer Tomas Bank. Es geht nur ganz viel Leidenschaft. Und mit Spaß. "Sie genießt einfach alles, was sie tut, daher ist es eigentlich egal, ob sie Snowboard fährt oder Ski", so Bank. Aber ist sie allein deswegen so stark? Eher nicht. Ihr zweiter Coach, Justin Reiter, glaubt: "Durch das Snowboarden hat sie einfach eine viel kreativere Art, zu verstehen, wie ein Berg funktioniert. Das hilft ihr, immer eine Lösung zu finden."

Ledecká ist das ganze Blabla indes völlig egal. Es ist doch ohnehin ganz einfach: "In beiden Sportarten geht es bergab."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen