"Es ist wahnsinnig heiß hier" Extreme Hitze und Taifun bedrohen Tokio-Spiele

Der erschöpfte russische Beachvolleyballer Oleg Stojanowski (rechts) wird in der Tokio-Hitze von seinem Trainer eingeschworen.

Der erschöpfte russische Beachvolleyballer Oleg Stojanowski (rechts) wird in der Tokio-Hitze von seinem Trainer eingeschworen.

(Foto: imago images/ITAR-TASS)

Die Beachvolleyballer flüchten bereits vom zu heißen und unbespielbaren Sand: Extreme Temperaturen und eine brutale Luftfeuchtigkeit stellen Athleten in Tokio vor gesundheitliche Probleme. Die japanische Regierung warnt vor Hitzeschlägen - und ein Taifun ist im Anmarsch.

Die Entscheidung erschien nur logisch und konsequent. Aufgrund der allseits bekannten enormen Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit von um die 80 Prozent in Tokio im Sommer nach der Regensaison verlegten die Organisatoren die Olympischen Spiele in den Herbst. Zum Schutz der Athleten vornehmlich. Denn das Wetter in Japan stellt im Juli und August schon für Menschen im Alltag ein Gesundheitsrisiko dar, an die Gefahr sich verausgabende Athleten wollte man da gar nicht erst denken. Nun, diese Entscheidung fiel tatsächlich. Allerdings vor den Olympischen Sommerspielen 1964. Sie wurden in den kühleren und angenehmen Oktober verlegt.

Dieses Mal findet Olympia jedoch mitten in der Sommerhitze statt. Denn Juli und August gelten als ideales Zeitfenster für Fernsehsender, um über das Ereignis zu berichten. Sie zahlen in diesen Monaten, in denen der globale Sportkalender ansonsten schwach ist, Milliarden von Euros und Dollars für die Übertragungsrechte, was die Chancen erhöht, ein größeres Publikum zu gewinnen. Das International Olympische Komitee (IOC) um ihren Präsidenten Thomas Bach ließ sich auch gerade deshalb nicht von den Sommer-Plänen abbringen.

57 Jahre nach den Spielen von 1964 hat sich Tokio aber inmitten der Auswirkungen der globalen Erwärmung vor allem im Sommer zu einer immer heißer werdenden Stadt entwickelt. Dadurch nehmen auch hitzebedingte Gesundheitsrisiken zu, insbesondere bei Sportveranstaltungen. Tokio ist eine der größten Metropolregion der Welt - und die Auswirkungen dieser riesigen Urbanisierung verschlimmern die Hitze und die Schwüle. In den vergangenen Jahr stieg die Gesamtzahl der Personen, die eine Hitzeerkrankung erlitten, in Tokio und ganz Japan signifikant an. 2019 benötigten mehr als 71.000 Menschen eine Notfallversorgung wegen eines Hitzschlags, zwischen Juni und September starben 118 Menschen. Im vergangenen Jahr, als die Pandemie dazu führte, dass weniger Menschen unterwegs waren, gab es immer noch 65.000 registrierte Hitzschläge und 112 Todesfälle.

"Es ist wahnsinnig heiß hier"

Auch diesen Sommer warnt die japanische Regierung, denn die Sonne brennt schon früh morgen unerbittlich. Die Agentur für Meteorologie hat ein spezielles Warnsystem im Land eingerichtet mit den Abstufungen "Warnung" (25 bis 28 Grad Celsius - Bewegung nur mit vielen Pausen), "ernste Warnung" (28 bis 31 Grad Celsius - starke Bewegung, zu der wohl auch die Ausübungen der Olympionikinnen und Olympioniken gehören, ist verboten) und "Gefahr" (mehr als 31 Grad Celsius - jeglicher Sport ist verboten). Am Dienstag befand sich Tokio mehrere Stunden in der "Gefahren"-Zone, ansonsten auf der Stufe "ernste Warnung". In den kommenden Tagen soll es ähnlich heiß und schwül zugehen laut Wet-Bulb-Globe-Temperatur (WBGT), ein Index, der auf einer Kombination von Umgebungstemperatur, relativer Luftfeuchtigkeit, Wärmebelastung durch Sonneneinstrahlung und Kühlleistung durch Wind basiert. Nachts sinken die Temperaturen lediglich auf 24 Grad Celsius.

Hitzekrankheit wird durch die kombinierte Wirkung von hohen Temperaturen, hoher Luftfeuchtigkeit und Sonneneinstrahlung auf den menschlichen Körper verursacht. Alle drei Faktoren werden die Athletinnen und Athleten von Wettkämpfen in Tokio, die im Freien abgehalten werden, extrem belasten und gefährden. Beachvolleyballer, die derzeit schon in der Metropole trainieren, mussten bereits vom Feld flüchten. Der Sand war zu heiß für ihre Füße und musste mit Wasser abgespritzt werden, währen die Sportler im Schatten warteten. "Es ist wahnsinnig heiß hier, zwischen 30 und auf dem Platz auch schon mal 40 Grad", klagte auch Tobias Hauke, zweimaliger Hockey-Olympiasieger, gegenüber dem SID.

Beachvolleyballer müssen leiden

Zwar haben die Organisatoren haben Maßnahmen wie Kühlzelte oder Dunst-Ventilatoren eingeführt, die vor den schlimmsten Auswirkungen der Hitze schützen sollen, jedoch dürften diese Unternehmungen kaum ausreichend sein. Denn die Wettergefahr verschmilzt in einer noch gefährlicheren Kombination mit der Corona-Pandemie: Eigentlich bräuchte Sportlerinnen und Sportler viel Zeit vor Ort, um sich zu akklimatisieren und an die Hitze zu gewöhnen. Das ist jedoch für viele aufgrund der Corona-Regeln und der Angst vor Ansteckungen kaum möglich (gewesen), der Großteil reist kurzfristig an. Die Akklimatisierung kann bei der Vorbeugung von Hitzeerkrankungen entscheidend sein, da sie die Toleranz für die hohen Temperaturen erhöht und den Schwitzmechanismus des Körpers anpasst.

Die Wettkämpfe im Freien müssten idealerweise am frühen Morgen, möglichst schon vor acht Uhr, oder abends nach 18 Uhr stattfinden, um die gefährliche Sonneneinstrahlung zu minimieren. Die Partien der Beachvolleyball-Gruppenphase beginnen allerdings immer um 9 Uhr Ortszeit. Laura Ludwig und Margareta Kozuch müssen gleich im ersten Spiel am kommenden Samstag um 15 Uhr antreten, Karla Borger und Julia Sude stehen zwei Tage später um in der absoluten Mittagshitze um 12 Uhr auf dem Sand. Borger sagte nach der ersten Einheit vor Ort zur Hitze: "Das ist schon krass. Man pumpt da sehr schnell." Um sich auf die extremen Bedingungen vorzubereiten, trainierten die Schweizer Beachvolleyballerinnen Joana Heidrich und Anouk Vergé-Dépré sogar extra in einer Hitzekammer. Die Corona-Spiele, sie werden auch die Hitze-, Ausdauer- und Standhaftigkeits-Spiele.

Lange bevor die Pandemie die Verschiebung von Tokio 2020 erzwang, war die brutale Sommerhitze der japanischen Hauptstadt die größte gesundheitliche Gefahr für die Organisatoren. "Die Spiele im Juli und August abzuhalten, war schon vor der Coronavirus-Pandemie ein ernstes Problem", sagte Haruo Ozaki, Vorsitzender der Tokyo Medical Association, jüngst. Dass Tokios "mildes" Sommerwetter, von dem in der Bewerbung um die Spiele zu lesen war, nicht existiert, wussten auch die Organisatoren. Der Marathon und die Geher-Wettbewerbe wurden deshalb in das 800 Kilometer nördlich von Tokio gelegene und kühlere Sapporo verlegt. "Bei Veranstaltungen wie Triathlon und Beachvolleyball besteht immer noch ein hohes Hitzeschlagrisiko", warnte Ozaki jedoch.

Luftfeuchtigkeit, Hitze, Stürme

Japan birgt aber auch andere meteorologische Gefahren als die Gluthitze. Dieser Tage trifft der Sturm "In-Fa" auf Japans südliche Inseln und Taiwan. Es wird prognostiziert, dass er sich in der Nacht auf Mittwoch zu einem Taifun entwickelt. Die Gefahr für Tokio kann noch nicht berechnet werden. Die Organisatoren hoffen, dass es nicht zur Eskalation wie 2019 kommt, als bei der Rugby-Weltmeisterschaft drei Spiele wegen des Taifuns "Hagibis" abgesagt und das Qualifying der Formel 1 um einen Tag verschoben werden mussten, der mehr als 100 Menschen das Leben kostete und große Überschwemmungen verursachte.

Bringt "In-Fa" Regen in die japanische Hauptstadt, könnte das einerseits eine willkommene Abkühlung bedeuten, andererseits die ohnehin schon extreme Luftfeuchtigkeit noch weiter in die Höhe treiben. Ob Sonne, Hitze oder Stürme - das Wetter in Tokio ist extrem und wurde wegen des Klimawandels seit den Spielen 1964 immer extremer. Damals wurde Olympia verschoben, selbst ohne Corona: Jetzt drohen nicht nur die heißesten, sondern die gefährlichsten Spiele jemals.

Quelle: ntv.de

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